die so oft wie nur möglich mit kaltem Wasser zu befeuchten ist.
§3. Man soll die Augen so wenig wie möglich ofenhalten.
§4. Von morgen an beginnen die Arztstellen wieder zu funk-tonie-ren, wo
den Patienten mit entzündeten Augen Tropfen verabreicht werden.
§5. Alle Apotheker nehmen ungesäumt die Produktion von Augentropfen
in möglichst großen Mengen auf.
§6. Es ist die Herstellung von Brillen mit Ledereinlagen in die Wege zu leiten, die den giftigen Nebel nicht durchlassen; die Termine ihrer Verteilung unter der Bevölkerung werden später bekanntgegeben.
§7. Der Herrscher der Smaragdenstadt, der Dreimalweise Scheuch, hofft, daß sich die Bevölkerung dis-zi-pli-niert verhalten und seine Weisungen prompt ausführen wird.
„Welche Worte!" flüsterten die Bürger entzückt. „Welche wunderbaren, langen und unverständlichen Worte! Mit einem solchen Herrscher kann uns wirklich nichts passieren!"
Mit Hilfe der Vorsorge- und Heilmaßnahmen, die der Scheuch und sein Stab trafen (dem Stab gehörten jetzt auch die zweifach dekorierten Doktoren Boril und Robil an), konnten die Augenerkrankungen der Menschen mit mehr oder weniger Erfolg bekämpft werden. Den Tieren aber erging es schlecht. Gegen den giftigen Nebel konnten ihre Lungen durch Rafalooblätter geschützt werden, doch es bestand keine Möglichkeit, für alle Brillen anzufertigen, um so mehr, als diese verschiedene Formen und Größen haben mußten. Über die Vogelstafette wurde den Tieren nun der Rat erteilt, die Augen so wenig wie möglich offenzuhalten. Es war, als erlösche alles Leben auf den Feldern und in den Wäldern. Für die grasfressenden Tiere war die Lage halb so schlimm, denn Gras kann man auch mit zugekniffenen Augen rupfen, doch die Raubtiere, die bei der Jagd nach Beute auf ihre scharfen Augen angewiesen sind, konnten sich vor Erschöpfung kaum noch aufrecht halten. Die Fliegenschnäpper, die Segler, die Stieglitze und die Kuckucke saßen gramvoll aufgeplustert in den Zweigen, und nur die unermüdlichen Spechte hackten mit verschlossenen Augen die Baumrinde und brachten dadurch ein wenig Leben in die Wälder. In dieser schweren Zeit machten sich besorgniserregende Erscheinungen bemerkbar, die zunächst nur den scharfsinnigsten Menschen auffielen. Seit mehr als drei Wochen bedeckte der Gelbe Nebel das Zauberland. Wir haben schon erzählt, daß die Sonne nur noch wie eine fahle rote Scheibe am Himmel schien und daß ihre Strahlen nicht mehr die Kraft von früher hatten. Da der Nebel die Sonnenstrahlen aufhielt, konnten sie nicht mehr die ehemalige Wärme spenden, und das wirkte sich mit jedem Tag immer schlimmer aus. Die Halme auf den Getreidefeldern hörten auf zu wachsen und gingen ein, das Obst in den Gärten reifte nicht, sondern hing saftlos und zusammengeschrumpft in den Bäumen... Dem Land drohte eine Mißernte, wie es sie seit Jahrtausenden nicht gegeben hatte. Natürlich konnten die Menschen die Mißernte eines Jahres überstehen, wenn es sich nur um ein Jahr handelte und genug Getreide vorrätig war. Doch wovon sollten sich die Tiere ernähren? Außerdem
deutete nichts darauf hin, daß der nächste Frühling besser sein würde. Kurzum, dem Zauberland drohte der Untergang. Das alles hatte die böse Arachna angerichtet.
***
Eines Tages trafen Gäste aus dem Violetten Land in der Smaragdenstadt ein: Der Eiserne Holzfäller, der immer wieder sein goldenes Öfaß hervorholte und ein paar Tropfen in seine Kiefer und Gelenke träufelte, und der Mechaniker Lestar mit seinen Gehilfen. Ein Trupp Holzköpfe kam mit ein Paar Bündel Bambusstäbe, die die Zwinkerer geschickt hatten. Lestar hatte einmal von dem Einbeinigen Matrosen Charlie Black gehört, wie man Dampfheizungen baut, und er hatte beschlossen, den Palast des Scheuchs auf den bevorstehenden Winter vorzubereiten. Er berichtete, daß jetzt auch im Violetten Land Brillen mit Ledereinlagen hergestellt werden. Man hatte damit begonnen, nachdem ein Sonderbote des Scheuchs drei Paar Brillen gebracht hatte, die als Muster dienten. Diese Arbeit war jetzt in vollem Gange. Sie wurde von geschickten Meistern verrichtet, deren es unter den Zwinkerern sehr viele gab. Lestar berichtete ferner, daß die Luft im Violetten Palast und in den Häusern der Zwinkerer täglich nach der Methode Urfin Juices gereinigt werde. Das, sagte er, habe sich als gutes Mittel gegen den Gelben Nebel erwiesen. Der Scheuch und sein Stab waren über diese Nachricht sehr erfreut. Wenige Tage später traf auch der Tapfere Löwe ein, der nach dem langen Weg ein wenig hinkte. Die entzündeten Augen zugekniffen und hustend, teilte er mit, daß er seine Angehörigen und Untertanen in das Rosa Land evakuiert habe, wo sie den Schutz der guten Stella genossen. Er selbst, fuhr er fort, habe beschlossen, sich in die Smaragdenstadt zu begeben, um nachzusehen, ob die Gerüchte, die ihm zu Ohren gekommen seien, stimmten. Er habe von den Ränken einer bösen Hexe gehört und von der Not, in der sich das Zauberland befinde. Die Doktoren Robil und Boril nahmen den König der Tiere sofort in Behandlung. Nachdem sie eine Durchblasung seiner Lungen durchgeführt und ihm Augentropfen verabreicht hatten, fühlte sich der Löwe viel besser. Doch wegen der verbundenen Tatzen, der grünen Filtern vor den Nüstern und der großen Brille hatte er von seinem majestätischen Aussehen so viel verloren, daß der Scheuch nur schwer ein Lachen unterdrücken konnte. Als die Doktoren mit der Behandlung fertig waren und den Löwen in Ruhe ließen, sagte er: „Bei uns hat es geschneit. So nennt nämlich die Köchin Fregosa den Schneefall, denn so hat sie es von Elli gehört, als diese ihr von Kansas erzählte."
„Was ist Schnee? Ich verstehe das nicht", fragte Faramant.
Die Frage war nicht verwunderlich, denn im Zauberland herrschte seit Jahrtausenden ewiger Sommer. Der Löwe erklärte: „Schnee - das sind weiche weiße Flocken, die vom Himmel kommen. Sie sehen wie der Flaum aus, der von den Pappeln fällt, nur sind sie kalt. Aber sie schmelzen, wenn sie auf das Fell eines Tieres oder auf die Erde fallen, und dann bilden sie Wassertropfen... "
Die Krähe mischte sich ins Gespräch. Sie sagte: „Als ich über die Weltumspannenden Berge flog, um einen Weg für Elli und den Riesen auszukundschaften, sah ich sehr viel Schnee. Er ist wirklich weiß, doch nicht so weich wie der Löwe sagt. Er liegt auf den Hängen und ist so hart, daß ein Mensch darauf gehen kann, ohne zu versinken." Alle Anwesenden wandten sich zum Fenster, um auf die funkelnden schneebedeckten Gipfel zu blicken, die bei heiterem Wetter von der Stadt aus gut zu sehen waren. Leider konnten sie nichts sehen, denn alles war in trüben Nebel gehüllt.
Kaggi-Karr fuhr fort: „Auch mir hat Elli erzählt, daß bei ihnen in der Großen Welt einmal im Jahr eine kalte Zeit anbricht und sehr viel Schnee fällt. Die Menschen sagen dann: Es ist Winter. Im Winter wird das Wasser von der Kälte hart wie Stein, und man nennt es Eis. Die Menschen ertragen jedoch leicht den Winter, weil sie warme Wohnungen und warme Kleider haben."
Der Scheuch fuhr plötzlich zusammen, legte den Finger an die Stirn und brummelte: „Kleider... Wohnungen..."
Alle blickten ihn verwundert an. Ehe sie etwas sagen konnten, gebot er ihnen zu schweigen. „Ich werde jetzt nachdenken!" sagte er. Der Kopf des Scheuchs blähte sich gewaltig auf, und plötzlich traten aus ihm rostige Nadeln hervor. Die Rostfarbe kam allem Anschein nach vom giftigen Nebel. Der Holzfäller nutzte die Gelegenheit und tröpfelte Öl auf sie. Lange dauerte das Schweigen des Scheuchs, das niemand zu unterbrechen wagte. Dann öffnete er den Mund und sagte feierlich: „Wir müssen Ann und Tim herbeirufen!" Er setzte den Anwesenden seine Gedanken auseinander: „Die Menschen von jenseits der Berge haben dem Zauberland viel Nutzen gebracht. Wer hat die Smaragdenstadt aufgebaut? Goodwin. Freilich war er, wie sich herausstellte, kein Zauberer, aber wem, wenn nicht ihm, haben wir- der Holzfäller, der Löwe und ich - unsere hohe Stellung zu verdanken? Und Elli? Wie viel Gutes hat sie uns getan! Sie hat die bösen Zauberinnen Gingema und Bastinda vernichtet, sie und ihr Onkel, der Riese von jenseits der Berge, haben uns geholfen, die Holzsoldaten Urfin Juices zu besiegen. Elli hat die Unterirdischen Erzgräber aus der Höhle hinausgeführt und sie aus der Gewalt der grausamen Könige befreit. Ja, was gibt es da viel zu reden, wir alle wissen doch, was für Heldentaten Elli vollbracht hat! Ich will euch lieber daran erinnern, wie