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Bei den ersten Begegnungen hatten diese seelenvollen Blicke Claire im Innersten berührt, und da Sainte-Hermine ihr als vollendeter Kavalier erschien, hatte sie unwillkürlich begonnen, ihn ebenfalls selbstvergessen zu betrachten; dann hatte sie gehofft, er werde beim ersten Ball mit ihr tanzen und ein Wort oder Händedruck werde seinen so sprechenden Blicken zu Hilfe kommen. Doch merkwürdigerweise und für diese Zeit ungewöhnlicherweise war Sainte-Hermine, dieser elegante Kavalier, der sich mit Saint-Georges im Kampf übte, der mit Pistolen schoss wie Junot oder Fournier, kein Tänzer.

Dies war eine weitere Besonderheit neben all den anderen; auf den Bällen, die er besuchte, stand Sainte-Hermine kühl und unbewegt in einer Fensternische oder in einer Ecke des Salons, Gegenstand der Verwunderung aller tanzwütigen jungen Leute, die sich fragten, welches Gelübde ihnen einen so eleganten Tänzer vorenthalten mochte, der immer mit so vollendetem Geschmack nach der neuesten Mode gekleidet war.

Noch unverständlicher war Claire die halsstarrige Zurückhaltung des Grafen von Sainte-Hermine ihr gegenüber, zumal ihre Mutter den jungen Mann ganz besonders ins Herz geschlossen zu haben schien und nur Gutes über seine von der Revolution dezimierte Familie und über ihn selbst zu sagen hatte. Geld konnte kein Hindernis für eine Ehe zwischen ihnen sein. Beide waren Einzelkinder, und ihrer beider Vermögen waren ungefähr gleich groß.

Man kann sich denken, welchen Eindruck im Herzen dieses kreolischen jungen Mädchens eine solche Verbindung körperlicher und seelischer Eigenschaften bewirken musste, wie sie der geheimnisvolle schöne junge Mann besaß, dessen Bild Claires Erinnerung heimsuchte und im Begriff war, sich ihres Herzens zu bemächtigen.

Hortense hatte ihre Wünsche und Hoffnungen schnell genug offenbart: Duroc zu heiraten, den sie liebte, und Louis Bonaparte, den sie nicht liebte, nicht zu heiraten – so war das Geheimnis beschaffen, das sie ihrer Freundin anzuvertrauen hatte, was sie in wenigen Worten auch tat. Claires romantische Schwärmerei war nicht so leicht abzutun. Ausführlich schilderte sie ihrer Freundin Hectors Erscheinung und drang in das Geheimnis, das ihn umgab, so weit vor, wie sie konnte; erst als ihre Mutter zweimal nach ihr gerufen hatte und sie bereits aufgestanden war und Hortense zum Abschied umarmt hatte, sagte sie – ganz im Stil Madame de Sévignés, die der Ansicht war, das Postskriptum sei der wichtigste Teil eines Briefes – gewissermaßen als Postskriptum und als komme ihr der Gedanke in ebendiesem Moment: »Apropos, liebe Hortense, ich vergaß, Sie etwas zu fragen.«

»Und was?«

»Es heißt, Madame de Permon werde einen großen Ball geben.«

»Ja, Loulou hat mich mit ihrer Mutter besucht und hat uns persönlich eingeladen.«

»Werden Sie hingehen?«

»Aber gewiss.«

»Meine liebe Hortense«, sagte Claire im allerzärtlichsten Ton, »ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.«

»Um einen Gefallen?«

»Ja. Können Sie mir und meiner Mutter eine Einladung verschaffen? Wäre das möglich?«

»Aber sicherlich, das hoffe ich jedenfalls.«

Claire tat vor Freude einen Luftsprung.

»Oh, vielen Dank!«, sagte sie. »Wie werden Sie es anstellen?«

»Ich könnte Loulou um eine Einladung bitten, aber ich will es lieber über Eugène bewerkstelligen, denn er ist mit dem Sohn Madame de Permons eng befreundet und wird ihn um alles bitten, was Sie verlangen können.«

»Und ich werde zu dem Ball Madame de Permons eingeladen?«, rief Claire beglückt.

»Gewiss«, erwiderte Hortense; dann sah sie ihre Freundin aufmerksam an und fragte: »Wird er hingehen?«

Claire wurde kirschrot, senkte den Blick und flüsterte: »Ich glaube ja.«

»Du zeigst ihn mir, nicht wahr?«, sagte Hortense, zum vertraulichen »Du« wechselnd.

»Oh, du wirst ihn auch ohne Hilfe sofort erkennen, liebe Hortense! Habe ich dir nicht gesagt, dass man ihn in der größten Menschenmenge sofort bemerkt?«

»Wie ich es bedaure, dass er nicht tanzt!«, sagte Hortense.

»Und ich erst!«, seufzte Claire.

Die zwei jungen Mädchen umarmten einander zum Abschied, wobei Claire Hortense ermahnte, ihre Einladung nicht zu vergessen.

Drei Tage später erhielt Claire Sourdis das ersehnte Schreiben.

11

Der Ball bei Madame de Permon

Der Ball, für den sich Mademoiselle Hortenses Freundin eine Einladung erbeten hatte, war das Stadtgespräch der vornehmen Pariser Kreise jener Tage. Madame de Permon hätte ein viermal so großes Haus wie das ihre benötigt, um alle empfangen zu können, die ihren Ehrgeiz dareingesetzt hatten, an ihrer Abendgesellschaft teilzunehmen; sie hatte mehr als hundert Herren und mehr als fünfzig Damen abschlägig bescheiden müssen, doch als gebürtige Korsin, seit frühester Kindheit mit allen Mitgliedern der Familie Bonaparte engstens befreundet, erfüllte sie bereitwillig Eugènes Bitte, so dass Mademoiselle de Sourdis und ihre Mutter zwei Eintrittskarten erhielten.

Madame de Permon, deren Einladungen so begehrt waren, war trotz ihres bürgerlichen Namens eine der vornehmsten Damen der feinen Welt, denn sie stammte von den Comnènes ab, die Konstantinopel sechs Kaiser geschenkt hatten, Iraklion einen und Trabzon zehn.

Ihr Vorfahre Constantin Comnène hatte auf der Flucht vor den Muselmanen zusammen mit dreitausend treuen und ergebenen Gefolgsleuten zuerst im Taygetos-Gebirge Zuflucht gesucht und danach in den Bergen Korsikas, wo er sich dauerhaft niederließ, nachdem er dem Senat von Genua das Gebiet von Paomina, von Salogna und von Revinda abgekauft hatte.

Ungeachtet dieser kaiserlichen Herkunft hatte Mademoiselle de Comnène aus Liebe einen schönen Bürgerlichen namens Monsieur de Permon geheiratet, der vor zwei Jahren gestorben war und seine Witwe mit einem achtundzwanzigjährigen Sohn, einer vierzehnjährigen Tochter sowie zwanzig- bis fünfundzwanzigtausend Livres Rente zurückgelassen hatte.

Madame de Permons vornehme Herkunft in Verbindung mit ihrer bürgerlichen Heirat öffnete ihren Salon sowohl der alten Aristokratie als auch der entstehenden Demokratie, die sich im Kriegshandwerk, in den Künsten und in den Wissenschaften hervortat und sich auf diesen Gebieten Namen schuf, die es bald mit den berühmtesten der alten Monarchie aufnehmen sollten. In diesem Salon begegnete man einem de Mouchy, einem de Montcalm, dem Fürsten von Chalais, den beiden Brüdern de Laigle, Charles und Just de Noailles, den Montaigus, den drei Rastignacs, dem Grafen von Caulaincourt und seinen Söhnen Armand und Auguste, Albert d’Orsay und den Montbretons. Ein Sainte-Aulaire und Talleyrand sah sich in Tuchfühlung mit einem Hoche, Rapp, Duroc, Trénis, Laffitte, Dupaty, Junot, Anisson oder Laborde.

Mit ihren fünfundzwanzigtausend Livres Rente – einem Betrag, der heutigen fünfzigtausend Francs entspricht – konnte Madame de Permon sich eines der elegantesten und luxuriösesten Häuser von Paris leisten. Besonders verschwenderisch huldigte sie ihrer Vorliebe für Blumen und Pflanzen, ein damals wenig verbreiteter Geschmack. Das Haus glich einem wahren Treibhaus: Das Vestibül war mit Bäumen und Blumen so überreich ausstaffiert, dass von den Wänden nichts mehr zu sehen war, und zugleich so geschickt mit farbigem Glas beleuchtet, dass man sich in einem Feenpalast wähnte.

Zu jener Zeit versammelte man sich, um nach Herzenslust zu tanzen, und deshalb begannen die Bälle zu früher Stunde. Um neun Uhr abends waren die Empfangsräume Madame de Permons hell erleuchtet und geöffnet; die Dame des Hauses, ihre Tochter Laure und ihr Sohn Albert erwarteten die Gäste im Salon.

Madame de Permon, noch immer eine Schönheit, trug ein Kleid aus weißem Seidenkrepp, verziert mit doppelten Narzissenbüscheln. Das Kleid war im griechischen Stil geschnitten, an der Brust gekreuzt und an den Schultern mit zwei Diamantspangen gehalten; von Leroy in der Rue des Petits-Champs, dessen Kleider und Kopfbedeckungen besonders gefragt waren, hatte sie eine bauschige Toque aus weißem Krepp anfertigen lassen sowie Narzissenbüschel, ähnlich wie die an ihrem Kleid, die in ihrem jettschwarzen Haar steckten und aus den Falten der Toque hervorlugten. Vor sich hielt sie ein riesengroßes Bukett aus Narzissen und Veilchen, und als einzigen Schmuck trug sie an jedem Ohr einen Diamanten im Wert von fünfzehntausend Francs. Der Hut war von Leroy gefertigt und ihr von Charbonnier ins Haar drapiert, die Blumen stammten von Madame Roux, der hervorragendsten Pariser Floristin.