Duroc reichte ihm drei Papiere. Das erste, das Bonaparte entfaltete, trug das Datum des 20. Februar 1800; wir geben den Brief des Grafen von Provence in seinem ursprünglichen, unveränderten Wortlaut wieder.
Ungeachtet des Anscheins, den ihr Betragen erwecken mag, können Männer wie Sie, Monsieur, niemals Gefühle der Besorgnis einflößen. Sie haben einen herausragenden Platz eingenommen, und ich weiß Ihnen dafür Dank. Sie wissen besser als jeder andere, was es an Kraft und Durchsetzungsvermögen erfordert, um eine große Nation glücklich zu machen. Retten Sie Frankreich vor der Selbstzerfleischung, und Sie erfüllen den inbrünstigsten Wunsch meines Herzens. Geben Sie ihm seinen König zurück, und künftige Generationen werden Ihr Andenken segnen. Der Staat wird Ihrer stets so dringend bedürfen, dass ich meine Dankesschuld und die meines Vorfahren durch keinen bedeutenden Posten begleichen könnte.
LOUIS
»Sehen Sie darin auch nur die Spur eines Abkommens?«, fragte Bonaparte.
»Mein General, ich muss Ihnen recht geben«, erwiderte Georges. »Aber Sie haben diesen Brief nicht beantwortet?«
»Ich muss gestehen, dass ich die Sache nicht für sonderlich dringend hielt und erst einen zweiten Brief abwarten wollte, bevor ich einen Entschluss fasste. Nun, ich musste nicht lange warten. Wenige Monate später erreichte mich folgender undatierte Brief:
Seit Langem, General, dürften Sie wissen, dass Sie meine Achtung erworben haben. Zweifelten Sie daran, dass ich mich dankbar zu zeigen vermöchte, nennen Sie Ihren Platz und entscheiden Sie über das Geschick Ihrer Freunde. In meinen Grundsätzen bin ich Franzose, mildtätig aus Neigung, und verstünde es aus Vernunft obendrein zu sein.
O nein, der Sieger von Lodi, von Castiglione, von Arcoli, der Eroberer Italiens und Ägyptens, kann dem Ruhm keine nichtige Berühmtheit vorziehen. Dennoch verlieren Sie kostbare Zeit: Wir können Frankreichs Ruhm gewährleisten, und ich sage »wir«, da ich dafür auf Bonaparte angewiesen bin und er es ohne mich nicht vermöchte.
General, Europa hat den Blick auf Sie gerichtet, der Ruhm harrt Ihrer, und ich wünsche mir inbrünstig, meinem Volk den Frieden zu geben.
LOUIS
Sie sehen, Monsieur«, sagte Bonaparte, »auch im zweiten keine Spur von einem Abkommen.«
»Darf ich fragen, General, ob Sie diesen Brief beantwortet haben?«
»Ich wollte ihn von Bourrienne beantworten lassen und unterschreiben, doch Bourrienne machte mich darauf aufmerksam, dass die Briefe des Grafen von Provence handschriftlich verfasst waren und es geziemender wäre, mit eigener Schrift zu antworten, sei sie noch so unleserlich. – Da es sich um keine Bagatelle handelte, habe ich mich nach Kräften bemüht und recht entzifferbar den Brief geschrieben, dessen Abschrift wir hier haben.«
Und er zeigte Georges eine Kopie seines Briefes an den Grafen von Provence, von Bourrienne geschrieben. Der Brief enthielt folgenden abschlägigen Bescheid:
Monsieur, ich habe Ihren Brief erhalten; ich danke Ihnen für die schmeichelhaften Dinge, die Sie darin äußern.
Wünschen Sie nicht, nach Frankreich zurückzukehren; Sie müssten über Berge zahlloser Leichen gehen.
Opfern Sie Ihre Wünsche dem Frieden und dem Wohlergehen Frankreichs, und die Geschichte wird es Ihnen vergelten.
Das Ihrer Familie widerfahrene Leid lässt mich nicht unberührt, und mit Freuden erführe ich, dass Sie auf nichts verzichten müssen, was Ihnen das Leben auf Ihrem Ruhesitz versüßen kann.
BONAPARTE
»Und das«, fragte Georges, »ist wahrhaftig Ihr letztes Wort, nicht wahr?«
»Mein letztes Wort.«
»Obwohl es in der Geschichte einen Fall gegeben hat -«
»In der englischen Geschichte, nicht in unserer, Monsieur«, unterbrach ihn Bonaparte. »Ich soll Moncks Rolle einnehmen? Besten Dank! Müsste ich wählen und wollte ich jemanden nachahmen, dann wählte ich lieber die Rolle Washingtons. Monck lebte in einer Zeit, in der die Vorurteile, die wir 1789 bekämpft und vom Sockel gestürzt haben, unangefochten herrschten; Monck wollte König werden, was er nicht konnte, und Diktator mit nicht mehr Erfolgsaussichten; dafür bedurfte es Cromwells überlegener Fähigkeiten. Richard, sein Sohn, konnte sich nicht im Sattel halten – ein Schwachkopf, typischer Sohn eines großen Mannes. Und dann, als Krönung des Ganzen, die Restauration unter Charles II.! Ein liederlicher Hof statt eines frömmlerischen Hofes! Er ahmte das Beispiel seines Vaters nach und zerschlug mehrere Parlamente, wollte als Alleinherrscher regieren, schuf sich ein Ministerium aus Lakaien, das ihm für seine Ausschweifungen dienlicher war als für seine Regierungsgeschäfte. In seiner Vergnügungssucht scheute er vor nichts zurück, um sich Geld zu verschaffen: An Ludwig XIV. verkaufte er Dünkirchen, das für England eine Schlüsselstellung besaß, was Frankreich betrifft; unter dem Vorwand einer erfundenen Verschwörung ließ er Algernon Sidney hinrichten, der zwar zu jenem Ausschuss zählte, der beauftragt war, Charles I. hinzurichten, doch hatte Sidney sich geweigert, an der Sitzung teilzunehmen, in der das Urteil gefällt wurde, und sich noch störrischer geweigert, das Schriftstück zu unterzeichnen, das die Hinrichtung des Königs anordnete. Cromwell starb 1685, das heißt im Alter von neunundfünfzig Jahren. In den zehn Jahren, die er an der Macht war, konnte er vieles anfangen und nur wenig vollenden. Zudem war sein Ziel eine völlige Umgestaltung: politisch durch die republikanische Regierung anstelle der Monarchie, in religiöser Hinsicht durch die Abschaffung der katholischen Religion zugunsten der protestantischen. Nun gut! Lassen Sie mich so lange leben wie Cromwell; neunundfünfzig Jahre, das ist nicht viel, oder? Ich habe noch dreißig Jahre vor mir, das Dreifache von Cromwells Lebensspanne; und bedenken Sie, dass ich nichts umstürze, sondern mich damit begnüge weiterzumachen; ich verändere nichts, sondern veredle es.«
»Sehr gut«, entgegnete Cadoudal lachend. »Und wie stand es mit dem Direktorium?«
»Das Direktorium war keine Regierung«, sagte Bonaparte. »Wie hätte auf einer so verkommenen Grundlage wie der des Direktoriums eine Regierung möglich sein sollen? Wäre ich nicht aus Ägypten zurückgekehrt, wäre es von ganz allein zusammengebrochen. Ich musste es nur anstoßen. Frankreich wollte davon nichts mehr wissen, und der beste Beweis ist der Empfang, den es mir bei meiner Rückkehr bereitet hat. Was hatten sie aus dem Frankreich gemacht, das ich so hoffnungsvoll hinterlassen hatte? Ein armes Land, allseits vom Feind bedroht, der drei seiner Grenzen bereits überschritten hatte. Ich hatte Frieden hinterlassen und fand Krieg vor; ich hatte Siege hinterlassen und fand Niederlagen vor; ich hatte die Millionen aus Italien hinterlassen und fand allerorten blutsaugerische Gesetze und Elend vor. Was geschah mit den zehntausend Soldaten, die meinen Ruhm teilten, die ich alle beim Namen kannte? Sie sind tot. Während ich Malta einnahm, Alexandria, Kairo, während ich mit der Spitze unserer Bajonette Frankreichs Namen in Thebens Pylone und die Obelisken von Karnak einmeißelte, während ich mich anschickte, am Fuß des Tabor die Niederlage des letzten Königs von Jerusalem zu rächen – was taten sie da mit meinen besten Generälen? Humbert ließen sie in Irland gefangen nehmen; Championnet ließen sie in Neapel verhaften und mit Schmutz bewerfen; mit seinem Rückzug hat Schérer die Spur des Sieges verwischt, die ich in Italien gezogen hatte; den Engländern wurde ermöglicht, die holländischen Grenzen entlang einzudringen; Raimbault wurde in Turin getötet, David in Alkmaar, Joubert in Novi. Und als ich Verstärkung von ihnen verlangte, um Ägypten zu halten, Munition, um es zu verteidigen, und Getreide, um es zu besäen, da schickten sie mir Gratulationsschreiben und teilten mir mit, die Armée de l’orient habe sich um das Vaterland verdient gemacht.«