Nun gut! Beglückt hatte Mademoiselle de Beauharnais und stolz hatte Mademoiselle de Sourdis gesehen, dass der Graf von Sainte-Hermine, den man noch nie tanzen gesehen hatte, es an Können und Anmut mit den besten Tänzern unter den Anwesenden aufnehmen konnte.
Doch während Hortenses Neugier in dieser Hinsicht befriedigt war, plagte sie eine andere Ungewissheit nicht minder – hatte der junge Mann sich Claire anvertraut, hatte er ihr den Grund seiner früheren Schwermut, seines langen Schweigens und seines plötzlichen Frohsinns verraten?
Sie eilte zu ihrer Freundin und zog sie in eine Fensternische. »Was hat er dir gesagt?«, fragte sie atemlos.
»Etwas Wichtiges in Hinsicht auf das, was ich dir erzählt habe.«
»Darfst du es mir verraten?«
»Sicherlich.« Claire senkte die Stimme und sagte leise: »Er hat gesagt, er wolle mir ein Familiengeheimnis anvertrauen.«
»Dir?«
»Mir, niemandem sonst. Deshalb hat er mich gebeten, bei meiner Mutter die Erlaubnis zu erwirken, dass er als Verwandter eine Stunde lang mit mir sprechen darf, wenn nötig unter ihren Augen, doch außerhalb ihrer Hörweite. Sein Lebensglück hängt davon ab, wie er mir versichert hat.«
»Wird deine Mutter es erlauben?«
»Ich hoffe es, sie liebt mich so zärtlich. Ich habe ihm versprochen, noch heute meine Mutter um die Erlaubnis zu bitten und ihm ihre Antwort gegen Ende des Balls mitzuteilen.«
»Weißt du eigentlich, dass er sehr gut aussieht, dein Graf, und so göttlich tanzt wie Gardel?«
Die Musik stimmte eine neue Contredanse an und rief die beiden Mädchen auf ihre Plätze zurück, und es wurde noch leidenschaftlicher getanzt als zuvor.
Wie gesagt, waren die jungen Freundinnen mit den Tanzkünsten Monsieur de Sainte-Hermines hochzufrieden, doch der Reel, den er getanzt hatte, war nur eine gewöhnliche Contredanse. Tänzer, die man auf die Probe stellen wollte, mussten sich zu jener Zeit zwei Prüfungen unterziehen, der Gavotte und dem Menuett.
Hortense und Claire warteten auf die Darbietung des jungen Grafen bei der Gavotte, die er auf Verlangen der Mademoiselle de Beauharnais mit ihr tanzen würde.
Die Gavotte, die wir heute nur noch als historischen Tanz kennen, der uns zutiefst lächerlich erscheint, war unter dem Direktorium, unter dem Konsulat und sogar zur Zeit des Empire von herausragender Bedeutung. Wie sich der Schlangenleib, dem man den Kopf abgeschlagen hat, noch geraume Zeit windet, so konnte sich auch die Gavotte lange nicht zum Sterben entschließen; mit ihren höchst komplizierten und schwierig auszuführenden Figuren eignete sie sich eher für die Theaterbühne als für einen Salon. Ein Paar, das sie tanzte, benötigte viel Platz, und selbst in einem großen Ballsaal konnten kaum mehr als vier Paare gleichzeitig diesen Tanz ausführen.
Unter den vier Paaren, die in Madame de Permons großem Saal die Gavotte tanzten, erregten der Graf von Sainte-Hermine und Mademoiselle de Beauharnais den einhelligsten Beifall. Der Beifall war so laut, dass er Napoleon aus seinem Gespräch mit Monsieur de Talleyrand riss und aus dem Boudoir, in dem sie sich unterhielten, hinauslockte. Bei den letzten Tanzfiguren erschien er auf der Türschwelle und sah den Triumph Hortenses und ihres Partners.
Nach der Gavotte winkte Bonaparte Hortense herbei, die zu ihm trat und ihm die Stirn zum Kuss bot.
»Mein Kompliment, Demoiselle«, sagte Bonaparte, »man sieht, dass Sie Unterricht in diesen eleganten Künsten genossen haben und dass dieser Unterricht auf fruchtbaren Boden gefallen ist; aber wer ist der schöne junge Herr, mit dem Sie getanzt haben?«
»Ich kenne ihn nicht, General«, antwortete Hortense. »Ich habe ihn heute Abend zum ersten Mal gesehen. Er hat mich um den Tanz gebeten, als er kam, um Mademoiselle de Sourdis, mit der ich mich unterhielt, um einen Tanz zu bitten. Eigentlich hat er mich gar nicht um den Tanz gebeten, sondern gesagt, er stehe zu meinen Diensten, und ich habe erwidert, ich wolle die Gavotte tanzen und welcher Tanz es sein wird.«
»Aber seinen Namen werden Sie doch wissen?«
»Er ist der Graf von Sainte-Hermine.«
»Hm!«, sagte Bonaparte mit übellauniger Miene. »Schon wieder Faubourg Saint-Germain. Die gute Madame Permon kennt offenbar kein größeres Vergnügen, als ihr Haus mit meinen Feinden zu füllen. Beim Eintreten habe ich eine Madame de Contades in die Flucht gejagt, eine Irre, die mir nicht mehr Verdienste zugestehen will als dem einfachsten Unterleutnant meiner Armee; wenn die Rede auf meine Siege in Italien und Ägypten kommt, soll sie jedes Mal sagen, mit ihren Augen könnte sie das Gleiche ausrichten wie ich mit dem Schwert. Wie verdrießlich«, fuhr Bonaparte fort und fasste Hortenses Tanzpartner genauer ins Auge, »er gäbe einen herrlichen Husarenoffizier ab«, und dann schickte er Hortense mit einer Handbewegung zu ihrer Mutter zurück und sagte: »Monsieur de Talleyrand, Sie wissen doch so vieles, können Sie mir etwas über eine Familie Sainte-Hermine berichten?«
»Warten Sie einen Augenblick«, sagte Monsieur de Talleyrand, stützte das Kinn zwischen Zeigefinger und Daumen und legte den Kopf zurück, wie er es immer tat, wenn er nachdachte. »Im Jura, in der Gegend von Besançon, gibt es Sainte-Hermines. Ja, den Vater habe ich gekannt: ein ausgesprochen vornehmer Mann, wurde 1793 guillotiniert. Er hat drei Söhne hinterlassen. Was aus ihnen geworden ist? Ich weiß es nicht. Dieser junge Mann müsste einer der drei sein oder vielleicht ein Neffe, obwohl ich von einem Bruder des Vaters nie gehört habe. Soll ich mich eingehender erkundigen?«
»O nein, das ist die Sache nicht wert.«
»Es wäre nicht schwierig. Ich sah ihn vorhin, nein, er spricht immer noch mit Mademoiselle de Sourdis, und über ihre Mutter könnte ich ohne Weiteres -«
»Nein, nicht nötig. Vielen Dank! Und diese Sourdis, was sind das für Leute?«
»Bester Adel.«
»Das wollte ich nicht wissen. Wie denken sie?«
»Ich glaube, die Familie besteht nur noch aus zwei Frauen, die auf unserer Seite stehen oder sich nichts sehnlicher wünschen als das. Cabanis, der großen Einfluss auf sie hat, hat die Damen vor einigen Tagen erwähnt. Die junge Dame soll verheiratet werden, mit einer Million Mitgift, wenn ich mich nicht täusche. Das wäre nicht übel für einen Ihrer Adjutanten.«
»Sind Sie der Ansicht, dass Madame Bonaparte mit ihnen verkehren kann?«
»Selbstverständlich.«
»Das meinte Bourrienne auch; ich danke Ihnen. Aber was ist mit Loulou? Sie sieht aus, als wolle sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. Liebe Madame de Permon, welchen Tort tun Sie Ihrer Tochter an, ausgerechnet an diesem Tag?«
»Sie soll das Menuett der Königin tanzen und weigert sich.«
Bei den Worten »Menuett der Königin« musste Bonaparte lächeln.
»Und warum weigert sie sich?«
»Was weiß ich! Eine törichte Laune! Loulou, Sie sind ein dummes Kind, denn wozu haben wir Gardel und Saint-Amand als Tanzlehrer, wenn Sie daraus keinerlei Nutzen ziehen!«
»Aber, Mama«, erwiderte Mademoiselle de Permon, »nichts täte ich lieber, als dieses Menuett zu tanzen, obwohl ich es nicht ausstehen kann, aber ich wage nicht, es mit einem anderen Partner als mit Monsieur de Trénis zu tanzen, denn ihm habe ich diesen Tanz versprochen.«
»Und warum ist er dann nicht hier?«, fragte Madame de Permon. »Es ist eine halbe Stunde nach Mitternacht.«
»Er hat uns wissen lassen, dass er zwei andere Bälle vor dem unseren besuchen muss und erst sehr spät kommen könne.«