Выбрать главу

Scheint Ihnen dies, unterbrach sich Faria lächelnd, sehr unsinnig?

Oh! mein Freund, sagte Dantes, es kommt mir im Gegenteil vor, als läse ich eine interessante Chronik. Fahren Sie fort, ichbitte Sie!

Die Familie gewöhnte sich an diesen Zustand der Dinge. Jahre vergingen. Von den Nachkommen wurden die einen Soldaten, die andern Diplomaten; diese Geistliche, jeneBankiers; die einenbereicherten sich, die andern richteten sich vollends zu Grunde. Ich komme zu dem letzten der Familie, zu dem Grafen Spada, dessen Sekretär ich war. Oft hörte ich ihn über das Mißverhältnis seines Ranges und seines Vermögens sichbeklagen und riet ihm deshalb, das wenige, was ihmblieb, in Leibrenten anzulegen; er folgte diesem Rate und verdoppelte dadurch seine Einkünfte. DasberühmteBrevier war in der Familie geblieben, und der Graf Spadabesaß es damals, da es immer als Reliquie vom Vater auf den Sohn übergegangen war. Es war ein mit den schönsten gotischen Figuren ausgemaltesBuch und so schwer an Gold, daß es an großen Festtagen stets ein Diener vor dem Kardinal hertrug.

Bei dem Anblick von Papieren aller Art, von Verträgen und Pergamenten, die man im Familienarchiv aufbewahrte, und die insgesamt von dem vergifteten Kardinal herrührten, machte ich es mir, wie zwanzig Sekretäre vor mir, zur Aufgabe, diese gewaltigen Stöße nach dem Testament zu durchforschen. Trotz meiner emsigen und gewissenhaften Nachsuchungen fand ich durchaus nichts; alles war vergeblich; ichblieberfolglos und der Graf arm. Mein Patron starb. Er hatte von seiner Leibrente seine Familienpapiere, seine aus fünftausendBändenbestehendeBibliothek und seinberühmtesBrevier ausgenommen; er vermachte mir dies alles nebst tausend römischen Talern, die er inbarem Geldebesaß, unter derBedingung, alljährlich Messen lesen zu lassen und einen Stammbaum, sowie eine Geschichte seines Hauses zu entwerfen, was ich auch gewissenhaft ausführte. Im Jahre 1807, einen Monat vor meiner Verhaftung, am 25. Dezember, las ich zum tausendsten Male die Familienpapiere, die ich in Ordnungbrachte. Da der Palast nunmehr einem Fremden gehörte, war ich imBegriff, von Rom zu scheiden, um mich in Florenz niederzulassen, wohin ich meineBibliothek und meinberühmtesBrevier mitnehmen wollte, als ich, ermüdet durch das anhaltende Lesen und mißgestimmt durch ein unverdauliches Mittagsessen, meinen Kopf inbeide Hände fallen ließ und entschlummerte. Es war drei Uhr nachmittags. Ich erwachte, als die Uhr sechs schlug. Sobald ich den Kopf emporhob, sah ich, daß ich mich in der tiefsten Finsternisbefand. Ich klingelte, damit man mir Lichtbringe, niemand kam. Nunbeschloß ich, mich selbst zubedienen, nahm mit einer Hand die Kerze, diebereit stand, und suchte mit der andern ein Papier, das ich an dem im Herde noch glimmenden Feuer anzuzünden gedachte. Aber aus Furcht, in der Dunkelheit ein kostbares Papier statt eines unnützen zu nehmen, zögerte ich, als mir einfiel, daß ich in demberühmtenBrevier, das auf dem Tische neben mir lag, ein altes vergilbtes Papier gesehen hatte, welches ohne Zweifel alsBuchzeichen gebraucht und Jahrhunderte hindurch aus Ehrfurcht von den Erben an seinem Platze gelassen worden war. Ich suchte tastend nach diesem Papier, fand es, wickelte es zusammen, streckte es nach der Flamme aus und zündete es an; doch unter meinen Fingern sah ich, je mehr das Feuer zunahm, wie durch einen Zauber gelbliche Schriftzeichen auf dem weißen Papier hervorkommen und auf demBlatte erscheinen. Da erfaßte mich der Schrecken; ich drückte mitbeiden Händen das Papier zusammen, erstickte das Feuer und zündete sodann die Kerze unmittelbar am Herd an; mit einer nicht zu schilderndenBewegung öffnete ich das zerknitterte Schreiben und erkannte, daß dieBuchstaben, die erst in der Hitze zum Vorschein kamen, mit einer geheimnisvollen Tinte geschrieben worden waren; etwas über ein Drittel des Papiers hatte die Flamme schon verzehrt. Es ist das Papier, das Sie heute morgen gelesen haben, Dantes; lesen Sie es noch einmal, und ich werde Ihnen dann die abgebrochenen Sätze vervollständigen.

Und triumphierendbot Faria das Papier Dantes, der diesmal gierig die mit einer rötlichen, rostähnlichen Tinte geschriebenen Worte las:

«Heute, den 25. April 1498 zum Alexander VI. undbefürchtend, nicht zu ließ, wolle sie von mir erben undbe undBentivoglio, welche an Gift meinem Universalerben, daß ich vergr mit mirbesucht hat, nämlich in Insel Monte Christo, alles, was ich Diamanten, Juwelen, bes dieses Schatzes, der sich auf zwei Mil alleinbekannt ist, und daß er ihn find zwanzigsten Stein von derBucht öst Zwei Oeffnungen sind in diesen Grott Der Schatz liegt in der entfernt und diesen Schatz vermache ich ihm und trete einzigen Erben.

25. Apr. 1498.

Cä…

Nun lesen Sie das andere Papier, sagte der Abbé und reichte Dantes ein zweitesBlatt mitBruchstücken von Zeilen.

Und nun halten Sie dieBruchstücke aneinander und urteilen Sie selbst, fügte er hinzu, als er sah, daß Dantes zu der letzten Zeile gelangt war.

Dantes gehorchte; aneinander gehalten, gaben diebeidenBruchstücke folgendes:

«Heute, den 25. April 1498, zum… Mittagessen eingeladen von Seiner Heiligkeit Alexander Vl. undbefürchtend, nicht zu… frieden damit, daß sie mich meinen Hutbezahlen ließ, wolle sie von mir erben undbe… reite mir das Schicksal der Kardinäle Caprara undBentivoglio, welche an Gift… starben, erkläre ich meinem Neffen Guido Spada, meinem Universalerben, daß ich vergr… aben habe, an einem Orte, den er kennt, weil er ihn mit mirbesucht hat, nämlich in… den Grotten der kleinen Insel Monte Christo, alles, was ich… an Goldstangen, gemünztem Golde, Edelsteinen, Diamanten, Juwelenbes… aß, daß das Vorhandensein dieses Schatzes, der sich auf zwei Mil… lionen röm. Talerbeläuft, mir alleinbekannt ist, und daß er ihn find… en wird, wenn er den zwanzigsten Stein von derBucht öst… lich angefangen weggehoben hat. Zwei Öffnungen sind in diesen Grotten… angebracht worden. Der Schatz liegt in der entfernt… esten Ecke der zweiten; und diesen Schatz vermache ich ihm und trete… ich ihm in das volle Eigentum ab, als meinem einzigen Erben.

25. Apr. 1498.

Cäsar Spada

Nun, begreifen Sie endlich? fragte Faria.

Ja, tausendmal ja. Wer hat es wieder so hergestellt?

Ich, der mit Hilfe des übriggebliebenenBruchstückes den Rest erriet, indem ich die Länge der Zeilen mit denen des Papiers maß und in den verborgenen Sinn mittels des dem Auge Sichtbaren eindrang.

Und was taten Sie, als Sie diese Überzeugung erlangt zu haben glaubten?

Ich wollte abreisen und reiste auch sogleich ab, wobei ich den Anfang meiner großen Arbeit über ein einiges Königreich Italien mit mir nahm; aber die kaiserliche Politik, die damals, im Widerspruch mit der früheren Absicht Napoleons, seitdem ihm ein Sohn geboren ward, die Teilung der Provinzen wollte, hatte seit langer Zeit die Augen auf mich gerichtet. Meine eilige Abreise, deren Ursache man nicht entfernt ahnte, erregte Verdacht, und ich wurde in dem Augenblicke, wo ich mich in Piombino einschiffte, verhaftet. Nun, mein Freund, fuhr Faria fort, indem er Dantes mit einembeinahe väterlichen Ausdrucke anschaute, nun wissen Sie soviel als ich. Wenn wir uns je miteinander flüchten, so gehört die Hälfte meines Schatzes Ihnen; sterbe ich hier und Sie fliehen allein, so gehört er Ihnen ganz.

Aber, fragte Dantes zögernd, ist in der Welt nicht irgend jemand, der mehr rechtlichen Anspruch auf diesen Schatz hätte, als wir?