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I. Wybarth, 17.08, 7. 6. 62. Telefonat, Fontainebleau... Ich habe mich nicht getäuscht... Ja, eine Stichflamme

... Der Feuerschein wird stärker... Alarmieren Sie die Feuerwehr... Gewiß, in unserem Distrikt kümmere ich mich selbst...

Funkspruch, Versailles An alle Streifenwagen:

Kleiner Mann, faltiges Gesicht, graues Haar, ohne Hut, erstaunlich beweglich, trägt großes Paket, der Brandstiftung verdächtig, vermutlich auf dem Weg zur Stadt. Ausfallstraßen bewachen!

Schlagzeilen, Paris Midi Das Wrack auf dem Brandplatz – Unbekanntes Raketenmodell – Verdächtiger Zwerg – Alarm in Paris.

Radio National, Reportage

Wir befinden uns vor dem Eiffelturm. Wie schon oft hat ihn ein Verbrecher als letzte Zuflucht gewählt. Die Polizei richtet Scheinwerfer auf die Plattform... Deutlich erkenne ich einen Mann, er bewegt sich, hantiert an einem Paket, ein Strahl geht von ihm aus, die Pfeiler beginnen zu glühen ... ... Aus technischen Gründen mußten wir unsere Reportage unterbrechen. Nach zwei Minuten Pause hören Sie die Marktberichte.

Zeitungsmeldung, Le Matin

... Die Traversen bogen sich durch, die Plattform stand bald unter einem Winkel von 30° gegen die Horizontale. Zahlreiche Personen gerieten in den tödlichen Bereich des Strahls. Polizeichef Brassier gab sofort den Feuerbefehl. Leuchtspurgarben stiegen in die Höhe, der kleine Mann schien gleich getroffen zu sein, denn er sackte zusammen und rührte sich nicht mehr, dagegen strahlte der Apparat noch immer. Schließlich kippte die Plattform um, der Körper des Mannes und sein Werkzeug stürzten herab und zerschellten...

Geheimes Gutachten, Academie Franchise... zwar menschenähnlich, aber die erwähnten Merkmale zeigen, daß es sich um eine Rasse handelt, die auf der Erde nicht bekannt ist. Weitere Untersuchungen...

... Eine Waffe außerordentlicher Intensität. Da sie beim Sturz völlig zerstört wurde, konnte die Betriebsweise bisher nicht festgestellt werden. Es scheint sich aber...

Erklärung des Justizministers Leonardi

... Gerüchte verantwortungsloser Sensationsjäger. Der Verunglückte entsprang einer Heilanstalt; wie er in den Besitz einer unserer neuen Waffen kam, die sich noch im Versuchsstadium befinden, ist ungeklärt.

Brief des Staatsministers Juliet

... zweifellos um ein feindlich gesinntes Wesen aus dem Weltraum. Daß wir den Angriff gleich im Keime ersticken konnten, verdanken wir Ihrem tatkräftigen...

Lichttelegramm von ZSLB 7 an HSTLG 102... Aktion 3 ein voller Erfolg. Von 62 gelandeten Agenten des Vorbereitungskommandos Verlust nur eines einzigen. Sonst völlig unbemerkt verlaufen. Aktion 4 wird programmgemäß beginnen...

23

Paradies

Das Paradies ist der Ort, der alle Sehnsüchte erfüllt. Macht uns das auf die Dauer glücklich?

Der Himmel war von einem scheußlichen Blauviolett. Meist allerdings verdunkelten ihn Schwaden von Aluminiumstaub, die von einzelnen Wolkenpilzen ausgingen. Dort rissen die warmen Aufwinde den Metallstaub in die Höhe. Wie eine säulengestützte Decke hingen die grauen Polster in der Luft.

Außerhalb der Plattform war jeder Schritt gefährlich. Jede unvorsichtige Bewegung wirbelte die Aluminiummassen auf – die geringste Menge brachte einem dem Ersticken nahe. Es gab auch Löcher, wo man einfach im Staub versank, untertauchte und nie mehr zum Vorschein kam. Am unangenehmsten waren die Kristallfelder, Flächen, die ein lockeres Netz aus langen Oxydnadeln bedeckte, das einen stellenweise trug und dann wieder unversehens einbrechen ließ. Jeder hatte trotz der Stiefel Stich- und Kratzwunden an den Beinen.

Sieben Monate meiner zwei Dienstjahre hatte ich schon abgedient, da bemerkten wir das Raumschiff. Es kreiste einige Male über unserer Plattform und verschwand dann in der Höhe. Von da an konnte es oft passieren, daß man von seiner Arbeit aufsah und den Schlitten oben herumkurven sah. Ein scheußliches Gefühl, sich immer beobachtet zu wissen.

Dann kam der Tag, an dem Tom verschwand. Er war allein vor die Baracke getreten und kam nicht wieder herein. Wir suchten einige Stunden, aber vergeblich. Schließlich mußten wir annehmen, er wäre in eines der Aluminiumlöcher gefallen.

Eine Woche später sahen wir das Raumschiff wieder. Diesmal kreiste es nicht, sondern fiel wie ein Sack bis dicht über den Boden. Dort fing es sich auf und blieb schweben. Eine Luke öffnete sich, eine Leiter schwenkte aus, eine Gestalt kletterte herunter. Tom.

Wir hielten unsere Gewehre bereit, doch er streckte uns die Hände offen entgegen und trat auf uns zu.

»Keine Sorge, alles in Ordnung«, rief er uns zu. »Habe einen kleinen Besuch gemacht. Rate euch auch dazu!«

»... gehört das Schiff?« fragte Cedric.

»Meinen Freunden«, antwortete Tom. »Kommt mit!«

Cedric winkte mir, und wir traten ans Schiff. Ich hatte ein ungutes Gefühl. Im Weltraum gibt es die seltsamsten Wesen.

Was uns aber nun entgegenkam, waren Menschen. Doch kein solcher ausgemergelter Durchschnitt wie wir! So etwas Stattliches habe ich noch nicht gesehen. Der Mann groß und blond, die Augen offen und klar, die Haltung aufrecht, das Mädchen eine Schönheit, gut proportioniert, ein süßes Gesicht, hellbraune Haut.

»... verstehen nicht, daß ihr arbeitet«, sprach der Mann. »Kommt mit uns! Wir wollen, daß alle Menschen glücklich sind.«

Ich blickte um mich: bequeme Möbel, satte Farben, Luxus, Bequemlichkeit. Das Mädchen drückte auf einen Knopf, und auf einer Wand erschienen Bilder: Parkanlagen, Menschen auf sonnigen Bänken, Tanz an einem See, gedeckte Tische, Girlanden, Lampions...

In mir stieg eine unbezähmbare Sehnsucht auf. Ich sah das Mädchen an, und es lächelte mir zu. Ich stieß Cedric in die Seite: »... meinst du?«

Er wischte sich über die Augen, als müßte er sich mühsam konzentrieren: »... werden die anderen fragen.«  Unser Beschluß war einstimmig. Per Funkspruch kündigten wir unseren Vertrag. Wir verzichteten auf unseren Lohn. Und fuhren los.

Sieben Monate lebten wir wie im Paradies. Jeder von uns besaß eine Wohnung mit feudalem Mobiliar und allem Komfort. Wir schlenderten durch die Parkanlagen, plauderten, sonnten uns, badeten, tanzten. Wir sahen dem farbigen Spiel des künstlichen Nordlichts zu, hörten die Musik der automatischen Orchester, weideten uns am Geruch der Duftgärten. Wir aßen, soviel wir wollten, tranken den prickelnden Wein, unterhielten uns mit den Mädchen, von denen eins schöner war als das andere.

Schließlich wurde es langweilig. Ich sehnte mich nach einer Scheibe Roggenbrot, nach einem Gewaltmarsch durch den Kristalldschungel, nach einer durchräucherten, wechselstrombeleuchteten Baracke. Ich konnte diese Menschen nicht mehr sehen, diese Mannequinfiguren mit ihren Puppengesichtern. Tagelang blieb ich zu Hause und dachte an längst vergangene Zeiten. Eines Tages schlich ich mich zum Raumflughafen, wo das Schiff stand, das uns hergebracht hatte. Es war Nacht – natürlich eine sternenklare Nacht –, von ferne klang Musik. Neben der Silhouette der Rakete bewegte sich ein Schatten. Ich verharrte still... Im Schein eines Feuerwerks, das sie unten abbrannten, erschien ein Mensch. Tom.

Ich rief ihn an. Er zuckte erst zusammen, dann lachte er. Er schlug mit der flachen Hand klatschend auf das Metall des Raumschiffs.

»... wäre es mit einem kleinen Ausflug?« fragte er.

Ich verstand sofort: »Einverstanden!«

»Dann warte ein bißchen!« bat er und lief davon.

Nach einer Viertelstunde standen wir alle im Raumschiff. Unser Beschluß war einstimmig. Wir fuhren los.

Über uns hingen graue Wolken. In Sternformen entwuchsen sie den Säulen aufsteigenden Aluminiumstaubes. Wo sie Löcher frei ließen, sah ein blauvioletter Himmel durch. Unter unseren vorsichtigen Schritten stäubte das Metallpulver auf. Immer wieder mußten wir den Atem anhalten, um Erstickungsanfällen zu entgehen. Nördlich von uns dehnte sich ein Kristallfeld. Tausend Nadeln stachen ineinander, glänzende Spieße geformter Materie webten ein bizarres Muster. Bei jeder Bewegung sprangen silberne Reflexe von Spitze zu Spitze. Wir spürten das Arbeiten unserer Muskeln, die Spannung unserer Nerven. Bei jedem Schritt mußten wir aufpassen, nicht in eine der Fallgruben zu geraten. Vor uns lag die Baracke, das Wellblechdach trug eine dicke Staubschicht. Vor uns lag die Plattform. Arbeit, Kampf, Gefahr, ein Ziel. Schon lange waren wir nicht mehr so zufrieden wie jetzt.