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Er ist abgereist, um nie wiederzukommen!

Oh! Glauben Sie das nicht! rief Debray.

Nein, sage ich Ihnen, er wird nicht wiederkommen; ich kenne ihn, er ist ein unerschütterlicher Mann in allen Entschließungen, die sein Interesse erheischt. Hätte er mich zu etwas nütze geglaubt, so würde er mich mitgenommen haben; er läßt mich hier, weil unsere Trennung seinen Plänen dienlich sein kann. Sie ist also unwiderruflich, und ichbin für immer frei, fügte Madame Danglars mit demselben fragenden Ausdrucke hinzu.

Doch statt zu antworten, ließ sie Debray in diesem angstvollen, erwartungsvollen Zustand verharren.

Wie! sagte sie endlich, Sie antworten mir nicht?

Ich habe Sie nur eins zu fragen: Was gedenken Sie zu tun?

Das wollte ich Sie fragen, erwiderte dieBaronin mit pochendem Herzen, ich verlange einen Rat von Ihnen.

Wenn Sie einen Rat wollen, entgegnete der junge Mann kalt, so rate ich Ihnen, zu reisen. — Sie sind, wie Herr Danglars gesagt hat, reich und frei. Eine Abwesenheit von Paris wird, scheint mir, nach dem doppelten Lärm über die vereitelte Heirat Fräulein Eugenies und das Verschwinden Herrn Danglars', durchaus notwendig sein. Es ist wichtig, daß man Sie allgemein für verlassen und arm hält; denn man würde der Frau desBankerottierers ihren Reichtum nicht verzeihen. Darum entfernen Sie sich von Ihrem Hotel, nehmen Sie Ihre Juwelen nicht mit und leisten auf Ihr Wittum Verzicht, und alle Welt wird Ihre Uneigennützigkeit rühmen und Ihr Lobsingen. Man weiß dann, daß Sie verlassen sind, und hält Sie für arm, denn ich allein kenne Ihre finanzielle Lage undbinbereit, Ihnen als redlicher Partner Rechenschaft abzulegen.

DieBaronin hatte, bleich und niedergeschmettert, diese Rede mit um so mehr Schrecken und Verzweiflung angehört, als Debray sichbemühte, völlig ruhig und gleichgültig zu erscheinen..

Verlassen? wiederholte sie, oh! sehr verlassen… Ja, Sie haben recht, mein Herr; niemand wird meine Verlassenheitbezweifeln. Das waren die einzigen Worte, welche die stolze und so heftig verliebte Frau hervorbrachte.

Aber reich, sehr reich sogar, fuhr Debray fort, indem er einige Papiere aus seinem Portefeuille zog und auf dem Tische ausbreitete.

Nurbemüht, die Schläge ihres Herzens zu ersticken und die Tränen zurückzuhalten, die am Rande ihrer Augenlider hervorbrechen wollten, ließ ihn Frau Danglars gewähren.

Endlich aber gewann das Gefühl der Würdebei ihr die Oberhand; wenn es ihr nicht gelang, ihr Herz zubewältigen, so gelang es ihr wenigstens, die Tränen zurückzuhalten.

Gnädige Frau, sagte Debray, wir sind ungefähr seit sechs Monaten assoziiert. Sie haben eine Einlage von 100 000 Franken gemacht. Im Monat April dieses Jahres hat unsere Assoziation stattgefunden. Im Maibegannen unsere Operationen, und wir gewannen sofort 450 000 Franken. Im Junibelief sich der Nutzen auf 900 000 Franken. Im Juli kamen 1 700 000 Franken dazu; Sie wissen, das ist der Monat der spanischenBons. Am Anfang des Monats August verloren wir 300 000 Franken; doch am 15. erholten wir uns wieder, und am Ende des Monats waren wir entschädigt, denn unsere Rechnungen sind gestern von mir abgeschlossen worden und geben ein Aktivum von 2 400 000 Franken, das heißt, von 1 200 000 Franken für jedes von uns. Ichbin nun vorgestern so vorsichtig gewesen, Ihr Geld flüssig zu machen; Sie sehen, es ist noch nicht lange her, und es sieht aus, als hätte ich vermutet, ich würdebald Rechenschaft abzulegen haben. Ihr Geld ist hier, halbinBanknoten, halbin Anweisungen.

Frau Danglars nahm mechanisch die Anweisungen und die zusammengebundenenBanknoten mit trockenen Augen, aber mit einer von verhaltenem Schluchzen schwellendenBrust und erwartetebleich und stumm ein Wort von Debray, das sie trösten sollte. Doch sie wartete vergebens.

Nun haben Sie ein herrliches Dasein, gnädige Fran, sagte Debray, 60 000 Livres Renten, was für eine Frau, die wenigstens ein Jahr lang keinen Haushalt führen wird, ungeheuer ist. Sie können nun allen Ihren Phantasien ungescheut nachgeben.

Debray sagte dies alles mit der gleichgültigsten Miene von der Welt, machte dann eine tiefe Verbeugung und verfiel hierauf in einbezeichnendes Schweigen. DiesesBenehmen erzürnte und enttäuschte seine Geliebte so, daß sie sich hoch aufrichtete, die Tür öffnete und, ohne ihren Partner eines letzten Grußes zu würdigen, zur Treppe eilte.

Bah! sagte Debray, als sie fort war, was wird sie nun tun? Sie wird ruhig in ihrem Hausebleiben, Romane lesen und Lanzknecht spielen, da sie nicht mehr an derBörse spielen kann.

Er nahm sein Notizbuch, strich die Summen aus, die erbezahlt hatte, und sagte: Esbleiben mir 1 060 000 Franken. Wie schade, daß Fräulein von Villefort gestorben ist! Sie hätte in jederBeziehung meinen Wünschen entsprochen, und ich würde sie geheiratet haben.

Seiner Gewohnheit gemäß wartete er phlegmatisch, bis Frau Danglars zwanzig Minuten weggegangen war, und entfernte sich dann ebenfalls.

Unter dem Zimmer, wo Debray mit Frau Danglars zwei Millionen geteilt hatte, war ein anderes Zimmer durch einen merkwürdigen Zufall ebenfalls von Personen unsererBekanntschaftbewohnt; es waren dies Mercedes und Albert.

Mercedes hatte sich seit ein paar Tagen sehr verändert… nicht als obsie die Armutbedrückt hätte, sie hatte sich verändert, weil ihr Auge nicht mehr glänzte, weil ihr Mund nicht mehr lächelte, weil einebeständige Verlegenheit das rasche Wort, das einst ihr stetsbereiter Geist ihr eingab, auf ihren Lippen zurückhielt.

Albert aber fühlte sichbeunruhigt, unbehaglich undbeengt durch den ihm noch anklebenden Luxus, der ihn verhinderte, seiner gegenwärtigen Lage zu entsprechen; er wollte ohne Handschuhe ausgehen und fand seine Hände zu weiß dazu; er wollte zu Fuß gehen und fand seine Stiefel zu fein.

Diesebeiden so edeln und verständigen, durch dasBand der mütterlichen und kindlichen Liebe unauflöslich verbundenen Seelen verstanden sich, ohne viele Worte zu machen, und scheuten sich nicht, ohne Umschweife miteinander von den materiellen Lebensbedürfnissen zu sprechen.

Albert konnte am Ende zu Mercedes, ohne daß sie erbleichte, sagen: Meine Mutter, wir haben kein Geld mehr.

Der Winter nahte heran; Mercedes hatte in dem kahlen und nun auch kühlen Zimmer kein Feuer, sie, für die einst ein Ofen mit tausend Röhren das ganze Haus von den Vorzimmernbis zu denBoudoirs erwärmte; sie hatte nicht einmal ein armseligesBlümchen, sie, deren Zimmer mit den kostbarsten Pflanzen gefüllt gewesen war.

Aber sie hatte ihren Sohn.

Meine Mutter, sagte Albert in demselben Augenblick, wo Frau Danglars die Treppe hinabging, wir wollen, wenn es Ihnen recht ist, einmal alle unsere Reichtümer zählen; ich muß die ganze Summe wissen, um meine Pläne aufzubauen.

Die Summe ist Null, erwiderte Mercedes mit schmerzlichem Lächeln.

Oh nein! Einmal haben wir 3000 Franken, und ichbehaupte, daß ich uns mit diesen 3000 Franken ein anbetungswürdiges Leben verschaffen werde.

Kind! seufzte Mercedes.

Ach! gute Mutter, sagte der junge Mann, ich habe Sie leider Geld genug gekostet, um dessen Wert zu kennen; hören Sie, 3000 Franken, das ist ungeheuer, und ichbaue auf diese Summe eine wunderbare, dauerhafte Zukunft.

Du sagst das, mein Freund, entgegnete die arme Mutter; doch vor allem, nehmen wir diese 3000 Franken an?

Mir scheint, das ist abgemacht, erwiderte Albert mit festem Tone; wir nehmen sie um so mehr an, als wir sie noch nicht haben, denn sie sind, wie Sie wissen, im Garten des kleinen Häuschens in den Allées de Meillan in Marseille vergraben.

Mit 200 Franken, sagte Albert, kommen wirbeide nach Marseille. Diese 200 Franken sind hier und noch weitere 200. Ich habe meine Uhr und meine Kette verkauft.

Doch sind wir hier im Hause etwas schuldig?

Dreißig Franken, ichbezahle sie von dem Geld. Doch das ist noch nicht alles, was sagen Sie hierzu, meine Mutter? Albert zog aus einem kleinen Notizbuch mit goldenem Schlosse eine Tausendfrankennote.