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Oder?… erwiderte Morel.

Oder nimm dich in acht, Morel, ich werde dich einen Undankbaren nennen.

Haben Sie Mitleid mit mir, Graf!

Ich habe so sehr Mitleid mit dir, Maximilian, höre mich wohl, daß ich dich, wenn ich dich nicht in einem Monat, auf den Tag, auf die Stunde, heile, selbst vor die geladene Pistole und vor einenBecher des sichersten italienischen Giftes stelle, das rascher wirkt, als das, welches Valentine getrunken hat.

Sie versprechen mirbei Ihrer Ehre, wenn ich in einem Monat nicht getröstetbin, lassen Sie mich frei über mein Leben schalten, und was ich auch tun mag, Sie werden mich keinen Undankbaren nennen?

In einem Monat findest du auf dem Tische, an dem wirbeide sitzen werden, gute Waffen und, wenn du dann noch willst, einen sanften Tod. Doch dagegen versprichst du mir, bis dahin zu warten und zu leben?

Oh! ich schwöre Ihnen! rief Morel.

Monte Christo zog den jungen Mann an sein Herz und hielt ihn lange umfangen.

Und nun, sagte er, wohnst du von heute anbei mir; du nimmst Haydees Zimmer, und meine Tochter wird durch meinen Sohn ersetzt.

Haydee! Was ist aus Haydee geworden?

Sie ist gestern nacht abgereist. — Um Sie zu verlassen?

Um mich zu erwarten… Halte dichbereit, in der Rue des Champs‑Elysees zu mir zu kommen, und laß mich von hier weggehen, ohne daß man mich sieht.

Maximilian neigte das Haupt und gehorchte wie ein Kind.

Die Teilung.

In dem Hause der Rue Saint‑Germain‑des‑Prés, das Albert von Morcerf für seine Mutter und sich gewählt hatte, war der erste Stock, bestehend ans einer kleinen Wohnung, an eine sehr geheimnisvolle Person vermietet.

Diese Person war ein Mann, dessen Gesicht der Portier selbst nie hatte sehen können; denn stets steckte sein Kinn, wenn er kam oder ging, in einer hohen Halsbinde. Gegen alles Herkommen wurde dieser Hausbewohner von niemandbespäht, und das Gerücht, sein Inkognito verberge eine sehr hochgestellte Person, welche» gar lange Arme «habe, verschaffte seiner geheimnisvollen Erscheinung großen Respekt. Er traf fast immer gegen vier Uhr in seiner Wohnung ein, in der er nie eine Nacht zubrachte.

Zwanzig Minuten später hielt ein Wagen vor dem Hotel; eine schwarz gekleidete, stets aber in einen großen Schleier gehüllte Frau stieg aus, schwebte wie ein Schatten vor der Loge vorüber und ging rasch die Treppe hinauf. Im ersten Stocke kratzte sie auf einebesondere Weise an einer Tür; diese öffnete sich und verschloß sich dann wieder hermetisch.

Beim Verlassen des Hauses wurde ebenso verfahren. Die Unbekannte ging, stets verschleiert, zuerst hinaus und stieg wieder in ihren Wagen, derbald an dem einen Ende der Straße, bald an dem andern verschwand; zwanzig Minuten nachher entfernte sich auch der Unbekannte.

An dem Tage nach dem, wo der Graf von Monte Christo Danglars einenBesuch gemacht hatte, und Valentinebeerdigt worden war, erschien der geheimnisvolleBewohnerbereits gegen zehn Uhr vormittags.

Kurz darauf fuhr ein Fiaker vor, und die verschleierte Dame stieg rasch die Treppe hinauf. Die Tür öffnete sich und schloß sich. Doch ehe sie ganz geschlossen war, rief die Dame: Oh, Lucien! oh, mein Freund!

Und so erfuhr der Portier, der diesen Ausruf gehört hatte, zum ersten Male, daß sein Mietsmann Lucien hieß.

Nun! Was gibt es denn, teure Freundin? fragte Lucien, sprechen Sie geschwind.

Mein Freund, kann ich auf Sie zählen?

Gewiß, das ist Ihnenbekannt, doch was gibt es? Ich war ganzbestürzt über IhrBillett von heute morgen. Diese Hast, diese unordentliche Schrift…beruhigen Sie mich, oder erschrecken Sie mich ganz und gar!

Lucien, ein großes Ereignis! sagte die Dame, einen fragendenBlick auf Lucien heftend; Herr Danglars ist heute nacht abgereist.

Herr Danglars abgereist! Und wohin?

Ich weiß es nicht.

Wie! Sie wissen es nicht? Er ist also abgereist, um nicht mehr zurückzukommen?

Allerdings! Um zehn Uhr abendsbrachten ihn seine Pferde an dieBarrière von Charenton; hier sagte er zu seinem Kutscher, er fahre nach Fontainebleau.

Nun! Was sagten Sie dazu?

Warten Sie, mein Freund. Er ließ mir einenBrief zurück. Da lesen Sie.

DieBaronin zog aus ihrer Tasche einenBrief undbot ihn Debray, der einen Augenblick zögerte, ehe er ihn las.

Das Schreiben lautete:

Madame und sehr teure Gemahlin!

Wenn Sie diesenBrief empfangen, haben Sie keinen Gatten mehr! Oh! erschrecken Sie darüber nicht zu sehr; Sie haben keinen Gatten mehr, wie Sie keine Tochter mehr haben; ich werde nämlich auf einer von den dreißig Straßen sein, die aus Frankreich führen.

Ichbin Ihnen eine Erläuterung schuldig: Eine Zahlung von fünf Millionen kam mir heute früh unversehens, ich habe sie ausgeführt; eine andere von derselben Summe sollte fast unmittelbar daraus erfolgen; ich vertage sie auf morgen und reise heute ab, um dieses Morgen zu vermeiden, das mir unerträglich wäre.

Nicht wahr, Siebegreifen das, Madame und sehr kostbare Gemahlin? Ich sage: Siebegreifen das, weil Sie ebensogut wie ich meine Angelegenheiten kennen, Sie kennen sie sogar nochbesser als ich, denn wenn es sich darum handelte, anzugeben, wohin eine gute Hälfte meines jüngst noch so schönen Vermögens gekommen ist, so vermöchte ich dies nicht, während Sie im Gegenteil, davonbin ich fest überzeugt, vollständig zu antworten wüßten.

Haben Sie sich über die Schnelligkeit meines Sturzes gewundert, Madame? Waren Sie geblendet durch das weißglühende Schmelzen meiner Goldstangen? Ich meinerseits gestehe, daß ich nur das Feuer dabei gesehen habe; wir wollen hoffen, daß Sie etwas Gold in der Asche fanden.

Mit dieser tröstlichen Hoffnung entferne ich mich, Madame und sehr kluge Gemahlin, ohne daß mir mein Gewissen den geringsten Vorwurf darüber macht, daß ich Sie verlasse; esbleiben Ihnen Freunde, die fragliche Asche und, um Ihr Glück vollzumachen, die Freiheit, die ich Ihnen wiederzugeben michbeeile.

Es ist indessen der Augenblick gekommenen, Madame, hier ein Wort vertraulicher Erklärung einfließen zu lassen. Solange ich hoffte, Sie arbeiteten für die Wohlfahrt unseres Hauses, für das Vermögen Ihrer Tochter, machte ich philosophisch die Augen zu; da Sie aber aus diesem Hause eine große Ruine gemacht haben, so will ich nicht als Grundlage für das Vermögen eines andern dienen. Ich habe Sie reich, aber wenig geehrt zu mir genommen. Verzeihen Sie mir, daß ich so offenherzig mit Ihnen spreche, da ich aber ohne Zweifel nur für unsbeide spreche, sehe ich nicht ein, warum ich die Worte unter einer Schminke verbergen sollte… Ich habe unser Vermögen vermehrt, und es nahm fünfzehn Jahre lang zu, bis zu dem Augenblick, wo unbekannte und für mich noch unbegreifliche Katastrophen es packten und erdrosselten, ohne daß ich, das darf ich wohl sagen, die geringste Schuld daran habe. Sie, Madame, haben nur für Vermehrung des Ihrigen gearbeitet, was Ihnen gelungen ist, davonbin ich überzeugt. Ich lasse Sie also, wie ich Sie genommen habe, reich, aber wenig ehrenwert, zurück.

Leben Sie wohl. Von heute an gedenke ich auch für meine Rechnung zu arbeiten. Glauben Sie mir, daß ich Ihnen sehr dankbar für dasBeispielbin, das Sie mir gegeben haben, und das ichbefolgen werde.

Ihr

sehr ergebener GatteBaron Danglars.

DieBaronin folgte während des Lesens Debray mit den Augen; sie sah den jungen Mann, trotz seiner großen Selbstbeherrschung, wiederholt die Farbe wechseln.

Als er geendet hatte, faltete er das Papier langsam zusammen und nahm eine nachdenkliche Haltung an.

Nun? fragte Madame Danglars mit einer leichtbegreiflichen Angst, welchen Gedanken flößt Ihnen dieserBrief ein?

Das ist ganz einfach; er flößt mir den Gedanken ein, daß Herr Danglars mit einem Verdacht abgereist ist. Sicher; doch ist das alles, was Sie mir zu sagen haben? Ichbegreife nicht.