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„Schade, daß ich nicht dagewesen bin, als die Schnattermäuler ihr Teilungsgeschäft vornahmen!" brummte Arachna. „Sie hätten was erlebt!" Die Untertanen der guten Zauberinnen durften ihr friedliches Leben weiterführen, worüber sie sehr glücklich waren, doch um so schlechter erging es den Käuern unter der Herrschaft Gingemas und den Zwinkerern unter der Herrschaft Bastindas.

WAS VORHER GESCHAH

Noch war die Zeit des Zauberschlafes der Arachna nicht abgelaufen, und die vier Feen regierten ihre Völker so gut oder so schlecht sie konnten. Vierzig Jahre vor dem Erwachen der Hexe ereignete sich jedoch etwas ganz Ungewöhnliches: Während eines Sturms ging im Zentrum des Zauberlandes ein riesiger Luftballon nieder, an dem ein Korb hing, aus dem ein Mann in buntem Anzug mit einem merkwürdigen Hut auf dem Kopf sprang. Der Mann hieß Goodwin, und die Einwohner des Orts hielten ihn für einen großen Zauberer, weil er ihnen gesagt hatte, er sei vom Himmel gekommen und mit der Sonne gut befreundet.[3] „Als ob wir ohne ihn nicht schon genug Zauberer hätten", brummte die Hexe beim Lesen der Chronik. „Sie befallen uns wie Fliegen den Honig." Arachna hatte vergessen, daß auch sie ungerufen ins Zauberland gekommen war. Goodwin erklärte sich zum Herrscher des Mittleren Landes. Unter seiner Regierung wurde eine schöne Stadt erbaut, die den Namen Smaragdenstadt erhielt, weil in ihren Mauern, Dächern und sogar in den Fugen des Straßenpflasters Smaragde eingelassen waren, die herrlich strahlten. Goodwin legte sich den Namen Großer und Schrecklicher Zauberer der Smaragdenstadt zu. Diese Geschichte fesselte Arachna so sehr, daß sie tagelang über der Chronik saß und sogar die Essenszeiten vergaß, was bei ihrem Appetit höchst erstaunlich war. Im Zauberland trugen sich dann neue ungewöhnliche Ereignisse zu. Ein Gewitter, das Gingema ausgelöst hatte, brachte von der anderen Seite der Berge einen kleinen Wohnwagen, in dem sich ein Mädchen namens Elli mit ihrem Hündchen Toto befand. Der Wohnwagen stürzte auf die böse Gingema herab und zerschmetterte sie. Das Hündchen fand in ihrer Höhle ein Paar Silberschuhe, die es seiner kleinen Herrin brachte.

Am Ort des Vorganges erschien die gute Fee Willina und sagte, wenn Elli es fertigbrächte, die sehnlichsten Wünsche von drei Geschöpfen zu erfüllen, würde der Große Goodwin sie nach Kansas in ihre Heimat zurückführen. Elli zog die Silberschuhe an und machte sich tapfer auf den Weg in die Smaragdenstadt, wohin eine mit gelbem Backstein gepflasterte Straße führte. Das Hündchen lief munter an ihrer Seite. Elli brauchte nicht lange auf die drei Geschöpfe zu warten, deren sehnlichsten Wünsche sie erfüllen sollte. In einem Weizenfeld nahm sie eine Vogelscheuche von einem Pfahl, einen Strohmann namens Scheuch, der ihr sagte, sein sehnlichster Wunsch sei ein Gehirn. Man schloß Freundschaft und ging weiter. In einem Wald entdeckten die beiden den Eisernen Holzfäller, der schon ein Jahr dastand und im Regen rostete. Als Elli seine Gelenke ölte und er wieder sprechen konnte, sagte der Mann, sein sehnlichster Wunsch sei ein liebendes Herz. Das dritte Geschöpf mit einem sehnlichen Wunsch war der Feige Löwe, der so schüchtern war, daß er sich selbst vor den kleinsten Tieren fürchtete. Nach seinem Wunsch befragt, sagte er, er sehne sich nach Mut, denn Mut gehe über alles. Die seltsame Schar überwand viele Hindernisse und gelangte schließlich in die Smaragdenstadt, wo sie Goodwin ihre Wünsche vortrug. Der Große und Schreckliche erklärte ihnen, er werde ihre Wünsche nur dann erfüllen, wenn sie die tückische Bastinda besiegten und ihr die Zauberkraft nähmen. Das war eine schwere Aufgabe, doch die vier schafften es. Bastinda, die sich seit 500 Jahren nicht gewaschen und ihre Zähne niemals geputzt hatte, sollte durch Wasser umkommen. Bei einem Streit mit ihr goß Elli einen Eimer Wasser über sie aus, und die Zauberin zerschmolz wie ein Stück Zucker in einem Glas Tee. Als Elli und ihre drolligen Freunde siegreich zurückkehrten und von Goodwin die Erfüllung ihrer Wünsche forderten, gestand der Große und Schreckliche, daß er nicht ein Zauberer, sondern ein Betrüger sei, der die Menschen beschwatzte. Er verberge sich in seinem Palast vor den echten Zauberinnen, sagte er, weil er sich schrecklich vor ihnen fürchte.

„Habe mir gleich gedacht, daß da was faul ist", brummte Arachna verächtlich. ,,Dieser Angeber, der sich ein Freund der Sonne nennt, kam mir von Anfang an verdächtig vor. Um so besser, dann haben wir einen Feind weniger gegen uns"

Nebenbei gesagt, war Goodwin, wenngleich ein falscher Zauberer, immerhin erfinderisch genug, um für den Scheuch ein kluges Gehirn aus Sägemehl herzustellen, das er mit Näh- und Stecknadeln mischte. Dem Holzfäller hing Goodwin ein aus Stoffresten genähtes und mit Sägemehl gefülltes Herz in die Brust, und dem Löwen gab er aus einem goldenen Tellerchen eine zischende und schäumende Flüssigkeit zu trinken, die eine

Portion Mut enthielt. Die drei Freunde blickten jetzt stolz drein und waren glücklich über die Erfüllung ihrer sehnlichsten Wünsche. Goodwin hatte es satt, sich vor den Menschen zu verbergen, und er kehrte mit dem Luftballon, mit dem er in das Zauberland gekommen war, nach Kansas zurück. Vor dem Abflug ernannte er den Weisen Scheuch zum Herrscher der Smaragdenstadt. Der Eiserne Holzfäller kehrte zu den Zwinkerern zurück und wurde Herrscher über das Violette Land. Den Tapferen Löwen aber wählten die Tiere des Waldes zu ihrem König. „Wie merkwürdig" wunderte sich Arachna, als sie das Ende der Abenteuer von Ellis Freunden las. „Alle bekleiden jetzt hohe Ämter, sind Herrscher und Könige. Und das Mädchen? Was ist aus dem Mädchen geworden?" Weiterlesend erfuhr die Hexe, daß Elli mit Hilfe der Zauberschuhe Gingemas nach Kansas zurückgekehrt war. Arachna rief Kastaglio, der zuletzt die Chronik geführt hatte, und fragte ihn streng: „Hör mal, Knirps, ist alles, was hier über Elli und ihre Freunde geschrieben steht, wahr oder erfunden? Es klingt wie ein Märchen!" „Alles, was hier steht, ist die reinste Wahrheit, Herrin, ich schwöre es beim Leben meiner Enkel!" versicherte der Chronist. „Das ist aber längst noch nicht alles, lest nur weiter, Ihr werdet da noch viel erstaunlichere Dinge finden." Arachna verspeiste drei Ochsen und zwei Hammel und las gespannt weiter. Aus der nächsten Rolle erfuhr sie, daß in den Diensten Gingemas bis zu ihrem Tode ein böser und neidischer Tischler namens Urfin Juice gestanden hatte. Als Gingema durch den Wohnwagen Ellis umkam, ging Urfin in den Wald und lebte dort abgeschieden und in sich gekehrt, ohne jemanden zu lieben oder von jemandem geliebt zu werden.[4] Einmal trug ein Gewitter Samenkörner einer ganz ungewöhnlichen Pflanze in den Garten Urfins. Die Pflanze besaß eine außerordentliche Lebenskraft. Die Körner wuchsen schnell, bald überwucherte dies Gewächs alle Beete, und als Urfin die Stengel herausriß, sie zerkleinerte und auf Blechen in der Sonne trocknen ließ, verwandelten sie sich in ein lebenspendendes Pulver.

Urfin fertigte viele Holzsoldaten an, die er Holzköpfe nannte, flößte ihnen mit Hilfe des Pulvers Leben ein und stellte aus ihnen eine mächtige Armee auf, mit der er sich die Käuer und Zwinkerer unterwarf. Auf diese Weise wurde er König des Smaragdenlandes. Als der Scheuch und der Eiserne Holzfäller in Urfins Gefangenschaft gerieten, weigerten sie sich, seine Macht anzuerkennen, weil er ein Usurpator war. Sie schrieben einen Brief an Elli, den die Krähe Kaggi-Karr nach Kansas brachte und dem Mädchen übergab. Elli beschloß ihren gefangenen Freunden zu helfen. Sie machte sich in Begleitung ihres Onkels, des Einbeinigen Seemanns Charlie Black, der viele gute Einfälle hatte und sich immer zu helfen wußte, sofort auf den Weg. Mit einem Schiff auf Rädern durchquerten sie die Große Wüste, gingen dann über die Weltumspannenden Berge und gelangten schließlich in das Zauberland. Der Kampf mit Urfin und seinen Holzsoldaten war lang und beschwerlich, doch Elli und ihre Gefährten trugen den Sieg davon. Urfin Juice wurde zur Verbannung verurteilt. Den Holzsoldaten tauschte man auf Vorschlag des Scheuchs die grimmigen Haudegenfratzen gegen lächelnde Gesichter ein, die vor Frohsinn strahlten, und dadurch verwandelten sie sich in sanftmütige und arbeitsfreudige Diener. Nach dem Sieg über Urfin kehrten Elli und ihr Onkel in die Heimat zurück. Als Arachna die Geschichte vom ruhmlosen Ende der glänzenden Karriere Urfins las, empfand sie Mitleid mit ihm, denn der böse und neidische Charakter des Tischlers war ganz nach ihrem Geschmack. „Ich werde mir diesen unternehmungsfreudigen Kerl merken", dachte die Hexe. Arachna interessierte auch das Schicksal Ruf Bilans, des Obersten Staatsministers unter König Urfin I. Bilan hatte das hohe Amt als Lohn dafür erhalten, daß er seine Heimat verraten und den Feinden heimlich das Stadttor geöffnet hatte. Nach dem Sturz Urfins beschloß Ruf Bilan, die verdiente Strafe nicht abzuwarten, sondern in das Unterirdische Land zu fliehen. Auf der Flucht verirrte er sich in einem Labyrinth, wo er auf die Quelle des Schlafwassers stieß. Mit einer Hacke, die zufällig dort lag, schlug er ein Loch in die Wand, die die Quelle umgab, wodurch er den Lauf des Wassers unterbrach, das bald versickerte.[5] Für dieses schwere Vergehen wurde Bilan von dem damals regierenden König des Unterirdischen Landes zum Lakaien degradiert. Durch das Verschwinden des Schlafwassers war die Ordnung, die seit Jahrhunderten im Unterirdischen Lande herrschte, gestört worden.

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3

Nachzulesen im Märchen „Der Zauberer der Smaragdenstadt".

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4

Nachzulesen im Märchen ,,Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten"

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5

Nachzulesen im Märchen „Die sieben unterirdischen Könige"