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Und du sagst, Dantes sei zu den Kataloniern gegangen?

Ja, wenn wir ihm folgen, so können wir im Garten der Reservebei einem Glase Wein das weitere abwarten.

Beidebegaben sich mit raschen Schritten nach dembezeichneten Orte und ließen sich eine Flasche Weinbringen. Der Vater Pamphile, der sie ihnen vorsetzte, hatte Dantes vor kaum zehn Minuten vorübergehen sehen.

Die Katalonier

Hundert Schritte von der Laube, wo diebeiden Freunde den sprudelnden Lamalgue‑Wein tranken, erhobsich hinter einem nackten, sonnigen Hügel die kleine Ansiedlung der Katalonier. Eines Tages wanderte eine Anzahl Katalonier aus dem Mutterland aus und landete hier, wo sie sich noch heutebefindet. Man wußte nicht, woher sie kam, und kannte nicht einmal ihre Sprache. Einer von den Führern, der Provençalisch verstand, bat die Gemeinde Marseille, ihnen dieses nackte, unfruchtbare Vorgebirge zu geben, auf das sie ihre Schiffe gezogen hatten. DieBitte wurde gewährt, und drei Monate nachher erhobsich um ihre fünfzehn Fahrzeuge ein kleines Dorf. Seit dreibis vier Jahrhunderten sind sie ihrem Vorgebirge treu geblieben, ohne sich mit derBevölkerung von Marseille zu vermischen, denn sie heirateten unter sich undbehielten Sitten, Tracht und Sprache ihres Mutterlandesbei.

In einer der einfachen Hütten stand ein junges Mädchen mit rabenschwarzen Haaren und Augen an der Wand. Ihrebis an den Ellbogen entblößten Arme, die zwar gebräunt, aber schön geformt waren, bebten wie von fieberhafter Ungeduld, und sie stampfte mit ihrem geschmeidigen, schön gebogenen Fuße auf die Erde, so daß die reine, stolze, kühne Form ihres mit einembaumwollenen StrumpfbekleidetenBeines ein wenig sichtbar wurde.

Drei Schritte von ihr saß auf einem Stuhle ein großer etwa zwanzigjährigerBursche undbetrachtete sie mit einer Miene, in der sich Unruhe und Trotzbekämpften. Seine Augen sahen fragend und verlangend aus, aber der feste, entschiedeneBlick des jungen Mädchensbeherrschte den Jüngling.

Wie steht's, Mercedes, sagte der junge Mann, Ostern naht; ist's da nicht Zeit, Hochzeit zu machen? Antwortet mir!

Ich habe Euch hundertmal geantwortet, Fernand, und Ihr müßt in der Tat Euer eigener Feind sein, daß Ihr mich noch einmal fragt!

Wiederholt es, ichbitte Euch, noch einmal, daß ich es endlich glauben kann! Sagt mir zum hundertstenmale, daß Ihr eine Liebe ausschlagt, die Eure Mutterbilligte! Macht mir'sbegreiflich, daß Ihr mit meinem Glücke Euer Spiel treibt, daß mein Leben und mein Tod nichts für Euch sind. Ach, mein Gott, zehn Jahre lang habe ich geträumt. Euer Gatte zu werden, und soll nun diese Hoffnung verlieren, die der einzige Zweck meines Lebens war!

Ichbin es wenigstens nicht gewesen, die Euch in dieser Hoffnung ermutigt hat, Fernand, antwortete Mercedes. Ihr könnt mir in dieser Hinsicht nichts vorwerfen. Stets sagte ich Euch: Ich liebe Euch wie meinenBruder, fordert aber nie mehr von mir, denn mein Herz gehört einem andern. Das habe ich Euch immer gesagt, Fernand.

Ich weiß es wohl, Mercedes, antwortete der junge Mann. Ja, Ihr habt mir gegenüber das grausame Verdienst der Offenherzigkeit. Aber vergeßt Ihr, daßbei den Kataloniern das heilige Gesetzbesteht, sich nur untereinander zu heiraten?

Ihr täuscht Euch, Fernand, das ist kein Gesetz, es ist eine Gewohnheit und nichts weiter. Führt diese Gewohnheit nicht zu Euren Gunsten an! Ihr seid zur Aushebung vorgemerkt; jeden Augenblick könnt Ihr zur Fahne einberufen werden. Seid Ihr aber Soldat, was sollte dann aus mir werden, dem verlassenen, vermögenslosen Mädchen, das als einzige Habe nur einebaufällige Hüttebesitzt, in der ein paar abgenutzte Netze hängen… die elende Erbschaft von meinem Vater und meiner Mutter? Seit sie im vorigen Jahre starb, lebe ich fast nur von der öffentlichen Wohltätigkeit. Zuweilen tut Ihr, als wäre ich Euch nützlich, um das Recht zu haben, Euren Fischfang mit mir zu teilen. Ich nehme es an, Fernand, weil Ihr mein Vetter seid, weil wir miteinander erzogen worden sind, und mehr noch, weil es Euch zu viel Kummer machen würde, wenn ich es ausschlüge; aber ich fühle wohl, daß der Fisch ein Almosen ist.

Wenn Ihr aber, die arme und verlassene Mercedes, mirbesser gefallt als die Tochter des stolzesten Reeders und des reichstenBankiers von Marseille? Wasbraucht ein Mann aus dem Volk wie ich? Ein ehrliches Weib, eine gute Wirtschafterin. Und wo kann ich da etwasBesseres finden, als Ihr seid?

Fernand, antwortete Mercedes, den Kopf schüttelnd, man ist eine schlechte Wirtschafterin und kann nicht dafür stehen, daß man eine ehrliche Fraubleibt, wenn man einen andern Mann liebt, als seinen Gatten. Begnügt Euch mit meiner Freundschaft, denn ich wiederhole Euch, das ist alles, was ich Euch versprechen kann, und ich verspreche nur, was ich halten kann.

Ja, ichbegreife, sagte Fernand, Ihr ertragt geduldig Eure Armut, aber Ihr habt Furcht vor der meinen. Nun wohl, Mercedes, von Euch geliebt, werde ich mich aufzuschwingen suchen. Ihrbringt mir Glück, und ich werde reich. Ich kann mein Fischergewerbe ausdehnen, ich kann als Kommis in ein Kontor eintreten, ich kann sogar Kaufmann werden!

Ihr könnt das alles nicht, Fernand, Ihr seid als Soldat vorgemerkt, und wenn Ihr noch hier weilt, so ist dies nur der Fall, weil gegenwärtig kein Krieg geführt wird. Bleibt also Fischer und — begnügt Euch mit meiner Freundschaft, da ich Euch nichts anderes geben kann.

Oh, Mercedes, Ihr seid nur so grausam und hart gegen mich, weil Ihr einen andern erwartet; aber der ist vielleicht unbeständig wie das Meer.

Fernand, rief Mercedes, ich hielt Euch für gut, aber ich täuschte mich! Ihr habt ein schlechtes Herz, daß Ihr mit Eurer Eifersucht den Zorn des Himmels herabruft. Nun wohl, ichbekenne es offen: Ich erwarte und liebe den, welchen Ihr meint.

Der junge Katalonier machte eine wütende Gebärde.

Ich verstehe Euch, Fernand, Ihr werdet Euch dafür rächen, daß ich Euch nicht liebe, Ihr werdet Euer katalonisches Messer mit seinem Dolche kreuzen! Wohin wird Euch das führen? Dahin, daß Ihr meine Freundschaft verliert, wenn Ihrbesiegt werdet; daß Ihr meine Freundschaft in Haß verwandelt, wenn Ihr Sieger seid. Glaubt mir, Streit mit einem Manne suchen, ist ein schlechtes Mittel, der Frau zu gefallen, die diesen Mann liebt. Nein, Fernand, Ihr werdet Euch nicht so durch Eure schlimmen Gedanken hinreißen lassen. Da Ihr mich nicht als Fraubesitzen könnt, so werdet Ihr Euchbegnügen, mich zur Freundin und zur Schwester zu haben. Und überdies, fügte sie mit unruhigen, tränenfeuchten Augen hinzu, Ihr habt soeben gesagt, das Meer sei treulos. Schon seit vier Monaten ist er abgereist, und seit vier Monaten habe ich viele Stürme gezählt.

Fernandbliebunempfindlich. Er suchte nicht die Tränen zu trocknen, die über Mercedes' Wangen herabrollten, und dennoch hätte er für jede ihrer Tränen einenBecher seinesBlutes gegeben; aber diese Tränen flossen nicht für ihn. Er stand auf, ging in der Hütte umher, kehrte zurück, bliebmit düsterem Auge und geballten Fäusten vor Mercedes stehen und sagte: Laßt hören, Mercedes, noch einmal, antwortet: Steht Euer Entschluß fest?

Ich liebe Edmond Dantes, antwortete kalt das junge Mädchen, und kein anderer als Edmond soll mein Gatte werden.

Und Ihr werdet ihn immer lieben?

Solange ich lebe.

Fernand ließ ganz entmutigt das Haupt sinken und stieß einen Seufzer aus. Dann, plötzlich die Stirn wieder erhebend, rief er: Aber wenn er tot ist?

Wenn er tot ist, sterbe ich.

Aber wenn er Euch vergißt?

Mercedes! rief eine freudige Stimme vor dem Hause, Mercedes!

Ah, rief das junge Mädchen, vor Entzücken errötend und ausspringend, Ihr seht, daß er mich nicht vergessen hat, denn er ist da!

Eilig lief sie zur Tür, öffnete sie und rief mit jubelndem Tone: Herein, Edmond, hierbin ich!