Ruhe war ihm unerträglich; sogar in seinen Privaträumen wanderte er auf und ab. Er beugte sich dabei leicht vor, als drücke das Gewicht der Gedanken sein Haupt nieder, und hielt die Hände auf dem Rücken gefaltet, ohne zu posieren. Versunken in die Gedanken, denen er sich bei diesen Spaziergängen überließ, zuckte er oft unwillkürlich mit der rechten Schulter und verzog den Mund.
Diese nervösen Tics, eine harmlose Marotte, wurden von manchen für krankhafte Zuckungen gehalten, denn es ging das Gerücht, Bonaparte leide an epileptischen Anfällen.
Das Baden war ihm eine regelrechte Leidenschaft: Er verbrachte zwei bis drei Stunden in der Wanne, ließ sich dort die Zeitungen vorlesen und Pamphlete, die ihm die Polizei gemeldet hatte. Wenn er in der Wanne saß, ließ er ununterbrochen heißes Wasser nach, ohne sich darum zu scheren, ob die Wanne überfloss. Wenn Bourrienne es vor lauter feuchtem Wasserdampf nicht mehr aushielt, bat er darum, das Fenster öffnen zu lassen oder sich zurückziehen zu dürfen. Im Allgemeinen wurde seiner Bitte stattgegeben.
Unabhängig von allen betreffenden Gerüchten schlief Bonaparte gern; oft genug sagte er klagend zu seinem Sekretär, der ihn um sieben Uhr weckte: »Ach! Lassen Sie mich noch einen Augenblick schlafen!« Und er sagte: »Betreten Sie mein Schlafzimmer nachts so selten wie möglich; wecken Sie mich nie einer guten Nachricht wegen – gute Nachrichten sind nicht eilig; aber wecken Sie mich auf der Stelle, wenn es eine schlechte Nachricht gibt, denn dann darf man keine Zeit verlieren.«
Sobald Bonaparte aufgestanden war, rasierte und frisierte ihn sein Kammerdiener Constant. Während der Rasur las Bourrienne ihm die Zeitungen vor, wobei der Moniteur stets den Anfang machte; Aufmerksamkeit schenkte Bonaparte ohnedies nur englischen und deutschen Blättern. Wenn Bourrienne den Namen einer der zehn oder zwölf französischen Zeitungen jener Zeit nannte, sagte er: »Weiter, weiter, die drucken nur das, was ich ihnen erlaube.«
Wenn Bonaparte angekleidet war, begab er sich mit Bourrienne in sein Kabinett. Dort lagen die Briefe des Tages zum Lesen und die Berichte des Vortags zum Abzeichnen. Er las und gab an, welche Antworten er wünschte, und danach zeichnete er die Berichte ab.
Um Punkt zehn Uhr wurde die Tür geöffnet, und der Diener verkündete: »Es ist angerichtet für den Herrn General!«
Das schlichte Frühstück bestand aus drei Gängen und einem Dessert. Einer der Gänge war fast immer ein Hühnergericht mit Olivenöl und Zwiebeln, ähnlich dem Gericht, das man Bonaparte zum ersten Mal am Morgen der Schlacht von Marengo serviert hatte und das seither »Hühnchen Marengo« heißt.
Bonaparte trank wenig Wein, ausschließlich Bordeaux und Burgunder, und nach dem Frühstück und dem Diner nahm er eine Tasse Kaffee.
Wenn er nachts länger als üblich arbeitete, brachte man ihm gegen Mitternacht eine Tasse Schokolade.
Schon früh am Tag schnupfte er Tabak, beschränkte sich allerdings auf drei oder vier Prisen täglich, kleine Prisen aus sehr eleganten goldenen oder emaillierten Tabaksdosen.
An besagtem Tag war Bourrienne wie gewöhnlich um halb sieben in sein Kabinett gekommen, hatte die Briefe geöffnet und auf dem großen Schreibtisch angeordnet, die wichtigsten zuunterst, damit Bonaparte sie als letzte las und sie ihm im Gedächtnis haften blieben.
Dann, als die Wanduhr sieben Uhr schlug, sagte er sich, dass es Zeit sei, den General zu wecken.
Zu seinem großen Erstaunen hatte er jedoch Madame Bonaparte allein im Bett und in Tränen aufgelöst vorgefunden.
Es muss kaum eigens gesagt werden, dass Bourrienne einen Schlüssel zu Bonapartes Schlafgemach besaß und den Raum zu jeder Tages- oder Nachtzeit aufsuchen konnte.
Als er Joséphine allein und in Tränen vorfand, wollte er sich zurückziehen. Joséphine aber, die Bourrienne gernhatte und wusste, dass sie sich auf ihn verlassen konnte, winkte ihn her und bat ihn, sich zu setzen.
Besorgt trat er näher.
»Madame«, sagte er, »ist dem Ersten Konsul vielleicht etwas zugestoßen?«
»Nein, Bourrienne, nein«, erwiderte Joséphine. »Es geht um mich, nicht um ihn...«
»Und worum, Madame?«
»Ach, mein lieber Bourrienne! Ich bin so unglücklich!«
Bourrienne konnte sich das Lachen nicht verbeißen. »Ich wette, ich weiß, worum es geht«, sagte er.
»Meine Lieferanten...«, stammelte Joséphine.
»Weigern sich, Sie weiterhin zu beliefern?«
»Ach! Wenn es weiter nichts wäre!«
»Sie sind doch nicht etwa so unverschämt zu erwarten, dass man sie bezahlt?«, fragte Bourrienne lachend.
»Sie drohen mir, mich gerichtlich zu verfolgen! Stellen Sie sich meine Ratlosigkeit vor, mein lieber Bourrienne, wenn Bonaparte eine gerichtliche Zahlungsaufforderung in die Hände fiele!«
»Das würden sie nie und nimmer wagen!«
»Ich weiß es leider besser.«
»Das kann ich nicht glauben.«
»Sehen Sie selbst!« Und Joséphine holte unter ihrem Kissen ein Blatt Papier mit dem Briefkopf der Republik hervor.
Es war eine gerichtliche Zahlungsaufforderung an den Ersten Konsul über den Betrag von vierzigtausend Francs, zahlbar für Handschuhe, geliefert an seine Ehefrau Madame Bonaparte.
Der Zufall hatte die Mahnung von ihrem Empfänger abgelenkt und der Ehefrau in die Hand gespielt. Sie war im Namen einer Madame Giraud erhoben.
»Zum Teufel!«, sagte Bourrienne. »Damit ist nicht zu spaßen! Haben Sie Ihrem gesamten Hofstaat erlaubt, sich bei dieser Dame auszustatten?«
»Nein, mein lieber Bourrienne. Diese Handschuhe für vierzigtausend Francs waren nur für mich.«
»Nur für Sie?«
»Ja.«
»Aber dann haben Sie seit zehn Jahren keine Rechnungen mehr bezahlt, oder?«
»Ich habe mich mit meinen Lieferanten geeinigt und sie alle am ersten Januar des vergangenen Jahres bezahlt, alles in allem an die dreihunderttausend Francs. Und weil ich mich so gut an Bonapartes Zornesausbruch damals erinnere, mache ich mir heute so große Sorgen.«
»Und seit dem ersten Januar vergangenen Jahres haben Sie Handschuhe für vierzigtausend Francs benötigt?«
»So scheint es zu sein, Bourrienne, wenn man diesen Betrag von mir verlangt.«
»Hm! Und was soll ich jetzt tun?«
»Wenn Bonaparte heute Morgen gute Laune hat, dann wünschte ich, Sie könnten diskret die Situation andeuten.«
»Warum ist er eigentlich nicht bei Ihnen? Hat es Streit zwischen Ihnen gegeben?«, fragte Bourrienne.
»Nein, ganz und gar nicht. Gestern Abend ging er in bester Laune mit Duroc aus, um die Stimmung der Pariser zu taxieren, wie er es nennt. Er wird spät zurückgekommen sein, und um mich nicht zu wecken, hat er in seinem Junggesellenzimmer geschlafen.«
»Und wenn er gute Laune hat und ich Ihre Schulden anspreche und er mich fragt, auf welche Höhe sie sich belaufen, was sage ich ihm dann?«
»Ach! Bourrienne!« Joséphine versteckte den Kopf unter der Bettdecke.
»Der Betrag ist also erschreckend hoch?«
»Entsetzlich hoch.«
»Und wie viel ist es?«
»Ich wage es Ihnen nicht zu sagen.«
»Dreihunderttausend Francs?«
Joséphine seufzte.
»Sechshunderttausend?«
Ein erneuter Seufzer Joséphines, ausdrücklicher als zuvor.
»Ich muss gestehen, dass Sie mir Angst machen«, sagte Bourrienne.
»Ich habe die ganze Nacht gerechnet, mit meiner Freundin Madame Hulot, die sich hervorragend darauf versteht, denn wie Sie wissen, lieber Bourrienne, verstehe ich von der Rechenkunst überhaupt nichts.«
»Und Sie schulden?«
»Mehr als zwölfhunderttausend Francs.«
Bourrienne zuckte unwillkürlich zurück. »Sie haben recht«, sagte er, diesmal ohne zu lachen, »der Erste Konsul wird vor Zorn außer sich sein.«