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»Verzeihen Sie, Monsieur«, sagte dieser, »aber Sie haben einen Ausruf unterdrückt, der unzweideutig mir galt; darf ich erfahren, was der Grund für diese Zurückhaltung war?«

»Oh, Monsieur«, sagte Roland, »der Grund für diese Zurückhaltung ist schlicht der, dass mein Gefährte mich am Rock gezogen hat und ich deshalb, um ihn nicht zu verärgern, darauf verzichtet habe, Sie als Schlingel zu titulieren, wie es meine Absicht war.«

»Wenn es Ihre Absicht war, mir diesen Schimpf anzutun, Monsieur, darf ich dann die Absicht für die Tat nehmen?«

»Wenn es Ihnen genehm ist, Monsieur...«

»Es ist mir genehm, denn es gibt mir Gelegenheit, Satisfaktion von Ihnen zu verlangen.«

»Monsieur«, sagte Roland, »mein Reisegefährte und ich sind in großer Eile, wie Sie unschwer sehen können; wenn Sie aber meinen, eine Stunde würde uns genügen, um unsere Meinungsverschiedenheit auszutragen, dann würde ich bereitwillig diese Stunde Verspätung auf mich nehmen.«

»Eine Stunde wird genügen, Monsieur.«

Roland salutierte und eilte zur Postkutsche.

»Aha«, sagte Bonaparte. »Du schlägst dich?«

»Ich konnte nicht anders, General«, erwiderte Roland. »Aber mein Gegner ist sehr entgegenkommend; es wird nicht länger dauern als eine Stunde. Sobald wir fertig sind, nehme ich ein Pferd und werde Sie gewiss bis Lyon eingeholt haben.«

Bonaparte zuckte die Schultern.

»Raufbold!«, sagte er; dann reichte er ihm die Hand und fügte hinzu: »Sieh zu, dass du wenigstens nicht ums Leben kommst, ich brauche dich in Paris.«

»Ach, seien Sie unbesorgt, General, zwischen Valence und Vienne werden Sie mich wiedersehen.«

Bonaparte fuhr ab.

Eine Meile hinter Valence hörte er ein Pferd im Galopp und ließ die Kutsche anhalten.

»Ach, Roland, du bist es«, sagte er. »Offenbar ist alles gut ausgegangen.«

»Ganz ausgezeichnet«, sagte Roland, der die Miete für das Pferd entrichtete.

»Hast du dich geschlagen?«

»Ja, mein General.«

»Und wie?«

»Mit Pistolen.«

»Und?«

»Ich habe ihn erschossen, mein General.«

Roland nahm wieder seinen Platz neben Bonaparte ein, und die Postkutsche folgte im Galopp ihrem Weg. 

4

Der Sohn des Müllers von der Guerche

Bonaparte benötigte Roland in Paris, damit er ihm half, den 18. Brumaire zu inszenieren. Nach diesem erfolgreichen Coup kam ihm wieder in Erinnerung, was er mit eigenen Augen und Ohren an der Wirtstafel in Avignon erlebt hatte. Er beschloss, die Compagnons de Jéhu unerbittlich zu verfolgen, und bei der ersten Gelegenheit schickte er ihnen Roland mit unbeschränkten Vollmachten auf den Hals.

Im weiteren Verlauf dieses Buches werden wir sehen, was es mit dieser Gelegenheit auf sich hatte, ermöglicht durch eine Frau, die sich rächen wollte, nach welch fürchterlichem Kampf die vier Anführer der Vereinigung Roland in die Hände fielen, und wie sie ihr Ende fanden, ohne das Ansehen zu entehren, das sie sich geschaffen hatten.

Roland kehrte im Triumph nach Paris zurück. Nun ging es darum, Cadoudal nicht etwa gefangen zu nehmen, denn man wusste, dass dies unmöglich war, sondern zu versuchen, ihn für die Sache der Republik zu gewinnen.

Wieder wurde Roland von Bonaparte mit diesem Auftrag betraut.

Roland machte sich auf den Weg, holte in Nantes Erkundungen ein, schlug den Weg nach La Roche-Bernard ein, und nachdem er dort abermals Erkundungen eingezogen hatte, machte er sich in Richtung des Dorfs Muzillac auf.

In der Tat befand sich dort Cadoudal.

Betreten wir mit Roland das Dorf, nähern wir uns der vierten Hütte zur Rechten, heften wir unser Auge auf einen Schlitz des Fensterladens, und sehen wir uns um.

Vor uns haben wir einen Mann im Gewand der wohlhabenden Bauern des Morbihan. Kragen, Knopflöcher und Hutkrempe säumt lediglich eine fingerbreite Goldborte. Der Rock ist aus grauem Tuch gefertigt, mit grünem Kragen. Vervollständigt wird die Kleidung des Mannes durch eine bretonische Hose und lederne Gamaschen, die bis zum Knie reichen.

Auf einem Stuhl liegt sein Säbel, auf dem Tisch und in Reichweite ein Paar Pistolen. In den Läufen einiger Karabiner spiegelt sich ein lebhaftes Kaminfeuer.

Cadoudal sitzt an dem Tisch, auf dem seine Pistolen liegen; der Schein einer Lampe beleuchtet sein Gesicht und die Papiere, die er aufmerksam liest. Sein Gesicht ist das eines Dreißigjährigen: eine offene und fröhliche Miene, eingerahmt von blonden Kräusellocken, beseelt von großen blauen Augen; ein Lächeln würde zwei Reihen weißer Zähne enthüllen, die Zange oder Bürste des Zahnarztes noch nie berührt haben.

Wie Du Guesclin, dessen Landsmann er ist, hat er einen großen runden Kopf, und deshalb ist er als General Rundkopf ebenso bekannt wie als Georges Cadoudal.

Sein Vater war Landwirt in dem Kirchspiel Kerléano, und Georges hatte am Gymnasium von Vannes eine ausgezeichnete Schulbildung erhalten, als in der Vendée die ersten royalistischen Aufstände aufflackerten. Cadoudal erfuhr davon, sammelte seine Jagd- und Zechkumpane, überquerte an ihrer Spitze die Loire und bot Stofflet seine Dienste an.

Als ehemaliger Jagdaufseher Monsieur de Mauleviers hatte Stofflet seine Vorbehalte gegenüber dem Adel und noch mehr gegenüber dem Bürgertum; bevor er sich mit Cadoudal verbündete, wollte er wissen, worauf er sich einließ, und Cadoudal war begierig, sich im Kampf zu beweisen.

Schon am nächsten Tag kam es zu einem Gefecht. Als Stofflet sah, wie die Weißen vorpreschten, ohne sich um Bajonette und Kugelhagel zu scheren, sagte er unwillkürlich zu Monsieur de Bonchamps, der sich neben ihm befand: »Wenn dieser Rundkopf kein Loch in den Schädel bekommt, wird er es noch weit bringen.«

Seit dieser Zeit haftete Cadoudal der Name Rundkopf an.

Georges kämpfte in der Vendée bis zur Niederlage von Savenay, bei der die Hälfte der Aufständischen den Tod fand und die andere Hälfte sich in alle Winde zerstreute.

Nachdem er drei Jahre lang wahre Wunder an Kraft, Gewandtheit und Tapferkeit vollbracht hatte, überschritt er die Loire abermals und kehrte in das Morbihan zurück.

In seinem Geburtsland führte Cadoudal auf eigene Rechnung Krieg. Als Oberbefehlshaber, den seine Soldaten vergötterten und dem sie bedingungslos gehorchten, erfüllte er Stofflets Prophezeiung; er trat die Nachfolge eines La Rochejacquelein, d’Elbée, Bonchamps, Lescure, Charette und sogar Stofflets selbst an, und seither kann er es an Ruhm mit ihnen aufnehmen und ist ihnen an Macht sogar überlegen, da er fast der Einzige ist, der noch gegen die Herrschaft Bonapartes kämpft, der seit zwei Monaten Erster Konsul ist und im Begriff steht, die Schlacht von Marengo zu schlagen.  

Vor drei Tagen hat Cadoudal erfahren, dass General Brune, der Sieger von Alkmaar und von Castricum, der Retter Hollands, zum Oberfehlshaber der republikanischen Armeen im Westen ernannt wurde und in Nantes eingetroffen ist mit dem Auftrag, ihn, Cadoudal, und seine Chouans zu vernichten, koste es, was es wolle.

Nun denn! Cadoudal muss dem Oberbefehlshaber zeigen, dass er keine Furcht kennt und dass man mit Einschüchterungsversuchen bei ihm überhaupt nichts ausrichten kann.

Müßig spielt er mit dem Gedanken an aufsehenerregende Aktionen, durch die man die Republikaner aus der Fassung bringen könnte, doch schon bald hebt er den Kopf, denn er hört ein Pferd galoppieren. Der Reiter gehört zu seinen Männern, denn er hat ungehindert die Chouans passiert, die an der Straße von La Roche-Bernard auf der Lauer liegen, und Muzillac erreicht.

Der Reiter hält vor der Tür des Häuschens, in dem Georges sich befindet, betritt die Gasse und sieht sich seinem Anführer gegenüber.

»Ah, du bist es, Branche-d’Or«, sagte Cadoudal. »Wo warst du?«