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Dort, antwortete die Schildwache, über ihre Schulter aus einen aus dem Felsen ausgehöhlten Saal deutend, aus dem das Licht durch große gewölbte Öffnungen in den Gang drang.

GuteBeute, Kapitän, guteBeute! rief Peppino italienisch, nahm Danglars am Kragen seines Überrocks und führte ihn zu einer Öffnung, die einer Tür glich; durch diese Öffnung gelangte man in den Saal, wo der Kapitän seinen ständigen Aufenthalt zu haben schien.

Ist es der Mensch? fragte der Kapitän, der aufmerksam in Plutarchs Leben Alexanders las.

Er selbst, Kapitän, er selbst.

Sehr gut, zeigt ihn mir!

Auf diesen durchaus nicht höflichenBefehl hielt Peppino so rasch seine Fackel an Danglars' Gesicht, daß dieser lebhaft zurückwich, um sich nicht die Augenbrauen versengen zu lassen.

Sein verstörtes Gesichtbot alle Symptome einesbleichen, häßlichen Schreckens.

Der Mann ist müde, sagte der Kapitän, man führe ihn zu seinemBett!

Oh, diesesBett! murmelte Danglars; wahrscheinlich ist es einer von den Särgen, die aus der Mauer ausgehöhlt sind, und der Schlaf ist der Tod, den mir einer von den Dolchen, die ich im Schatten funkeln sehe, bringen wird.

Man erblickte in der Tat in den düstern Tiefen des ungeheuren Saales, auf ihren Lagern von getrockneten Kräutern oder von Wolfshäuten, die Gefährten des Mannes sich erheben, den Albert von Morcerf die Kommentare Cäsars lesend und Danglars in den Plutarch versenkt fand.

DerBankier stieß einen dumpfen Seufzer aus und folgte seinem Führer; er versuchte weder zubitten, noch zu schreien. Er hatte keine Kraft, keinen Willen, keine Gewalt, kein Gefühl mehr; er ging, weil man ihn fortzog. Er stieß an eine Stufe, begriff, daß er eine Treppe vor sich hatte, und hobmechanisch vier- oder fünfmal den Fuß auf. Dann öffnete sich eine niedrige Tür vor ihm; erbückte sich unwillkürlich, um nicht anzustoßen, undbefand sich in einer aus dem Felsen gehauenen Zelle. Diese Zelle war, wenn auch kahl, so doch rein und trocken.

EinBett von getrocknetem Grase, bedeckt mit Ziegenhäuten, war in einer Ecke dieser Zelle ausgebreitet. Bei diesem Anblick murmelte Danglars: Oh, Gott sei gelobt! Es ist ein wirklichesBett!

Es war zum zweiten Male, daß er in einer Stunde den Namen Gottes anrief; dies war seit zehn Jahren nicht vorgekommen.

Ecco, sprach der Führer, stieß Danglars in die Zelle und schloß die Tür hinter ihm. Ein Riegel klirrte; Danglars war gefangen.

Wäre indessen auch kein Riegel dagewesen, so hätte er doch der heilige Peter sein und zum Führer einen Engel des Himmels haben müssen, um mitten durch die Garnison zu kommen, welche die Katakomben von San Sebastianobesetzt hielt und um ihren Führer gelagert war, in dem unsere Leser sicher schon denberüchtigten Luigi Vampa erkannt haben.

Danglars hatte diesenBanditen, an dessen Dasein er nicht glauben wollte, als ihm Morcerf davon erzählte, ebenfalls erkannt. Er hatte nicht nur ihn, sondern auch die Zelle erkannt, in der Morcerf eingeschlossen gewesen war, und die aller Wahrscheinlichkeit nach den Fremden gewöhnlich als Wohnung diente.

Diese Erinnerungen, bei denen Danglars mit einer gewissen Freude verweilte, verliehen ihm wieder Ruhe. Da ihn dieBanditen nicht aus der Stelle töteten, hatten sie überhaupt nicht die Absicht, ihn zu töten. Man hatte ihn festgenommen, um ihn zu plündern, da er aber nur einige Louisd'orbei sich trug, so würde man sich, meinte er, damitbegnügen müssen.

Er erinnerte sich, daß Morcerf zu ungefähr viertausend Talern angeschlagen worden war; da er sich für eine viel gewichtigere Person hielt, als Morcerf, so schätzte er sein Lösegeld auf achttausend Taler, das heißt achtundvierzigtausend Franken. Esblieben ihm dann etwa fünf Millionen und fünfzigtausend Franken. Damit kommt man überall durch.

Mit diesemberuhigenden Gedanken streckte er sich auf seinem Lager aus und entschlummertebald.

Luigi Vampas Speisekarte.

Danglars erwachte nach längerem Schlafe.

Für einen Pariser, der an seidene Vorhänge, an samtüberzogene Wände, an den Wohlgeruch, der von dem Holze im Kamin aufsteigt, und ähnlichen Luxus gewöhnt ist, muß das Erwachen in einem Felsen wie ein schlechter Traum sein. Doch in einer Sekunde war sich Danglars der rauhen Wirklichkeitbewußt.

Ja, ja, murmelte er, ichbin in den Händen derBanditen, von denen uns Albert von Morcerf erzählt hat.

Seine ersteBewegung war, zu atmen, um sich Gewißheit zu verschaffen, daß er nicht verwundet sei.

Nein, sagte er, sie haben mich weder umgebracht noch verwundet, aber sie haben mich vielleichtbestohlen.

Er fuhr rasch mit den Händen in seine Taschen. Sie waren unberührt; die hundert Louisd'or, die er sich vorbehalten hatte, um seine Reise von Rom nach Venedig zu machen, waren noch in der Tasche seinerBeinkleider, und das Portefeuille, worin er den Kreditbrief über fünf Millionen und fünfzigtausend Franken aufbewahrt hatte, fand sich in seiner Rocktasche.

SonderbareBanditen, die mir meineBörse und mein Portefeuille lassen! sagte er zu sich selbst. Sie werden es, wie ich es mir gestern abend gedacht habe, auf Lösegeld abgesehen haben. Halt! Ich habe auch noch meine Uhr! Wir wollen einmal sehen, wieviel Uhr es ist.

Danglars Repetieruhr schlug halbsechs Uhr morgens. Ohne sie wäre Danglars in völliger Ungewißheit über die Stunde gewesen, denn das Tageslicht drang nicht in die Zelle.

Sollte er eine Erklärung von denBanditen verlangen, sollte er geduldig warten, bis sie ihn auffordern würden? Das letztere schien ratsamer; Tanglars wartete.

Er wartetebis um die Mittagsstunde. Während dieser Zeit ging eine Schildwache an seiner Tür auf und ab. Um acht Uhr morgens war die Wache abgelöst worden. Danglarsbekam Lust zu sehen, wer ihnbewachte.

Erbemerkte, daß Lichtstrahlen, die von der Lampe herrührten, durch die schlecht zusammengefügtenBretter der Tür drangen. Er näherte sich einer dieser Öffnungen gerade in dem Augenblick, wo derBandit ein paar SchluckBranntwein aus einem ledernen Schlauch nahm.

Zur Mittagsstunde fand wieder eine Ablösung statt; Danglars warbegierig, seinen neuen Wächter zu sehen, und näherte sich abermals der Spalte. Es war ein athletischerBandit, ein Goliath mit großen Augen, dicken Lippen und eingedrückter Nase! Sein rotes Haar hing auf seine Schultern in gedrehten Zöpfen wie eine Anzahl von Schlangen herab.

Oh! oh! sagte Danglars, der gleicht mehr einem Werwolf, als einem menschlichen Geschöpfe; in jedem Fallebin ich alt und zähe, und mein Fleisch ist nicht gut zubeißen.

Man sieht, Danglars hatte noch so viel Geistesgegenwart, daß er scherzen konnte. In demselben Augenblick setzte sich sein Wächter, als wollte er ihmbeweisen, er sei kein Werwolf, der Tür seiner Zelle gegenüber, zog aus seinem Schnappsack schwarzesBrot, Zwiebeln und Käse und fing an, diese Dinge mit großem Appetit zu verzehren.

Der Teufel soll mich holen, sagte Danglars, indem er durch die Spalte seiner Tür einenBlick aus das Mahl desBanditen warf, wenn ichbegreife, wie man solchen Unrat essen kann.

Doch die Geheimnisse der Natur sind unerforschlich, und es übt auf den Hungrigen der Anblick eines Schmausenden einen eigenen Reiz.

Danglars fühlte plötzlich, daß sein Abscheu in diesem Augenblick keinen Grund hatte, der Mensch kam ihm weniger häßlich, dasBrot weniger schwarz, der Käse frischer vor. Die rohen Zwiebeln endlich, ein abscheuliches Nahrungsmittel des Wilden, erinnerten ihn an gewisse PariserBrühen, die sein Koch so ausgezeichnetbereitete, wenn Danglars zu ihm sagte: Herr Deniseau, machen Sie mir heute einen guten Canaille‑Teller.

Er stand auf und klopfte an die Tür. — DerBandit hobden Kopf empor. Danglars sah, daß man ihn gehört hatte, und verdoppelte sein Klopfen.

Che cosa? fragte derBandit.

Sagen Sie doch! Freund, rief Danglars, mit seinen Fingern an die Tür trommelnd, es scheint mir, es wäre Zeit, daß man mir auch zu essen gäbe.