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„Oh, welch hübsche Wangen und welch reizendes Kinn ich habe! Ihr Menschen seid doch nur komische Mißgestalten im Vergleich zu mir! Aber wo ist denn Väterchen Charlie, nach dessen Entwurf ihr einen solchen Prachtkerl gebaut habt? Bitte tritt hervor, zeig dich doch, mein liebes Väterchen Charlie, ich brenne schon darauf, dich zusehen!" Der Seemann trat vor. Er war etwas verwirrt, zugleich aber auch stolz über die Worte seines mechanischen Kindes. Da es von unten schlecht zu sehen war, stieg er eine hohe Leiter hinauf, die mehrere Zwinkerer festhielten. „Es freut mich, daß du zufrieden bist, mein Junge!" schrie er in das Sprachrohr. „Wir haben uns reichlich Mühe gegeben..." „Papa, nimm bitte das Rohr vom Mund", bat Tilli-Willi. „Meine hervorragenden Ohren hören auch ohne Rohr jedes Wort, das du sagst. Ein Hai soll mich verschlingen, wenn ich lüge!" Charlie Black lachte. „Weißt du denn, was ein Hai ist?" Der Riese erwiderte ohne Zaudern:

„Das ist wohl so etwas wie die Hexe Arachna, mit der ich mich schlagen soll, dazu habt ihr mich doch gemacht, wenn ich euch recht verstehe. Papachen, ich muß dir sagen, du hast deine Aufgabe glänzend ausgeführt. Das war mir schon klar, als ich die Möglichkeit erhielt, meine Sinne zu beherrschen. Wisset alle, ich habe einen starken Willen - der Blitz soll mich treffen, wenn ich mich nicht wie ein Löwe schlagen werde!" Der Tapfere Löwe, der das alles mitanhörte, war über den Vergleich sehr geschmeichelt und bedankte sich bei Tilli-Willi. Der eiserne Riese aber sagte sanft: „Papachen, ich würde dich gern an meine liebende Brust drük-ken, aber ich fürchte, das könnte schlimm enden. Ihr Menschen scheint so zerbrechlich zu sein!"

„Ja, das sind wir von Natur", gab der Einbeinige Seemann zu. „Deshalb begnüge dich damit, Söhnchen, deine Liebe und Dankbarkeit in Worten auszudrücken. Das wird für mich weniger gefährlich sein. Jetzt aber mußt du durch dieses Tor gehen", sagte Charlie Black. „Vorwärts, marsch!" Der Riese tat, wie ihm geheißen, doch vor dem Tor blieb er unschlüssig stehen. „Papa Charlie, das Tor ist zu klein für mich, unter dem Bogen komme ich nicht durch..."

Charlie Black mußte verwirrt zugeben, daß da etwas wirklich nicht stimme und man den Bogen werde zerbrechen müssen.

„Das nehme ich auf. mich, Papachen", sagte der Riese. „Gebt mir nur eine Spitzhacke, die schwerste, die ihr habt."

Die Hacke in der eisernen Faust, hieb Tilli-Willi so gewaltig auf den Torbogen ein, daß die Ziegelbrocken nach allen Seiten spritzten und die Zuschauer auseinanderliefen. In wenigen Minuten war der Durchbrach fertig, und der eiserne Ritter trat auf den freien Platz. Der Wohnwagen, von Holzköpfen gezogen, folgte ihm. Als der Riese mit dem Schwert in der Rechten und dem Schild in der Linken durch die Straßen stapfte, überragte sein Kopf die dritte Etage der Häuser. Die Leute riefen ihm aus den Fenstern begeistert zu: „Hoch lebe unser Retter! Ruhm dem eisernen Mann, der Arachna besiegen wird!"

Tilli-Willi verbeugte sich stolz nach allen Seiten. „Habt Vertrauen zu mir, Bürger!" sagte er. „Tilli-Willi ist noch jung, aber ihr könnt euch auf ihn verlassen!"

Natürlich war auch das Stadttor für den Riesen zu eng, doch das hatte man vorausgesehen und ein Stück der Mauer rechtzeitig abgetragen. Da die

Fähre eine so schwere Last wie den Riesen nicht tragen konnte, mußte er den Kanal watend durchqueren. Ins Wasser steigend, bemerkte er nebenbei: „Ich darf wohl annehmen, meine Nähte sind dicht genug, und ich werde nicht naß."

Aus dem Bauch des Riesen drang Lestars Stimme: „Sei unbesorgt, auf unsere Arbeit ist Verlaß!"

Tilli-Willi entgegnete spöttisch: „Ach, das seid Ihr, mein angeblicher Führer! Ihr heißt Lestar, wenn ich nicht irre? Aufrichtig gesagt, schaff ich es auch ohne Euch, doch bleibt schon, wo Ihr seid. Wie sagt man doch: Doppelt hält besser..."

Durch die Prahlerei verlor Tilli-Willi die Kontrolle über seine Bewegungen, glitt auf dem Schlamm des Kanalbodens aus, warf die Arme in die Luft und plumpste beinahe ins Wasser. Es hätte schlimm enden können. Wäre das geschehen, hätten Charlie Black und seine Gefährten ihn im Kanal wiederaufrichten müssen, und wer weiß, ob sie es geschafft hätten. Zum Glück verlor Lestar nicht die Geistesgegenwart. Er drückte rechtzeitig auf die notwendigen Hebel, worauf der eiserne Gigant das Gleichgewicht wiedererlangte. Er richtete sich auf und schritt, die Eisdecke des Kanals zerbrechend, auf das andere Ufer zu. Als er es bestieg, wies ihn Lestar sanft zurecht: „Überheblichkeit hat schon vielen geschadet." „Was ist das, Überheblichkeit?" fragte der Riese. Als man es ihm erklärte, sagte er schuldig: „Ich will nie mehr überheblich sein..." Am Abend erzählte Lestar dem Kapitän und den anderen Teilnehmern des Feldzuges von diesem kindischen Streich Tilli-Willis, der für die Expedition schwere Folgen hätte haben können. Der Einbeinige Seemann sagte: „Ich hatte schon in Kansas beschlossen, daß unser Helfer im Kampf mit Arachna ein Junge sein muß. Ja, ja, wundert euch nicht, gerade ein eiserner Junge von dreißig Ellen. Als ich hier, auf der Smarggdeninsel, die Teile zusammensetzte, sagte ich zu ihnen, der zukünftige Tilli-Willi müsse mutig sein wie ein Knabe, der jede Gefahr verachtet und von Heldentaten träumt... "

„Onkelchen Charlie, das hast du großartig gemacht!" rief Ann begeistert. „Würde unser Tim dreißig Ellen groß und ganz aus Eisen sein, er würde sich genauso verhalten!"

Alle Insassen des Wagens waren überzeugt, daß Charlie Black es gut gemacht hatte und daß das Leben das Übrige besorgen würde.

DIE KÖNIGIN DER FELDMÄUSE

Als die Holzköpfe den Wagen vorsichtig von der Fähre gehoben und auf die gelbe Backsteinstraße gesetzt hatten, auf der sie ihn ziehen sollten, stellte Ann eine, allem Anschein nach unschuldige Frage, die jedoch, wie sich bald zeigte, niemand beantworten konnte. Diese Frage lautete: „Was tun wir, wenn Arachna sich weigert, den Kampf mit TilliWilli aufzunehmen, und mit ihrem Zauberteppich davonfliegt?" „Oh, daran habe ich nicht gedacht", gestand Charlie Black. „Die Hexe würde in einer Stunde gut zwanzig Meilen schaffen, für die wir mindestens einen ganzen Tag brauchten. Und wo sollen wir sie suchen, wenn sie davongeflogen ist?" „Da kann uns wohl der Zauberkasten helfen", sagte, auf den polierten Kasten klopfend, der Scheuch. „Er wird uns nicht helfen", entgegnete Charlie mürrisch. „Im Gelben Nebel funktioniert er nicht." Alle wurden nachdenklich. Jemand klopfe an die Tür, und herein trat mit besorgtem Gesicht Lestar. Er hatte sich nicht erklären können, warum der Wagen so lange stand, und war aus dem Bauch Tilli-Willis über die Strickleiter heruntergekommen, um nach der Ursache zu fragen. Als man es ihm sagte, ließ auch er den Kopf hängen. Tim seufzte: „Wie schade, daß wir den Silberreif nicht haben. Mit ihm hätte ich Arachna bestimmt den Teppich entwendet!" Eine Zeitlang herrschte Schweigen. „Ich weiß, wie wir es anstellen können, daß die Hexe den Teppich verliert!" rief Ann. „Die Mäuse müssen ihn zernagen!"