Ich sah meinen Doppelgänger an und er mich. Es war, als sähe ich in einen Spiegel. Ich ergriff ein Stück Papier und notierte die geheimgehaltene Abfahrtszeit, die Tonnage des Raumschiffs, die Teilnehmer der Expedition, die Armierung. Ich reichte es dem Major.
Zur gleichen Sekunde reichte ihm auch mein Nachbar ein Stück Papier.
Der Major ergriff beide und warf einen Blick darauf: »... Daten stimmen, meine Herren, Sie müssen sich etwas Besseres ausdenken!« und zur Ordonnanz gewandt: »Abführen!«
Sie brachten uns in zwei nebeneinanderliegende Wachzimmer. Ich zermarterte mein Gehirn. Das Problem schien zu hoch für mich. Eine unbändige Wut packte mich. Ich zog meine Waffe, riß die Tür auf, rannte am erstaunten Posten vorbei zur benachbarten Tür...
Im selben Moment sprang auch diese Tür auf. Mein zweites Ich stand vor mir, die Pistole in der erhobenen Hand. Einen Augenblick sah ich ihm in die Augen. Es waren meine Augen. Wir ließen die Waffen sinken und traten in unsere Zimmer zurück.
Dann verlangte ich einen Arzt. Es dauerte lang. Ungeduldig trat ich vor die Tür. Endlich kam er. Er kam aus dem Nebenzimmer. Er untersuchte mich genau. Blutbild, Puls, Fingerabdruck, Reaktion und so weiter. Schließlich lächelte er, zuckte die Schultern und verschwand ohne ein Wort.
Ein Gedanke zuckte durch meinen Kopf: Catharine! Sie holten sie und stellten sie uns gegenüber.
»Erkennst du mich nicht, Cat?« fragte mein Gegenspieler. Eben hatte ich dasselbe aussprechen wollen.
Catharine preßte eine Hand auf die Brust. Sie sah von einem zum andern.
»Es tut mir leid, Rob!« sagte sie. Sie hielt den Kopf dabei gesenkt.
Der Major stand dabei und sah auf die Uhr: »... haben noch zehn Minuten«, erinnerte er.
In diesen zehn Minuten faßte ich tausend Entschlüsse und verwarf sie wieder. Der Zeiger meiner Uhr rückte unaufhaltsam vor. Ich fand keinen Ausweg. Vor mir lag die Pistole. Ich schloß meine Hand um den Griff, legte den Zeigefinger um den Abzug, hob sie hoch – da tönte im Nebenzimmer ein Schuß...
»... ist kein Beweis«, sagte später der Major zu mir. »... dürfen nicht mitfliegen. Sie bleiben noch vier Stunden interniert. Dann bekommen Sie eine ruhige Beschäftigung im Zivildienst.« Und zur Wache gewandt: »Führen Sie ihn ab!«
26
Landung
Ein Problem der Kommunikation ist die mangelnde Verständigung zwischen den Menschen. Wie soll dann erst ein Mensch das Wesen eines fremden Planeten verstehen?
Nie konnten wir genug daran kriegen, durch die Gärten zu streifen, zwischen den Mooshecken hindurch zu wandern, über die jadegrünen Terrassen zu steigen, hinunter zum See. An seinem Ufer saßen wir stundenlang, beobachteten die Dampfwolken der heißen Quellen, sahen zu den hochgeschichteten Stufenbergen hinüber, über denen in den Nächten das Nordlicht seine Farbsymphonien erstrahlen ließ. Wir labten uns an der absoluten Stille, seit es nicht mehr notwendig war zu sprechen.
Als die Meldung gesendet wurde, schrieben wir gerade die Ergebnisse unserer ontologischen Experimentalserie in einen der alten, ledergebundenen Bände. Seit wir diesen Planeten erworben hatten, waren wir noch nicht gestört worden. Noch nie hatten wir die Aggregate ausprobiert. Nun eilten wir zur Pyramide hinüber und sahen durch den Verstärkerschirm die Raumflotte ankommen. Wir legten die Hand auf den Knopf der Transportators und beobachteten, wie ein Geschwader nach dem anderen in den Raum hinausgeschleudert wurde – Pünktchen, die im Nichts verschwanden.
Schon wollten wir uns in die Gärten zurückziehen, als eine erneute Meldung durchkam: Die Schiffe kehrten zurück. Wir waren so erstaunt, daß wir eine Stufe übersahen und zu Boden stürzten. Es war ein eigentümliches Gefühl für uns, wieder Schmerz zu verspüren.
Das mußte eine Rasse von ungeheurer Beharrlichkeit sein. Diesmal hatten sie sich geteilt und kamen von vielen Seiten auf uns zu. Die Zielvorrichtung konnte nicht so schnell ihre Winkel ändern, um alle abzufangen – einige kamen in die Sperrzone und stürzten ab. Die meisten fielen in den See, ein Schiff aber ging gar nicht weit von uns am Ufer nieder.
Es war in mehrere Stücke zerbrochen, in weitem Umkreis fanden wir den Boden rauchgeschwärzt. Wir sahen auch einige der Insassen in seltsam verkrümmten Stellungen herumliegen. Wir ließen den Platz rasch reinigen, denn in uns stiegen Erinnerungen auf, die unser Denken empfindlich störten – an turbulente Geschehnisse, die weit zurücklagen. An die Zeit, als wir noch zwei getrennte Wesen waren.
Verfluchte Schweinerei! 20 Raumschiffe beim Teufel. Eine ganze Staffel mußten wir opfern, um ein magnetisches Sperrfeld zu absorbieren. Im richtigen Augenblick schlüpften wir dann mit zwanzig anderen durch. Glück gehabt: Ich war bei der zweiten Staffel!
Und das alles für einen Haufen Dreck. Hier ist nichts los. Schmutziggrünes Gestein, kümmerliche Pflanzen, ein paar Büschel glitschiges Moos und eine erdrückende Hitze. Sie kommt aus dem Boden. Dort unten muß alles radioaktiv sein. Einige Seen kochen und dampfen, als würde jemand von unten einheizen.
Wir waren alle bis auf die Zähne bewaffnet, als wir den Planeten in Trupps durchstreiften. Langweilige Sache. Tagelang rannten wir umsonst in diesem Waschkessel herum wie die Irren. Was wir fanden, waren zwei komische, völlig miteinander verwachsene Wesen, die aussahen wie hornlose Ochsen mit plattgedrückten Köpfen. Sie konnten sich kaum richtig bewegen.
Der Bio sagte, das sei irgendeine Mißbildung. Er gab ihnen Äther zum Schnupfen und schnitzelte dann eine Stunde an ihnen herum, endlich hatte er sie auseinandergesäbelt. Er war mächtig stolz darauf.
Und auch wir sind stolz! So haben wir doch ein gutes Werk getan. Möchte nur wissen, warum die beiden die Köpfe hängen lassen.
Wir fanden dann noch einige alte Gebäude und eine Abwehranlage, die tadellos in Schuß war – wahrscheinlich alles automatisch. Lebendiges war nichts mehr da. Wer bleibt auch schon auf einem solchen traurigen Fleck?
27
Gewalt
Gewalt ist erst vollkommen, wenn sie neben dem Körper auch den Geist erfaßt. Das wußten sie.
Was mir passiert war, war schon vielen jungen Frauen geschehen... Ich verstehe nur nicht, wie sie den Dingen ihren Lauf lassen konnten. Aber ich bin anders als sie, ich werde eine Lösung finden. Jeder anständige Arzt muß wissen, was er zu tun hat. In jedem Spital wird man mir helfen...
Ich schlenderte wie so oft über die Via Veneto. Mein Dienst hatte ausnahmsweise rechtzeitig geendet, und mein Verlobter kommt erst morgen von Außenaufnahmen zurück.
Da traten sie auf mich zu. Sie schüttelten mir die Hände, lachten, plauderten. Sie sprachen vom angenehmen Abend und luden mich ein, in ihr Auto einzusteigen.
Sie sahen wie Menschen aus, aber ich wußte, daß es keine Menschen waren. Ich hatte zu oft von den Implantationen gehört. Ich ging mit, denn sie drückten mir etwas Hartes zwischen die Rippen. Es konnte eine Füllfeder oder ein Feuerzeug sein, aber auch etwas anderes. Darum ging ich mit. Sie zogen mich in den Fond ihres Wagens, der mit undurchsichtigen Vorhängen abgeschlossen war. Ich sah das Blitzen der Instrumente. Ich roch etwas Süßliches und verlor das Bewußtsein.
Gegen Mitternacht setzten sie mich an der Piazza Navona ab. Der Wagen rauschte fort, der Platz war menschenleer. Ich spürte die Naht, aber sie tat kaum weh. Sie sind Meister der Chirurgie. Ich werde einen Bastard zur Welt bringen.
Ich bin müde, sehr müde. Aber eigentlich weder erschreckt noch unglücklich. Ich bin erstaunt darüber. Ich gehe langsam durch die alten Gassen. Wohin will ich? Zum Ospedale S. Spirito? Was soll ich dort?
Sie sind eine überlegene Rasse. Sie wissen mehr als wir.