Выбрать главу

Die Armee näherte sich einem hohen Berg mit steilen Hängen, für dessen Überwindung mehrere Stunden nötig waren. Tim beschloß, diese Zeit für einen Flug zum Einbeinigen Seemann auszunutzen, dem er Bericht erstatten wollte. Er nahm die Mäusekönigin mit. Der Teppich beförderte die beiden schnell zum Wohnwagen, der den Großen Fluß überquert hatte und ebenfalls tief in das südliche Gebiet vorgedrungen war. Hinter dem Wagen stapfte unermüdlich Tilli-Willi, der zweimal täglich von Holzköpfen aufgezogen wurde. Ann, Charlie Black und ihre Gefährten freuten sich, von Tim und Ramina zu hören, daß die Mäusearmee im Anmarsch sei, doch ihre Gesichter verfinsterten sich bei der Nachricht von den Verlusten, die die Armee durch das gestrige Gestöber erlitten hatte. Der Sturm hatte auch die Gegend erfaßt, in der sich der Wohnwagen bewegte, doch die Insassen hatten dadurch keinen Schaden erlitten. Der Eiserne Holzfäller, Kaggi-Karr und Ramina rechneten aus, daß die fahrbare Festung weiter vorgedrungen sein mußte als die Mäusearmee, und zogen den Schluß, daß der Wagen jetzt ein, zwei Tage stillstehen müsse, damit die Hexe keinen Verdacht schöpfe und nicht das Weite suche. Tim füllte seinen Proviant auf, schärfte die kleine Axt, nahm Ramina in die Tasche und trat den Rückweg an. Als die beiden die Mäusearmee erreichten, stiegen deren letzten Züge bereits von dem Berg hinab, dessen Erklimmung so viel Mühe gekostet hatte. Der folgende Tag war wieder voller Strapazen. Den Weg furchten Schluchten mit steilen Wänden, von denen manche sich umgehen ließen, während über andere Brücken geschlagen werden mußten, wozu Tim Bäume an den Schluchträndern fällte. Einmal machte man vor einer Schlucht halt, die sich nicht umgehen ließ und an deren Rand auch keine Bäume wuchsen. Was sollte man tun? Die Mäuse in kleinen Gruppen mit dem fliegenden Teppichzipfel auf die andere Seite befördern? Das war möglich, würde jedoch viel Zeit in Anspruch nehmen. Die Königin hatte einen Einfalclass="underline" Sie schlug vor, eine lebendige Hängebrücke zu errichten. Der Vorschlag wurde verwirklicht, indem man mehrere Hundert der größten und kräftigsten Mäuse auswählte, von denen jede mit den Vorderpfoten das

Schwänzchen der nächsten umklammerte, wodurch eine lebendige Kette entstand, die Tim durch einen geschickten Wurf über den Abgrund spannte. Auf dieser schwankenden Brücke bewegte sich jetzt eine Kompanie nach der anderen. Die Mäuse piepsten ängstlich und wandten die Augen vom Abgrund ab, bis schließlich alle auf der anderen Seite waren. Ein Unfall wurde noch im letzten Moment vermieden, als dem verwundeten Mäuschen Schwarzfell schwindlig wurde und es strauchelte. Es wäre bestimmt in den Abgrund gestürzt, hätten zwei Kameraden es nicht rechtzeitig aufgefangen. Nach der Schluchtüberquerung nahm Tim die lebendige Brücke zu sich auf den Teppich und flog mit ihr hinüber. Das war das letzte und schwerste Hindernis gewesen. Nun wurde das Gelände besser, und nach einem viertägigen schnellen Marsch erblickte die Armee einen herrlichen blauen Himmel über sich, worüber jeder Mann, vom General bis zum gemeinen Soldaten, in Begeisterung geriet. Hier begannen die Besitzungen Arachnas, die man noch rechtzeitig erreicht hatte, denn viele Mäuse husteten schon und bei manchen tränten die Augen. Als die Mäuse aus dem Gelben Nebel hinauskamen, atmeten sie erleichtert auf. Allerdings mußte man hier sehr vorsichtig sein, denn in der Nähe konnten sich Zwerge herumtreiben, die, wenn sie die Mäuse gewahrten, es sofort der Hexe melden würden. In diesem Falle wäre das ganze Unternehmen gescheitert. Zum Glück war der Boden hier weich, und bald hatten die Mäuse viele Löcher gegraben, in denen sie kein fremdes Auge entdecken konnte. Tim flog mittlerweile zu Charlie Black, um mit ihm die weiteren Pläne zu beraten.

TILLI-WILLI, DER ERFINDER

Es war reiner Zufall, daß sich auf dem Wege der Armee Raminas kein einziger Zwerg befand und Arachna folglich nichts vom Anmarsch der Mäuse erfuhr, sonst hätte sie gewiß Vorkehrungen getroffen. Die Kundschafter meldeten ihr jedoch, daß ein sonderbares Haus auf Rädern, von hölzernen Menschen gezogen, auf ihre Besitzungen zurollte, und daß dieses Haus Tag und Nacht von einem eisernen Riesen mit grimmigem Gesicht bewacht werde. Arachna beschloß nachzuspüren, wer diese Feinde seien und welche Gefahr von ihnen drohte. Sie bestieg ihren Teppich, setzte Ruf Bilan neben sich und flog davon. Eine Meile vor dem Ort, an dem sich nach Meldung der Zwerge der Wagen befand, ging die Hexe nieder, versteckte sich im Walde und schickte Bilan zur Erkundung aus. Eine halbe Stunde später hörte Arachna trockenes Laub rascheln und erblickte Ruf Bilan, der aus den Büschen hervortrat. Der kleine Mann taumelte, sein Gesicht war kreideweiß, seine Lippen bebten. Es dauerte eine gute Weile, bis er hervorstieß:

„Oh, Herrin, es war schrecklich ... dieser Anblick..." Weiter konnte er nicht reden. „Sprich doch, Jammerlappen!" fuhr ihn die Hexe an. „Ein Rie-Riese", stammelte Ruf Bilan. „Soo groß, nn-nein, noch größer als Ihr... Das Gesicht... Oh, dieses Gesicht! Ich lag in den Büschen, von niemandem zu sehen, doch als er nach meiner Seite blickte, schie-schien mir, als durchbohrten mich ddd-ddie schrecklichen Au-Augen... Es war no-nnoch ein Mm-Mann da, den er Ppappa-papa nannte! Ich wwwa-wwwa-weiß nicht mehr, wie ich mich davongeschleppt habe." „Trottel!" rief Arachna verächtlich. „Lungert herum und kriegt nichts heraus! Ich gehe selbst hin."

Die Hexe schritt zuerst aufrecht, dann bückte sie sich und schließlich begann sie zu robben. Plötzlich hörte sie ein Dröhnen und Knacken, und als sie weiter robbte, bot sich ihr folgendes Bild: TilliWilli, leicht vorgebeugt, mit dem Rücken zur Hexe, wirbelte ein riesiges Schwert in seinen Händen herum mit einer Leichtigkeit, als wäre es ein dünner Spazierstock. Bei jedem Hieb fiel ein dicker Baum, den flinke Holzköpfe sofbrt zur Seite schafften. So entstand ein Weg für den Wagen. Arachna sah nicht das Gesicht des Riesen, doch seine Größe und seine Kraft beeindruckten sie gewaltig. „Nein, mit diesem Kerl will ich lieber nichts zu tun haben", raunte die Hexe. „Ich werde mich mit dem Teppich aus dem Staub machen, dann mag mich das Knäblein im ganzen Lande suchen." Die Hexe wußte nicht, daß eine unbesiegbare Mäusearmee sich ihrer Höhle näherte! Mit finsterem Gesicht kehrte Arachna zurück. Sie war sehr nachdenklich. Unterwegs hatte sie Pläne geschmiedet, die ihr helfen sollten, den Feind möglichst lange aufzuhalten. Sie befahl ihren Zwergen, die Feinde nicht aus den Augen zu lassen und ihr jeden Abend deren Aufenthaltsort zu melden. Der Wohnwagen blieb, wie Charlie Black mit Ramina ausgemacht hatte, zwei Tage am Rastplatz. Doch schon in der ersten Nacht gab es im Lager des Scheuchs ein Ereignis, das das ganze Unternehmen stark beeinflussen sollte. Lestar schlief in seinem bequemen Sessel, als oben gedämpft die Stimme des eisernen Ritters ertönte „Lestar! Fahrer Lestar, hört Ihr mich?"

Als die Antwort ausblieb, rief der Riese lauter: „Lestar, hört doch, ich rufe Euch!" „Mmm... Was ist los?" fragte der Mechaniker schlaftrunken. „Wer ruft?" „Ich, Tilli-Willi! Warum habt Ihr nicht geantwortet?" „Ach so, du bist es, Freundchen? Ich habe geschlafen, wahrscheinlich sogar sehr fest." „Geschlafen? Das verstehe ich nicht. Was bedeutet ,geschla-fen'?" wollte der Riese wissen.