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Ja, aber aus dem Gefängnis kommt man zurück, sagte Caderousse, der sich mit den Trümmern seines Verstandes an das Gespräch festklammerte, und wenn man draußen ist und Edmond Dantes heißt, so rächt man sich.

Gleichviel, murmelte Fernand.

Warum sollte man auch Dantes in ein Gefängnis stecken? Er hat weder geraubt noch gemordet, versetzte Caderousse und leerte abermals ein Glas Wein.

Danglars verfolgte in den trüben Augen des Schneiders die Fortschritte der Trunkenheit und sagte sodann zu Fernand: Begreifen Sie nun, daß es nicht nötig wäre, ihn zu töten?

Nein, gewiß nicht, hätte man ein Mittel, Dantes festnehmen zu lassen. Aber, besitzen Sie dieses Mittel?

Wenn man gut suchte, erwiderte Danglars, könnte man wohl eins finden. Doch zum Teufel, wozu menge ich mich drein? Was geht's mich an?

Ich weiß nicht, obes Sie angeht, sagte Fernand und faßte ihn am Arme; aber ich weiß, daß Sie irgend einenbesonderen Grund zum Haß gegen Dantes haben. Wer selbst haßt, täuscht sich nicht in den Gefühlen der andern.

Ich, einen Grund, Dantes zu hassen? Keinen, auf mein Wort. Ich sah Sie unglücklich, und Ihr Unglück erregte meine Teilnahme, das ist alles. Aber, wenn Sie glauben, ich handle für meine eigene Rechnung, Gottbefohlen, lieber Freund! Ziehen Sie sich nur aus der Klemme, wie Sie können…

Und Danglars stellte sich, als wollte er weggehen.

Nein, sagte Fernand, ihn zurückhaltend, bleiben Sie! Es liegt mir am Ende wenig dran, obSie Dantes grollen oder nicht. Ich hasse ihn und gestehe es laut. Finden Sie das Mittel, so führe ich es aus, vorausgesetzt, daß es nicht sein Tod ist, denn Mercedes hat gesagt, sie würde sich umbringen, wenn man Dantes tötete. Also her das Mittel — schnell das Mittel!

Ja, versetzte Danglars. Die Franzosen sind hierin den Spaniern überlegen. Die Spanierbedenken und erwägen, die Franzosen erfinden. Kellner, eine Feder, Tinte und Papier!

Wenn manbedenkt, sagte Caderousse und ließ seine Hand auf das Papier fallen, das der Kellner gebracht hatte, daß hier etwas ist, womit man einen Menschen sicherer verderben kann, als wenn man ihm an der Ecke eines Waldes auflauerte, um ihn zu ermorden! Ich habe immer mehr Furcht vor einer Feder, einer Flasche Tinte und einemBlatt Papier gehabt, als vor einem Degen oder einer Pistole.

DerBursche ist noch nicht sobetrunken, wie er aussieht. Schenken Sie ihm ein, Fernand!

Fernand füllte Caderousses Glas.

Also, ich sagte Ihnen, fuhr Danglars fort, als er sah, daß der letzte Rest von Caderousses Vernunft in dem neuen Glase Wein vollends zu verschwinden anfing, wenn z. B. nach einer Reise, wie sie Dantes gemacht hat, wobei er die Insel Elbaberührte, ihn jemandbei dem Staatsanwalt alsbonapartistischen Agenten anzeigte…

Ich würde ihn anzeigen, sagte lebhaft der junge Mann.

Ja, aber dann läßt man Sie Ihre Erklärung unterschreiben. Man stellt Sie dem, den Sie angezeigt haben, gegenüber. Zwar liefere ich Ihnen, was Sie zur Unterstützung Ihrer Anklagebrauchen; aber Dantes kann nicht ewig im Gefängnissebleiben; eines Tages verläßt er es, und dann wehe dem, der ihn hineingebracht hat.

Oh! davor ist mir nichtbange, sagte Fernand, er soll nur kommen, Streit mit mir anzufangen.

Ja, und Mercedes, die Sie schon haßt, wenn Sie nur das Unglück haben, die Haut ihres geliebten Edmond zu ritzen?

Das ist richtig, versetzte Fernand.

Nein, nein, sagte Danglars, wenn man sich zu dergleichen entschlösse, so wäre esbesser, ganz einfach, wie ich dies eben tue, mit der linken Hand, damit die Schrift nicht erkannt wird, eine kleine Denunziation zu schreiben.

Und Danglars schriebzugleich mit der linken Hand in einer Schrift, die keine Ähnlichkeit mit seiner gewöhnlichen Handschrift hatte, folgende Zeilen, die er Fernand übergab:

«Der Herr Staatsanwalt wird von einem Freunde des Thrones und der Religionbenachrichtigt, daß Edmond Dantes, Sekond des Schiffes Pharao, heute morgen von Smyrna angelangt ist, nachdem er Neapel und Porto Ferrajo auf Elbaberührt hat, von Murat einenBrief für den Usurpator und von dem Usurpator einenBrief für dasbonapartistische Komitee in Paris übernommen hat. DenBeweis für sein Verbrechen wird man erlangen, wenn man ihn verhaftet; denn man findet diesenBrief entwederbei ihm oderbei seinem Vater oder in seiner Kajüte anBord des Pharao.«

So ist Ihre Rache vernünftig, fuhr Danglars fort, denn sie kann auf keine Weise auf Sie zurückfallen, und die Sache macht sich ganz von selbst. Man darf diesenBrief nur noch adressieren. Dann wäre alles abgemacht.

Und Danglars schriebdie Adresse.

Ja, alles wäre abgemacht, rief Caderousse, der mit einer letzten Anstrengung seines Geistes dem Vorlesen gefolgt war und noch dunkelbegriff, was für unselige Folgen eine solche Anzeige nach sich ziehen könnte. Ja, alles wäre abgemacht; aber das Ganze wäre eine Schändlichkeit. Und er streckte den Arm aus, um denBrief zu nehmen. Danglars aber stieß das Papierbeiseite und erwiderte: Was ich sage und hier mache, geschieht doch nur im Scherz, und es würde mir vor allem leid tun, wenn Dantes, dem guten Dantes etwas widerführe. Seht selbst… und er zerknitterte denBrief und warf ihn in eine Ecke der Laube.

So ist es gut, sagte Caderousse, Dantes ist mein Freund, und ich will nicht, daß man ihmBöses zufüge.

Wer zum Teufel denkt daran, ihmBöses zuzufügen? Ich nicht, Fernand auch nicht, sagte Danglars, stand auf und sah dabei den jungen Mann an, der sitzen geblieben war, aberbeständig nach dem in die Ecke geworfenen verräterischen Papier schielte.

Dann Wein her, sagte Caderousse. Ich will auf die Gesundheit von Edmond und der schönen Mercedes trinken.

Nein, für heute haben wir genug, es ist Zeit, nach Hause zu kommen. Gibmir den Arm und laß uns gehen, sagte Danglars und zog Caderousse in der Richtung von Marseille mit sich fort.

Als er aber zwanzig Schritte gemacht hatte, wandte er sich um und sah, daß sich Fernand auf das Papier stürzte, es sogleich in die Tasche steckte und sich dann eiligst aus der Laube entfernte.

Gut, gut, murmelte Danglars, die Sache ist im Gange, und man darf ihr nur ihren Lauf lassen.

Das Verlobungsmahl

Am andern Morgen erhobsich die Sonne rein und glänzend, und ihre purpurnen Strahlen übergossen wie mit Rubinen die schäumenden Spitzen der Meereswellen.

Das Verlobungsmahl war im großen Saale des ersten Stockes der Reservebereitet worden. In der Mitte der langen Tafel saß auf der einen Seite die reizende Mercedes, rechts von ihr im Sonntagsstaate der alte Dantes, während zu ihrer Linken ihr Vetter Fernand Platz genommen hatte. Ihnen gegenüber saß derBräutigam, neben ihm Herr Morel, der das Verlobungsfest seines zukünftigen Kapitäns mit seiner Gegenwartbeehrte.

In ihrer Nähebefanden sich auch Danglars sowie Caderousse, den die Hoffnung auf ein gutes Mahl vollends mit Dantes ausgesöhnt hatte und in dessen Gedächtnis nur eine schwankende Erinnerung von dem geblieben war, was sich am Tage vorher zugetragen hatte.

Außer diesen unsbekannten Gästen waren zahlreiche Freunde desBräutigams, Seeleute und Soldaten, anwesend, diebereits anfingen, dem reichen Mahle zuzusprechen.

Schon liefen um die Tafel Würste von Arles mit ihrem eigentümlichen, starken Gerüche, Seekrebse mitblendender Schale, Prayres in rosafarbiger Muschel, Seeigel, die Kastanien glichen, und alle die Leckerbissen, welche die Wellen auf das sandige Ufer wälzen und die dankbaren Schiffer mit dem Namen Seefrüchtebezeichnen.

Ein schönes Schweigen, sagte Dantes' Vater, ein Glas Wein, gelbwie Topas, schlürfend. Sollte man glauben, es seien hier dreißig Personen, die sich frohe Zeit machen wollen?