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Hortense zeigte Claire ihr Atelier, ihre Kreidezeichnungen, ihr Musikzimmer, ihre Voliere.

Dann setzten sie sich in ein kleines, von Redouté ausgemaltes Boudoir neben der Voliere.

Das Gespräch kam auf die Abendgesellschaften, die zu jener Zeit prachtvoller denn je wiederauflebten, auf die Bälle, die voller Begeisterung besucht wurden, auf die schönen Tänzer – Monsieur de Trénis, Monsieur Laffitte, Monsieur d’Almivar, die zwei Messieurs de Caulaincourt. Beide beklagten bitter, dass sie auf den Bällen genötigt waren, mindestens eine Gavotte und ein Menuett zu tanzen. Und wie von allein kam es zu dem Austausch zweier Fragen.

Hortense fragte: »Kennen Sie den Citoyen Duroc, Aide de Camp bei meinem Stiefvater?« Und Claire fragte: »Begegnen Sie bisweilen dem Citoyen Hector de Sainte-Hermine?«

Claire kannte Duroc nicht, Hortense nicht Hector.

Hortense wäre fast in Versuchung geraten zu gestehen, dass sie Duroc liebte, denn ihr Stiefvater, der Duroc sehr schätzte, ermutigte diese Liebschaft.

In der Tat zählte Duroc zu jenen bezaubernden Generälen, die im Tuilerienpalast zu jener Zeit wie in einer Pflanzschule gediehen. Er war keine achtundzwanzig Jahre alt, von äußerst vornehmem Auftreten, mit großen, leicht hervorstehenden Augen, von überdurchschnittlicher Körpergröße und schlanker, eleganter Gestalt.

Ein Schatten aber lag über dieser Liebe: Bonaparte ermutigte sie, Joséphine hingegen begünstigte eine andere Verbindung. Joséphine wollte Hortense mit einem der jüngeren Brüder Bonapartes verheiraten, mit Louis.  

Joséphine hatte in Bonapartes Familie zwei geschworene Feinde, Joseph und Lucien, deren Interesse an Joséphines Betragen weit über jede Indiskretion hinausging. Fast wäre es ihnen gelungen, Bonaparte nach seiner Rückkehr aus Ägypten zu einer Trennung von ihr zu bewegen. Sie drängten ihn ständig, sich scheiden zu lassen, unter dem Vorwand, ein männlicher Erbe sei für Bonapartes ehrgeizige Ziele unerlässlich, und sie hatten umso leichteres Spiel, als sie damit allem Anschein nach gegen ihre eigenen Interessen handelten.

Joseph und Lucien waren verheiratet, Joseph ehrbar und schicklich. Er hatte die Tochter eines Monsieur Clary geehelicht, eines reichen Händlers aus Marseille, und war so zum Schwager Bernadottes geworden. Eine dritte Tochter war noch zu vergeben gewesen, reizender sogar als ihre Schwestern, und Bonaparte hielt um ihre Hand an. »Meiner Treu, nein«, hatte der Vater gesagt, »ein Bonaparte in der Familie genügt mir.« Hätte er eingewilligt, wäre der ehrbare Händler aus Marseille eines schönen Tages Schwiegervater eines Kaisers und zweier Könige gewesen.

Lucien hingegen war eine Ehe eingegangen, wie man sie in der Gesellschaft als unausgewogen zu bezeichnen pflegte. 1774 oder 1795, als Bonaparte nur dafür berühmt war, Toulon erobert zu haben, wurde Lucien zum Magazinverwalter des Dörfchens Saint-Maximin ernannt. Als echter Republikaner, der sich selbst Brutus getauft hatte, konnte Lucien auf keinen Fall gestatten, dass ein Heiliger sich in seiner Umgebung aufhielt, und folglich hatte er Saint-Maximin analog zu sich selbst umgetauft, und zwar in Marathon.

Citoyen Brutus, wohnhaft in Marathon, das klang gut.

Miltiades hätte besser gepasst, aber als Lucien sich Brutus nannte, konnte er noch nicht ahnen, dass es ihn nach Saint-Maximin verschlagen würde.

Lucien-Brutus wohnte im einzigen Hotel von Saint-Maximin-Marathon. Dieses Hotel führte ein Mann, dem es niemals in den Sinn gekommen wäre, seinen Namen zu ändern, und der sich weiterhin Constant Boyer nannte.

Boyer hatte eine Tochter, ein bezauberndes Geschöpf namens Christine; es kommt vor, dass solche Blumen auf Misthaufen erblühen, solche Perlen sich im Kehricht finden.

In Saint-Maximin-Marathon gab es weder Unterhaltung noch Gesellschaft, doch weder das eine noch das andere entbehrte Lucien-Brutus, denn Christine Boyer ersetzte ihm beides.

Sie war jedoch ebenso klug wie schön; es gab keine Möglichkeit, sie zur Geliebten zu machen, und in einem Augenblick der Liebe und des Verdrusses heiratete Lucien sie, und Christine Boyer wurde nicht zu Christine Brutus, sondern zu Christine Bonaparte.

Der General des 13. Vendémiaire, der über seine Zukunft allmählich klar sah, war außer sich vor Zorn. Er schwor, dem Ehemann niemals zu verzeihen, die Ehefrau niemals kennenzulernen, und schickte das Paar nach Deutschland, wo er Lucien eine bescheidene Position gab.

Später wurde er milder, empfing die Ehefrau und hatte nichts dagegen, seinen Bruder Lucien-Brutus, der nunmehr Lucien-Antoine hieß, anlässlich des 18. Brumaire wieder in die Arme zu schließen.  

Diese Brüder Bonapartes waren wie gesagt Joséphines Erzfeinde, weshalb sie Louis auf ihre Seite ziehen und als Bollwerk gegen die anderen benutzen wollte, indem sie ihn mit Hortense verheiratete.

Hortense wehrte sich gegen dieses Vorhaben mit aller Macht. Louis war zu jener Zeit ein hübscher junger Mann mit sanftem Blick und freundlichem Lächeln; er glich seiner Schwester Caroline, die vor Kurzem Murat geheiratet hatte, und war fast noch ein Kind mit seinen knapp zwanzig Jahren. Er liebte Hortense nicht, er verabscheute sie nicht, sondern tat, was man ihn hieß.

Hortense wiederum verabscheute nicht Louis, sondern liebte Duroc.

Was sie Claire de Sourdis anvertraute, machte dieser Mut, sich ihr ebenfalls zu öffnen. Leider hatte sie nicht viel zu erzählen.

Sie liebte, wenn man es so nennen will – besser gesagt, sie schwärmte für einen schönen jungen Mann von drei- oder vierundzwanzig Jahren. Er war blond, hatte schöne schwarze Augen, für einen Mann etwas zu ebenmäßige Züge, kleine Hände und Füße wie eine Frau und war alles in allem so vollendet beschaffen, von solcher Harmonie und Ausgewogenheit, dass man wohl ahnen konnte, dass diese dem Anschein nach so zerbrechliche Hülle geradezu herkulische Kräfte barg: Zu einer Zeit, als Chateaubriand und Byron noch nicht den Typus eines René oder Manfred in Mode gebracht hatten, war die bleiche Stirn des jungen Hector von einem seltsam schwermütig stimmenden Schicksal gezeichnet, denn in seiner Familie wurde von schrecklichen Überlieferungen gemurmelt, über die niemand Genaueres wusste und die sich hinter dem jungen Mann abzeichneten wie Blutspuren, obwohl er noch nie übertriebene Trauer um jene Verwandten bezeigt hatte, die der Republik zum Opfer gefallen waren, und auf jenen Bällen und geselligen Veranstaltungen, die den Grimm der Verstorbenen besänftigen sollten, noch nie seinen Schmerz und Kummer zur Schau gestellt hatte. Zudem hatte er es nicht nötig, durch exzentrisches Gebaren Blicke auf sich zu ziehen, wenn er sich in Gesellschaft begab, denn wie von allein hefteten sich aller Blicke auf ihn. Nie war es seinen Gefährten – nicht unbedingt im Vergnügen, sondern eher Jagd- und Reisegefährten – gelungen, ihn zu einer der Unternehmungen junger Leute zu verlocken, auf die sich selbst die Sprödesten wenigstens einmal im Leben einlassen, und niemand konnte sich entsinnen, ihn jemals auch nur lächeln gesehen zu haben, geschweige denn offen und fröhlich lachen.

Früher einmal waren die Sainte-Hermines den Sourdis verwandtschaftlich verbunden gewesen, und wie es in großen Häusern üblich ist, war die Erinnerung an diese Verbindung beiden Familien teuer geblieben. Und so hatte der junge Sainte-Hermine, wenn er sich zufällig in Paris aufhielt, es nie versäumt, Madame de Sourdis nach ihrer Rückkehr aus den Kolonien einen förmlichen Höflichkeitsbesuch abzustatten.

Seit einigen Monaten begegneten die jungen Leute einander in der Gesellschaft, doch außer Grüßen, wie die Etikette sie verlangte, hatten sie keine weiteren Worte gewechselt, und die knappen Begrüßungen wurden insbesondere seitens des jungen Mannes mit auffallender Nüchternheit geäußert. Blieben die Münder auch stumm, hatten die Augen doch umso beredter gesprochen. Hector hatte seine Blicke nicht annähernd so im Zaum wie seine Worte, und jedes Mal wenn er Claire begegnete, sagten seine Blicke ihr, wie schön und wie begehrenswert sie ihm erschien.