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Sie drückte die Krähe an ihre Brust und streichelte ihr struppiges schwarzes Gefieder. „Kaggi-Karr, liebe, teure Kaggi-Karr, welche Freude, Euch zu sehen!"

Die Krähe erwiderte den Gruß mit einem Krächzen, das sich fast wie ein Gurren anhörte. Inzwischen hatte der kleine Mann mit der grünen Brille die Erde erreicht. Freundlich begrüßte er Charlie Black und die Kinder. „Es freut mich, Euch zu sehen, Herr Riese von jenseits der Berge, und auch euch, Ann und Tim, freut es mich, zu sehen", sagte er. „Ich bin mit dem Drachen Oicho in einem sehr wichtigen Auftrag hergekommen..." Bei der Erwähnung seines Namens wandte der Drache den häßlichen Kopf mit den großen klugen Augen Ann zu, die auf ihn zuging und seinen schuppigen Hals streichelte. Oicho erwiderte die Liebkosung mit freudigem Schwanzklopfen. Faramant schilderte kurz, was sich in den letzten Monaten im Zauberland ereignet hatte: Das Erwachen der bösen Hexe Arachna aus ihrem fünftausendjährigen Schlaf, ihre

Absicht, die Einwohner des Landes zu Sklaven zu machen, die stolze Ablehnung der freiheitliebenden Völker und schließlich die verheerenden Folgen des Gelben Nebels, den die Hexe ausgelöst hatte. „Jetzt sind Ann und Tim unsere einzige Hoffnung!" schloß der Hüter des Tores seinen traurigen Bericht. „Sie haben uns im Kampf mit Urfin Juice und den kriegerischen Marranen geholfen, und jetzt hoffen wir, sie werden uns lehren, den Winter zu bekämpfen, der auf unsere Felder und Wälder zurückt..."

Der Kapitän erwiderte kopfschüttelnd: „Ihr irrt Euch, mein Freund, wenn Ihr meint, man könne den Winter mit warmen Häusern und warmer Kleidung besiegen. Bei uns kommt der Winter und vergeht, auf ihn folgen Frühling und Sommer. Bei Euch aber wird der Winter, wie ich Euren Worten entnehme, ewig andauern, wenn der Gelbe Nebel sich nicht verzieht. Der wird aber so lange anhalten, als die tückische Arachna lebt. Also steht die Frage so: Entweder die Hexe wird besiegt, oder das Zauberland geht unter. Und möge mir mein Holzbein in die Erde hineinwachsen, wenn ich mich nicht einmische und nicht alles tue, um Euer herrliches Land zu retten!"

„Hurra!" riefen die Kinder und umarmten den tapferen Seemann stürmisch. „Was sollte denn einen Globetrotter wie mich auch daran hindern?" fuhr der Kapitän fort. „Ich schreibe meinem ersten Offizier, er soll ohne mich nach den Kuru-Kussu-Inseln auslaufen, während ich eine Reise auf dem Drachen unternehme! Es muß doch interessant sein, so ein Verkehrsmittel auszuprobieren!"

Faramant wischte die Freudentränen weg, die hinter seiner grünen Brille hervorkullerten, und die Krähe schlug Purzelbäume in der Luft. „Habe ich Euch richtig verstanden, verehrter Riese von jenseits der Berge?" fragte schüchtern der Hüter des Tores. „Ihr habt Euch entschlossen, zu uns zu fliegen und den Kampf mit der bösen Arachna aufzunehmen?" „Ja", erwiderte der Seemann kurz. „Dann hat meine Botschaft einen Erfolg gehabt, von dem wir nicht einmal zu träumen wagten!" sagte Faramant strahlend. „Unvorstellbar. Der Riese von jenseits der Berge wird höchstpersönlich für unser Wohlergehen gegen die Hexe kämpfen! Oh, dann bin ich des Erfolges sicher!"

„Überschätzt Ihr nicht meine Kräfte?" schmunzelte Charlie Black und nahm die erloschene Pfeife aus dem Mund, um sie wieder anzuzünden. „Oh, nein, großer Freund und Beschützer!" versicherte Faramant lebhaft. „Nimmst du uns mit, Onkel Charlie?" fragte Ann vorsichtig. „Euch?" entgegnete der Seemann, verschmitzt lächelnd. „Das muß ich mir noch überlegen." „Was gibt es da zu überlegen?" entrüstete sich das Mädchen. „Oicho ist uns holen gekommen, und nicht dich! Du bist doch nur zufällig auf unserer Farm." „Schon gut", wehrte Charlie ab. „Darüber muß ich noch mit euren Eltern sprechen. Vorläufig aber überlegt, wo ihr den Drachen unterbringt, solange er hier ist."

Faramant sagte, Oicho habe die Zeit seines Fluges eigens so gewählt, daß er hier spät abends eintreffe, um nicht allzu großes Aufsehen zu erregen. Es habe schon einmal viel Aufregung gegeben, als er Fred und Elli herbrachte. Man hatte damals einen Fehler begangen, denn als der Drache auf die Wiese niederging, lief fast die Hälfe der Stadtbevölkerung zusammen. Zum Glück kannte Tim eine tiefe Schlucht in der Nähe, die niemand besuchte. Dorthin brachte man den Drachen. Es wurde ihm eingeschärft, ruhig dazuliegen, und versprochen, ihm nachts Futter zu bringen. Die ganze Nacht brannte auf den Farmen der Smiths und der O'Kellis Licht, die ganze Nacht schliefen weder die Erwachsenen noch die Kinder der beiden Familien. Man beriet, ob man Ann und Tim ein zweites Mal in das Zauberland ziehen lassen solle. Der Wunsch Charlie Blacks, den Kampf gegen Arachna aufzunehmen, wurde nicht beraten, denn Charlie war ein erwachsener Mann, der selbst entschied, was er zu tun habe, und außerdem hatte er schon manches gefährliche Abenteuer glücklich überstanden. Am Morgen entschieden die Smiths und die O'Kellis folgendes: Da die Kinder schon zu zweit auf den mechanischen Mauleseln in das Land der Wunder gereist und unversehrt heimgekehrt waren, durfte man sie jetzt um so mehr ziehen lassen, als Kapitän Black auf sie achtgeben und ein so zuverlässiges Transportmittel wie der zahme Drache sie befördern würde. Auch wurde berücksichtigt, daß es sich nicht um eine Unterhaltungsreise, sondern um die Rettung eines ganzen Landes handelte. Zugleich wurde Ann und besonders Tim, dessen Übermut in der ganzen Umgebung bekannt war, streng verboten, sich in ein Handgemenge mit der Hexe einzulassen, und ihnen eingeschärft, jede Gefahr zu meiden. Die Kinder versprachen es mit geradezu verdächtiger Leichtigkeit. Als die ersten Sonnenstrahlen den Himmel röteten, lagen die beiden Farmer und ihre Familien, von der stürmischen Nacht erschöpft, in tiefem Schlaf. Die Reisevorbereitungen dauerten drei Tage. Obwohl der Rucksack des Einbeinigen Seemanns und seine Taschen wie immer bodenlosen Werkzeugspeichern glichen, konnten sie doch nicht alles fassen, was Charlie für sein Vorhaben brauchte. Er fuhr in die Nachbarstadt und kaufte dort einen Bund dicken Blechs und eine Metallschere. In einer Fabrik bestellte er ein paar Dutzend Federn verschiedener Größe und Stärke aus bestem Stahl. Der Auftrag enthielt auch unzählige Schrauben, Muttern und Schraubenschlüssel aller möglichen Größen. Charlie Black zahlte über den Normalpreis, und der Auftrag wurde schnellstens ausgeführt.

Auf alle Fragen, wozu er so viel Metall brauche, lächelte der Kapitän geheimnisvoll. Der Drache lag ruhig in seinem Versteck. Elli, die der Kapitän über die Ankunft der Boten aus dem Zauberland benachrichtigt hatte, besuchte ihn heimlich, was ihr große Freude bereitete. Aber noch mehr freute sie sich über das Wiedersehen mit Kaggi-Karr und Faramant. Kaggi-Karr konnte ihre Gefühle jetzt nicht in Worten. ausdrücken, doch sie schmiegte sich so zärtlich an das Mädchen, daß jede Erklärung überflüssig war. Faramant übermittelte Elli einen flammenden Gruß vom Scheuch, vom Eisernen Holzfäller, vom Tapferen Löwen und von allen anderen Freunden. Er erzählte ihr von den schrecklichen Ereignissen, die das Land erschüttert hatten, und am Schluß fügte er hinzu, der Scheuch bitte Elli, nach Beendigung des Colleges eine Lehrerstelle in der Smaragdenstadt anzunehmen. Der Scheuch habe versprochen, führ Faramant fort, für Ellis Schule ein Haus zu bauen, das in der Welt nicht seinesgleichen hat. Er trage den Plan bereits fertig im Kopf, die hölzernen Männer hätten mit der Bereitung des Baumaterials begonnen, doch wegen des Unglücks, das über das Land hereingebrochen ist, verzögere sich die Ausführung. Es bestehe aber kein Zweifel, daß man das Unglück bannen und die Schule aufbauen werde. Elli versprach lächelnd, sich dieses schmeichelhafte Angebot durch den Kopf gehen zu lassen. Beim Abschied schenkte Faramant ihr seine grüne Brille als Souvenir aus dem Zauberland. Für ihn war das ein großes Opfer, denn er hatte, dem Befehl des Großen Goodwin folgend, die Brille viele Jahre nicht abgenommen und sich so sehr an sie gewöhnt, daß sie ihm wie ein Teil seines Gesichts vorkam. Jede Nacht brachten Tim und Ann dem Drachen einen Handwagen mit Essen. Da waren ein großer Topf mit Brei, fünf Eimer gekochte rote Rüben, zwei Sack Brot und noch vieles andere. Während der Auftrag Charlies in der Fabrik ausgeführt wurde, saß dieser nicht untätig da. Anstelle des kleinen Käfigs, in dem Faramant und Kaggi-Karr gekommen waren, baute der geschickte Meister eine große Kabine, in der vier Personen mit Gepäck ausreichend Platz fanden. Die mechanischen Maulesel konnte man natürlich nicht mitnehmen. Erstens, weil man für sie eine viel größere Kabine brauchen würde, und zweitens-das war das wichtigste-, weil die Maulesel im Gelben Nebel nicht die Sonnenenergie bekommen würden, die sie zum Aufladen brauchten, und folglich nutzlos wären. Es kam die Stunde des Abschieds. In finsterer Nacht versammelten sich alle Einwohner der beiden Farmen vor der einsamen Schlucht. In der Nähe schimmerte dunkel der riesige Leib des Drachen. Vor dem Abflug hatte Oicho doppelt soviel gefressen wie gewöhnlich, damit es ihm für den ganzen weiten Weg reichte. Die Kabine war mit starken Riemen an seinen Rücken festgeschnallt, die Ballen mit dem Blech, den Federn und dem Werkzeug lagen hinter der Kabine in Schwanznähe. Das war eine schwere Last, doch dem Drachen mit seinen gewaltigen Kräften machte das nichts aus. Die letzten stürmischen Umarmungen, Küsse, guten Wünsche und strengen Ermahnungen... Vor der Besteigung der Strickleiter fragte der Seemann seine Nichte: „Hast du Tilli-Willi nicht vergessen?" „Nein, Onkel, er liegt bei mir im Rucksack."