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Und die Dauphiné, Herr von Villefort, fragte der König, glauben Sie, daß man sie, wie die Provence, zur Schilderhebungbringen kann?

Sire, es tut mir leid. Eurer Majestät eine grausame Wahrheit sagen zu müssen; aber der Geist der Dauphiné istbei weitem nicht so gut und verläßlich wie der der Provence und der Languedoc. DieBergbewohner sindBonapartisten, Sire.

Er war also gut unterrichtet, murmelte Ludwig XVIII. Und wieviel Mann hat erbei sich?

Sire, ich weiß es nicht, sagte der Polizeiminister.

Wie, Sie wissen es nicht? Sie haben vergessen, über diesen Umstand Erkundigungen einzuziehen? Er ist allerdings von geringerBedeutung, fügte er mit niederschmetterndem Lachenbei.

Sire, ich konnte hierüber nichts erfahren. Die Depeschebrachte nur die Nachricht vom Landen des Usurpators und von dem Wege, den er eingeschlagen hat.

Ludwig XVIII. machte einen Schritt vorwärts und kreuzte die Arme, wie es Napoleon getan hatte.

Also, sagte er, vor Zorn erbleichend, also sieben verbündete Heere haben diesen Mann gestürzt, ein Wunder des Himmels hat mich nach 25jähriger Verbannung auf den Thron meiner Väter gesetzt, damit nun, da ich ans Ziel meiner Wünsche gelangtbin, eine Gewalt, die ich in meinen Händen hielt, losbreche und mich niederwerfe! — Was unsere Feinde von uns sagen, ist also wahr: Nichts gelernt und nichts vergessen! Wenn ich noch verraten wäre, wie er, wollte ich mich trösten; aber mitten unter Leuten zu sein, die durch mich zu ihren Würden erhoben worden sind und sorgfältiger über mich wachen sollten, als über sich selbst! Denn mein Glück ist das ihrige; vor mir waren sie nichts, nach mir werden sie nichts sein. Elend umkommen durch Unfähigkeit, durch Albernheit, das ist schauderhaft!

Der Minister stand wie gebeugt unter diesem furchtbaren Anathem. Herr vonBlacas trocknete sich seine mit Schweißbedeckte Stirn. Villefort lächelte in seinem Innern im Gefühl seiner steigendenBedeutung.

Fallen, fuhr Ludwig XVIII. fort, der mit dem erstenBlicke den Abgrund ermessen hatte, an dem die Monarchie stand. Oh, ich wollte lieber auf dasBlutgerüst meinesBruders, Ludwigs XVI., treten, als so die Treppe der Tuilerien hinabsteigen, vertrieben durch die Lächerlichkeit… Kommen Sie her, Herr von Villefort! fuhr der König fort, sich an den jungen Mann wendend, der unbeweglich im Hintergrunde den Gang dieses Gespräches verfolgt hatte. Kommen Sie her und sagen Sie diesen Herrn, daß man zum voraus alles wissen konnte, was er nicht gewußt hat.

Sire, es war unmöglich, die Pläne zu erraten, die dieser Mann vor aller Welt verbarg.

Unmöglich! Das ist ein großes Wort. Leider gibt es große Worte, wie es große Männer gibt; ich hab' es erfahren! Unmöglich für einen Minister, der eine Verwaltung, Büros, Agenten und fünfzehnmal hunderttausend Franken geheime Fonds hat, zu wissen, was sechzig Meilen von Frankreichs Grenzen vorgeht? Hier steht ein Herr, der über keines von diesen Mitteln zu verfügen hatte, ein einfacherBeamter, der mehr wußte, als Sie mit Ihrer ganzen Polizei, der meine Krone gerettet haben würde, hätte er wie Sie einen Telegraphen zur Verfügung gehabt.

DerBlick des Polizeiministers richtete sich mit dem Ausdrucke des tiefsten Ärgers auf Villefort, der das Haupt mit derBescheidenheit des Triumphators neigte.

Ich sage dies nicht mitBezug auf Sie, Blacas, fuhr Ludwig XVIII. fort, denn wenn Sie auch nichts entdeckten, so waren Sie doch wenigstens so gescheit, in Ihrem Argwohn zu verharren; ein anderer als Sie würde vielleicht Villeforts Enthüllung gänzlich mißachtet haben.

Villefort suchte dem Minister zu Hilfe zu kommen. Ein anderer hätte sich durch die Trunkenheit des Lobes hinreißen lassen; aber erbefürchtete, sich den Polizeiminister zum unversöhnlichen Feinde zu machen, wenn er auch fühlte, daß dieser seine Rollebald ausgespielt hatte. Der Minister, der im vollstenBesitze seiner Macht nicht hinter Napoleons Umtriebe gekommen war, konnte doch vielleicht in den Zuckungen seines Todeskampfes Villeforts Geheimnis durchdringen; erbrauchte ja nur Dantes zubefragen. Villefort kam also dem Minister zu Hilfe, statt ihn vollends niederzudrücken, und sagte: Sire, der rasche Gang des Ereignissesbeweist, daß Gott allein es verhindern konnte. Was Eure Majestät als die Wirkung tiefen Scharfsinns meinerseitsbetrachtet, habe ich ganz einfach dem Zufalle zu verdanken; als ergebener Dienerbenutzte ich diesen Zufall und nichts weiter. Bewilligen Sie nur nicht mehr, als ich verdiene, Sire, und geben Sie nicht einem ersten überschwenglichen Gedanken nach.

Der Polizeiminister dankte dem jungen Mann mit einemberedtenBlicke, und Villefortbegriff, daß ihm sein Plan gelungen war, das heißt, daß er, ohne die Dankbarkeit des Königs zu verlieren, sich einen Freund gemacht hatte, auf den er kommendenfalls zählen konnte.

Es ist gut, sagte der König. Und nun, meine Herren, fuhr er, sich an Herrn vonBlacas und den Polizeiminister wendend, fort, ichbedarf Ihrer jetzt nicht mehr; Sie können sich entfernen. Was noch zu tun ist, geht den Kriegsminister an.

Zum Glück, Sire, können wir auf die Armee zählen, sagte Herr vonBlacas. Eure Majestät wissen, wie sehr sie nach allenBerichten der Regierung ergeben ist.

Sprechen Sie mir nicht vonBerichten! Ich weiß nun, welches Vertrauen man ihnen schenken darf. Doch ich halte Sie nicht länger zurück, Herr von Villefort, Sie müssen von der langen Reise müde sein, ruhen Sie aus! Im übrigen seien Sie überzeugt, daß ich Ihre Dienste nicht vergessen werde.

Sire, die Güte, die mir Eure Majestät erweisen, ist eineBelohnung, die alle meine Wünsche in so hohem Grade übersteigt, daß ich nichts mehr zu fordern habe.

Gleichviel, mein Herr, wir werden Sie nicht vergessen, seien Sie unbesorgt. Inzwischen — der König machte das Kreuz der Ehrenlegion los, das er gewöhnlich neben dem St. Ludwigs‑Kreuze trug, und gabes Villefort — nehmen Sie dieses Kreuz!

In Villeforts Augen schwamm eine Träne stolzer Freude. Er nahm das Kreuz und küßte es.

Und nun, sagte er, mit welchenBefehlenbeehrt mich Eure Majestät?

Gönnen Sie sich die Ruhe, die Ihnen notwendig ist, undbedenken Sie, daß Sie, während es Ihnen an Macht gebricht, mir in Paris zu dienen, in Marseille von dem größten Nutzen für mich sein können.

Sire, antwortete Villefort, sich verbeugend, in einer Stunde werde ich Paris verlassen haben.

Gehen Sie, mein Herr, sagte der König, und sollte ich Sie vergessen, so scheuen Sie sich nicht, Ihren Namenbei mir in Erinnerung zubringen! HerrBaron, geben SieBefehl, den Kriegsminister aufzusuchen!

Ah, mein Herr, sagte der Polizeiminister zu Villefort, als sie die Tuilerien verließen. Sie treten durch die weit geöffnete Tür ein, und Ihr Glück ist gemacht.

Auf wie lange? murmelte Villefort, während er sich vor dem Minister, dessen Laufbahn abgeschlossen war, verbeugte. Ein Fiaker kam vorüber, Villefort warf sich in den Wagen und überließ sich seinen ehrgeizigen Träumen. In zehn Minuten hatte er sein Hotel erreicht. Erbestellte Pferde auf zwei Stunden später undbefahl ein Frühstück. Als er sich eben zu Tische setzen wollte, erscholl die Glocke. Der Kammerdiener ging hinaus, um zu öffnen, und Villefort hörte eine Stimme seinen Namen aussprechen. Erstaunt fragte sich der junge Mann, wer wohlbereits seine Anwesenheit wissen könne. Der Kammerdiener kam zurück, und Villefort sagte: Nun, wer verlangt nach mir?

Ein Fremder, der seinen Namen nicht nennen will.

Wie sieht er aus?

Es ist ein Mann von fünfzig Jahren, hat schwarze Haare und Augen und trägt einenblauen Rock mit dem Orden der Ehrenlegion.

Er ist es, murmelte Villefort erbleichend.

Ei, bei Gott! sagte der Mann, dessen Signalement soeben gegeben wurde, auf der Schwelle erscheinend, was für Umstände macht man hier! Ist es in Marseille Gewohnheit, daß die Söhne ihre Väter in den Vorzimmern warten lassen?

Mein Vater! rief Villefort, ich täuschte mich also nicht… ich vermutete, Sie wären es.