»... den Fingern«, riet Ben. »Aber du bringst mich auf eine Idee. Ich bin neugierig, ob ich recht habe.«
Der Hunger zwang sie, von der Speise zu essen. Sie schmeckte nicht so schlecht, wie sie roch. Dann warteten sie wieder.
Nach einer Viertelstunde ging die Tür wieder auf. Fünf Slepper traten ein. Einer füllte den Wasserkrug und trug das halbgeleerte Tongefäß fort, zwei andere schoben einen fahrbaren Tisch mit Instrumenten vor sich her. Die zwei letzten waren mit den vibrierenden Metallfedern ausgerüstet, mit denen sie die beiden Freunde schon einmal betäubt hatten; es schien sich um Wachtposten zu handeln.
Ein Slepper hantierte an seiner Apparatur... Aus einem Mikrophon drangen menschliche Laute.
»Verstehst du einen Ton?« fragte Kai.
»... nicht, aber es dürfte ein Suahelidialekt sein«, sagte Ben.
»... kommen die auf Suaheli?« wollte Kai wissen.
»Meine Vermutung von vorhin stimmt«, erwiderte Ben. »... darf aber jetzt nichts mehr sagen – sicher nehmen sie das Gespräch auf und übersetzen es später.«
Die Slepper verständigten sich durch Tonfolgen, die an Musik erinnerten. Irgend etwas schien sie zu überraschen. Der eine drehte an einem Knopf. Wieder ertönte das Mikrophon:
»Verstehst du einen Ton? – Das nicht, aber es dürfte...«
»... wissen mit unserer Sprache nichts anzufangen«, erklärte Ben.
Ein Slepper trat zur Schalttafel neben der Tür und gab ein Zeichen. Kurz darauf traten zwei weitere Vierbeiner ein, sie brachten einen Schrank, dessen Wände aus engmaschigem Drahtnetz bestanden. Hier hinein stellten sie die Tonabhör-und Wiedergabeapparatur und verschlossen ihn. Nun öffnete ein Slepper die Tür, indem er einige Tasten des Schalttäfelchens mehrmals niederdrückte, die fremdartigen Wesen verließen den Raum, die Tür schloß sich.
»Eins ist klar«, sagte Ben, »... dürfen über nichts Wichtiges sprechen, vor allem nicht über Fluchtpläne.«
Die Freunde untersuchten den Drahtnetzschrank – er bestand aus unzerstörbarem Material und ließ sich nicht öffnen. Es blieb zunächst nichts über, als weiter zu warten. So vergingen einige Tage. Sie sprachen Belangloses, lebten von ungewohnter Kost, schliefen auf den Matten, dachten aber jede wache Minute darüber nach, wie sie entkommen könnten. Bis Ben Kai ein Zeichen gab – er trat zur Schalttafel, drückte einige Knöpfe nieder, und die Tür ging auf. Die beiden schlichen hinaus... Sie standen in einem weiten Gang mit vielen Türen.
»Jetzt kann ich dir in aller Eile erklären, was wir tun können«, flüsterte Ben. »Zunächst – sie unterschätzen uns. Wahrscheinlich haben sie einige Eingeborene gefangen und an ihnen menschliche Sprache, Sitte und Lebensweise studiert. Daher der scheußliche Fraß, die Bastmatten und die Suahelisprache aus dem Mikrophon. Sie dachten nicht daran, daß es auch intelligentere Menschen geben könne. Wenn sie auch Lebensformen sind, die denen der Erde sehr ähneln, so muß ihnen doch ein Mensch wie der andere vorkommen. Wir können sie ja auch nicht unterscheiden.«
»... haben nicht damit gerechnet, daß ich die Tastenkombination erfassen kann, die uns die Tür öffnet.«
»Können sie uns nicht entdecken?« fragte Kai.
»Kaum«, antwortete Ben. »Hast du auf die Gongschläge geachtet? In regelmäßigen Abständen erklangen hintereinander vier verschiedene Töne, und danach war es stets ganz still im Raumschiff – in dieser Zeit sind wir auch nie besucht worden. Nach ungefähr drei Stunden erklang eine andere Tonkombination, und die Geräusche begannen wieder. Ich nehme an, daß das eine Ruhezeit ist und daß wir jetzt auf keine Slepper treffen.«
Sie folgten dem Gang und standen dann vor einer großen Tür, die ihn abschloß. »... ist sicher kein Schlafraum«, sagte Ben. »... probiere es!« Er trat zum Schaltkästchen, das auch neben dieser Tür in die Wand eingebaut war – aber, bevor er es noch berühren konnte, glitten zwei Türflügel lautlos auseinander. Vor ihnen lag ein Saal mit vielen Instrumenten und Schalttafeln.
»Ausgezeichnet!« meinte Kai. »... Navigationsraum!«
Ben brauchte über eine Stunde, um die Einrichtung zu studieren. Dann deutete er auf die zwei großen Sichtplatten, auf denen der Sternenhimmel sichtbar war: »Dies Schiff hat keine Fenster. Aber auf diesen beiden Schirmen ist die gesamte Umgebung zu sehen. Dieser liegt der Fahrtrichtung entgegengesetzt, du erkennst es daran, daß genau im Fadenkreuz unser Sonnensystem liegt – die Planeten sind deutlich zu erkennen. In der Mitte des anderen Schirms aber liegt Capella im Sternbild des Schwans – das ist sicher das Ziel. Nun brauche ich noch etwas.« Er durchstöberte einige in die Wände eingesenkte Fächer. »... das wird genügen.« Es war ein feiner Metallstab, fast nur ein Draht, aber sehr fest.
»... werden bald wieder aufwachen«, befürchtete Kai. »... müssen etwas unternehmen. Vielleicht finden wir Waffen – die vibrierenden Stäbe, die elektrische Schläge austeilen. Und dann sollten wir uns verstecken!«
Ben lachte – und seit Tagen war es das erste heitere, befreite Lachen. »... gehen in unser Gefängnis zurück!«
Durch das Spiel an den Tasten der Türkästchen öffneten sie die Tür zu ihrem Raum und schlossen sie wieder. Ben verbarg den Metallstab in seinem Hemd. Als sie wenig später die Slepper besuchten, deutete nichts mehr auf ihren nächtlichen Ausflug hin.
Ihre Gastgeber bereiteten ihnen eine kleine Überraschung. Sie brachten ein zylinderförmiges Gebilde mit und setzten es in die Abhöranlage ein. Einige Schaltgriffe mit ihren Saugfingern, und aus dem Mikrophon ertönte gebrochenes Deutsch: »Können ihr verstehen uns... Wieviel Menschen sind auf Erde... Haben Menschen was für Waffen... Haben Menschen was für Krankheiten... Können verstehen uns... Antworten uns...«
»... verstehen nichts«, sagte Ben den Sleppern zugewandt, aber er sagte es zu Kai auf französisch. »Von nun an dürfen wir kein Wort Deutsch mehr sprechen!« Interessiert wandten sich die Slepper zu ihrer Apparatur – sie mußten annehmen, sie hätten eine Antwort erhalten. Die Laute, die nun aus dem Mikrophon drangen, schienen ihnen wenig zu nutzen. Sogar auf ihren menschenunähnlichen Gesichtern war Enttäuschung zu bemerken. Sie versuchten es noch einige Male. Ben antwortete aber abwechselnd in Französisch, Englisch und Russisch, und bald darauf zogen sie ab.
In der nächsten Nacht, wenn man die dreistündige Ruhepause so nennen darf, holte Ben den Stab hervor. Er trat zum Schrank, in dem die Abhöranlage stand, steckte ihn durch die Netzmaschen und legte damit einige Schalthebel um.
»Jetzt ist der Apparat abgestellt«, sagte er befriedigt. »... habe genau darauf geachtet, wie sie ihn bedienen. Er nimmt genau alles Gesprochene auf und kann die Sprache der Slepper in Suaheli und Suaheli in die Sleppersprache übersetzen. Sie haben ihn bei uns aufgestellt, um genügend Worte von uns zu speichern, damit sie auch unsere Sprache übersetzen können. Das ist ihnen ja auch schon gelungen. Sie haben ihn aber nicht abgestellt, wenn sie sich untereinander unterhielten. Vielleicht finde ich jene Stellen im Tonband, oder was es sonst ist.«
Wieder steckte er seinen Stab in den Netzschrank. Es dauerte lange, aber dann hörten sie Worte, Teile ihrer eigenen Gespräche, und dann auch die Tonfolgen der Slepper. »... nun lassen wir uns das übersetzen!« Wieder drückte er Tasten und Schalter – und dann ertönte wieder das schlechte Deutsch.
Zwei Stunden saßen sie vor der Apparatur und hörten alles ab, was die Slepper in den letzten Tagen in ihrer Gegenwart gesprochen hatten.
»Viel ist es nicht«, sagte dann Kai, »aber wir wissen wenigstens, daß sie uns nicht ans Leben wollen. Trotzdem möchte ich nicht gern Versuchskaninchen spielen!«
»Eins ist noch interessant für uns«, antwortete Ben, »... ihr Treibstoff gerade noch genügt, um ihren Planeten bei der Capella zu erreichen. Ich weiß jetzt, wie wir uns retten werden.«
Einige Gongschläge unterbrachen ihr Gespräch. Mit höchster Eile brachten sie die Apparatur in den ursprünglichen Zustand. Kurz darauf kam ein Slepper mit einer trüben Brühe, dem Frühstück.