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Ah! Ihr seid hier, sagte sie endlich, nach Fernand sich wendend.

Seit gestern habe ich Euch nicht verlassen, antwortete Fernand mit einem schmerzlichen Seufzer. –

Herr Morel hielt sich nicht für geschlagen; er erfuhr, daß man Dantes infolge eines Verhörs ins Gefängnis gebracht hatte; da lief er zu allen seinen Freunden, besuchte die Personen in Marseille, die Einfluß haben konnten; aberbereits hatte sich das Gerücht verbreitet, der junge Mann sei alsbonapartistischer Agent verhaftet worden, und da selbst die Verwegensten damals noch jeden Versuch Napoleons, den Thron sofort wiederzubesteigen, als wahnsinnigen Traumbetrachteten, so fand er nur Kälte, Furcht, Weigerung. Er kehrte voll Verzweiflung nach Hause zurück und gestand sich, die Lage der Dinge sei sehr ernst und niemand vermöge etwas zu tun.

Caderousse war äußerst unruhig und von den peinlichsten Gefühlen gequält; statt wie Herr Morel sich zu rühren und etwas zu Dantes' Gunsten zu versuchen, für den er übrigens nichts zu tun imstande war, schloß er sich mit zwei Flaschen Wein ein und trachtete danach, in diesen seine Unruhe zu ersäufen.

Danglars allein fühlte weder Qual noch Unruhe; er empfand sogar Freude, denn er hatte sich an einem Feinde gerächt und seinen Platz anBord des Pharao gesichert, den er zu verlierenbefürchtete; er gehörte zu denberechnenden Menschen, die mit einer Feder hinter dem Ohre und einem Tintenfasse an der Stelle des Herzens geboren werden. Alles war für ihn in dieser Welt Subtraktion oder Multiplikation, und eine Zahl erschien ihm viel kostbarer, als ein Mensch, wenn diese Zahl die Summe seines eigenen Guthabens vermehrte, die dieser Mensch vermindern konnte.

Dantes' Vater starbbeinahe vor Schmerz und Unruhe.

Der korsische Werwolf

Drei Tage nach Villeforts Abreise saß König Ludwig XVIII. in einem Salon der Tuilerien und hörte ungläubig auf die Erzählungen des Herzogs vonBlacas, der ihn vergeblich davon zu überzeugen suchte, daß sich im Süden Frankreichs etwas Geheimnisvolles vorbereite, daß er vermute, ja fast gewiß sei, Napoleon wolle von Elba entfliehen. Alle diese Nachrichten habe er von einemBoten, der soeben erst von Marseille eingetroffen sei. Aber der König wollte von alledem nichts hören und las dem mißtrauischen Höfling einen erst am selben Morgen vom Polizeiminister Dandré eingelaufenenBericht über Napoleons Leben und Treiben auf Elba vor. Darin wurde der Kaiser als krank, melancholisch und vollständig harmlos dargestellt. Endlich gelang es dem Herzog, die Aufmerksamkeit des Königs dadurch zu erregen, daß er sagte, sein Gewährsmann aus Marseille sei Herr von Villefort. Der König, der Villefort als einen ehrgeizigen, durchaus ergebenen Royalisten kannte, gabendlich seine Einwilligung, diesen zu empfangen.

Als Villefort eintrat, redete ihn Ludwig XVIII. gnädig an und fragte, obdenn die Sache wirklich so ernst sei, wie man ihm Vorrede.

Sire, sagte Villefort, sich verbeugend, ich halte die Sache für sehr dringend; aberbei der Eile, die ich angewendet habe, scheint mir das Übel nicht unüberwindlich.

Berichten Sie, bitte, ausführlicher, sagte der König, den selbst die Aufregung zu ergreifenbegann, die Herrn vonBlacas' Gesicht verstört hatte und Villeforts Stimmebeben ließ. Sprechen Sie und holen Sie von Anfang aus; ich liebe in allen Dingen die Ordnung.

Sire, ichbin so rasch als möglich nach Paris gereist, um Eurer Majestät mitzuteilen, daß ich keins von den gewöhnlichen und nichtssagenden Komplotten, wie sie täglich im Volke und in der Armee angezettelt werden, sondern eine wirkliche Verschwörung entdeckt habe, die nichts weniger als den Thron Eurer Majestätbedroht. Sire, der Usurpatorbemannt drei Schiffe. Erbeabsichtigt die Ausführung eines vielleicht wahnsinnigen Planes, der jedoch furchtbar ist, so wahnsinnig er auch sein mag. Zu dieser Stunde muß er die Insel Elba verlassen haben, sicherlich, um eine Landung in Neapel, an der toskanischen Küste oder gar in Frankreich zu versuchen. Eurer Majestät ist es nicht unbekannt, daß der Souverän der Insel Elba Verbindungen mit Italien und Frankreich unterhalten hat.

Ja, ich weiß es, sagte der König sehrbewegt, und noch kürzlich hat man entdeckt, daßbonapartistische Versammlungen in der Rue Saint‑Jaeques stattgefunden haben. Doch fahren Sie fort, ichbitte Sie! Woher wissen Sie diese einzelnen Umstände?

Sire, aus einem Verhöre, dem ich einen Schiffer aus Marseille unterworfen habe; ich überwachte ihn seit langer Zeit und ließ ihn am Tage meiner Abreise verhaften. Dieser Mensch, ein unruhiger, desBonapartismus verdächtiger Seemann, war insgeheim auf der Insel Elba; er hat dort den Großmarschall gesehen, von dem er mit einer mündlichenBotschaft für einenBonapartisten in Parisbeauftragt wurde, dessen Namen zu nennen ich ihn nichtbewegen konnte. DieBotschaftbestand aber darin, derBonapartist solle die Geister auf eine Rückkehr vorbereiten, die unfehlbar demnächst stattfinden werde.

Eine Verschwörung, antwortete Ludwig XVIII. lächelnd, ist jetzt leicht anzuspinnen, aber schwer zum Ziele zu führen; seit zehn Monaten verdoppeln meine Minister ihre Wachsamkeit, um die Ufer des Mittelländischen Meeres vor jeder Gefahr zubewahren. StiegeBonaparte in Neapel ans Land, so wäre der ganzeBund auf denBeinen, ehe er Piombino erreicht hätte. Landete er in Toskana, so würde er den Fuß auf feindliches Gebiet setzen; erreichte er französischenBoden, so geschieht das mit einer Handvoll Menschen, und wir werden leicht mit ihm fertig werden. Beruhigen Sie sich also, mein Herr, rechnen Sie aber darum nicht minder auf meine königliche Dankbarkeit!

Ah! hier ist Herr Dandré, rief der Graf vonBlacas.

In diesem Augenblick erschien wirklich auf der Türschwelle der Polizeiminister, bleich, zitternd, mit irrendenBlicken. Villefort machte einen Schritt, um sich zu entfernen, aber ein Händedruck des Herrn vonBlacas hielt ihn zurück.

Einer übermächtigen Verzweiflung nachgebend, war der Polizeiminister imBegriff, sich Ludwig XVIII. zu Füßen zu werfen, aber dieser wich, die Stirn faltend, zurück und sagte: Werden Sie wohl sprechen?

Oh! Sire, welch ein furchtbares Unglück, nie werde ich mich mehr zu trösten wissen! — Der Usurpator hat am 26. Februar die Insel Elba verlassen und ist am 1. März gelandet.

Wo? In Italien? fragte rasch der König.

In Frankreich, Sire, in einem kleinen Hafenbei Antibes, im Golf Juan.

Der Usurpator ist in Frankreich, 250 Meilen von Paris, am 1. März gelandet, und Sie erfahren dies erst heute, am 3. März?… Ei, mein Herr, was Sie mir da sagen, ist unmöglich; entweder hat man Ihnen einen falschenBericht erstattet, oder Sie sind ein Narr.

Ach! Sire, es ist nur zu wahr!

Ludwig XVIII. machte eine Gebärde des Zorns und Schreckens und richtete sich hoch auf, als obdieser unvorhergesehene Schlag ihn tief ins Herz getroffen hätte. In Frankreich! rief er, der Usurpator in Frankreich! Manbewachte also diesen Menschen nicht? Doch, wer weiß, man war vielleicht mit ihm einverstanden.

Oh! Sire! rief der Herzog vonBlacas, einen Mann, wie Herrn Dandré, kann man eines solchen Verrates nicht anklagen. Sire, wir waren alleblind, und der Polizeiminister hat nur diese allgemeineBlindheit geteilt.

Aber… sprach Villefort, dann plötzlich innehaltend, ah!.. Vergebung… Sire! sagte er, sich verbeugend, mein Eifer reißt mich fort… Eure Majestät wolle mir gnädig verzeihen.

Sprechen Sie, mein Herr, sprechen Sie offen, sagte Ludwig XVIII. Sie allein haben das Übel vorhergesehen. Helfen Sie mir ein Mittel dagegen zu suchen.

Sire, sagte Villefort, der Usurpator ist im Süden verhaßt; man kann leicht die Provence gegen ihn ausbringen.

Ja, allerdings, sagte der Minister, aber wenn er durch Gap und Sisteron vorrückt?…

Er rückt vor! rief Ludwig XVIII., er marschiert also gegen Paris! Der Polizeiministerbeobachtete ein Stillschweigen, das dem vollständigsten Zugeständnisse gleichkam.