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»Für mich war das heute aber eine echte Enthüllung«, meinte Witold, »diese Story hat er mir noch nie erzählt.«

»Wenn sie überhaupt wahr ist«, fauchte Scarlett, »es ist doch äußerst kränkend für mich, wenn er immer in meiner Gegenwart von gehabten Liebesfreuden redet, und geradezu scheußlich finde ich seine Klagen, daß es damit vorbei ist.«

»Du mußt dich rächen«, schlug Witold vor. »Denkst du auch noch oft an Portugal?«

Beide schwiegen.

Pamela Schröder fragte schließlich: »Wo hast du eigentlich diese alte Schachtel auf getrieben?«

»Wen meinst du?«

»Na, diese Thyra, wie sie sich affigerweise nennt.«

»Aus deinen Worten spricht der blanke Neid, weil du in diesem Kreis nicht mehr die Königin der Exotennamen bist.

Ich habe sie in Weinheim auf der Kerwe kennengelernt.«

»Rainer, jetzt lügst du. Solche hölzernen Gretchen lassen sich nicht auf der Kirmes ansprechen.«

»Sie war ja auch nicht allein dort. Hat Ernst dir nicht davon erzählt? Als du in Amerika warst, sind Ernst und ich auf die Kerwe gegangen und haben dort Thyra und ihre Freundin zufällig kennengelernt.«

»Ach ja, die Freundin ist doch die, die vom Turm gefallen wurde?«

»Stimmt, Beate hieß sie, eine wirklich nette Frau. Wie die Sache mit dem Turm nun de facto war, kriegt nicht mal unsere Superpolizei heraus.«

»Rainer, du hast es raffiniert eingefädelt, auf diesem Elsaß-Trip deine Fans um dich zu scharen…«

»Gehörst du etwa dazu?«

Scarlett lachte und verlangte Feuer für die zweite Zigarette.

»Ich habe eben ein Rascheln gehört«, sagte sie zu meinem Schrecken.

»Mäuse, Katzen, Löwen und Tiger. Und außerdem der eifersüchtige Ernst mit einem Hirschfänger«, scherzte Witold.

»Ach, wenn er doch eifersüchtig wäre! Ich habe das Gefühl, es interessiert ihn gar nicht, was ich so treibe.«

»Sollen wir das mal wieder testen?« schlug Witold vor.

»Auf so ein Angebot warte ich schon lange«, erwiderte Scarlett, »und als erstes könntest du mich etwas wärmen, es wird nämlich kalt hier draußen.«

Witold schien den Arm um sie zu legen, die beiden Zigaretten waren sich sehr nahe. Ich hatte Lust, beide auf der Stelle zu lynchen.

»Um wieder auf deine Verehrerin zu kommen«, begann Scarlett erneut, »merkst du gar nicht, daß sie alles täte, um deine Gunst zu erringen?«

»Na und, will das nicht jede Frau?« fragte Witold frech.

Scarlett schien ihn zu mißhandeln, denn er schrie etwas zu laut: »Au, bist du verrückt!«

»Und die liebe Kitty hast du dir auch unterworfen. Hast du eigentlich mal mit ihr geschlafen?«

»Mein Gott, Scarlett, du muß mich ja wahnsinnig lieben, daß du so viel Eifersucht produzierst!«

»Du Hund von einem trauernden Witwer! Irgendeine Frau hast du, das spüre ich genau. Oder war es etwa diese Beate?«

»Nicht schlecht geraten. Aber, liebe Scarlett, du dürftest allmählich bemerkt haben, daß ich das Alter unter dreißig bevorzuge!«

Mitten in diesem Geplänkel fing sie an zu schluchzen. Das Weib war raffiniert, denn auf der Stelle brach Witolds Tröster-und Helfernatur durch, — er flüsterte und schien sie zu liebkosen.

Mir war, als würde mein Herz zerschnitten. Diese Frau hatte einen netten Mann und zwei Kinder, sie hatte Schönheit und Temperament, Geld und Freunde. Warum nahm sie sich diesen Mann, wo sie doch wußte, daß Kitty und ich ihn brauchten.

Ganz leise und sanft sagte sie: »Im Auto ist es ein bißchen wärmer!«

Jetzt schlichen die beiden davon, so wie ich vorhin herbeigeschlichen war. Kurze Zeit später hörte ich den Motor von Witolds Auto. Anscheinend hatten sie wenigstens den Anstand, es nicht direkt auf dem Parkplatz zu treiben.

Ich brauchte nun nicht mehr zu schleichen. Zitternd ging ich wieder ins Haus und legte mich neben Kitty, die Ahnungslose.

Ich wartete. Zwei Stunden waren vergangen. Kitty schnarchte diskreter, ich schlief immer wieder sekundenlang ein, wachte aber sofort mit dem Entsetzen auf, daß ich meinen Kampf um Rainer Witold Engstern verloren hatte. Nicht an Vivian, die junge, auch nicht an Kitty, der ich den Sieg um ein Haar gegönnt hätte, sondern an eine Teufelin. Im Mittelalter hätte man sie verbrannt.

Ich mochte doch etwas länger geschlafen haben. Plötzlich meinte ich, von einem Geräusch geweckt worden zu sein. Kitty atmete ruhig; war Scarlett zurückgekommen und im Bett? Ich knipste das Lämpchen an. Es war halb vier, das Zusatzbett war leer. Mein ebenfalls leerer Magen knurrte, ich empfand brennenden Durst. Ich machte das Licht wieder aus und tappte die vier Schritte zur Badezimmertür, um Wasser zu trinken.

Die Bäder waren in diesem alten Haus nachträglich eingebaut worden. Man hatte von dem an sich großen Raum eine Ecke abgeknapst und in ein Mini-Bad verwandelt. Auf abenteuerliche Weise war es dem Architekten gelungen, ein schwenkbares Bidet, eine kleine Wanne, Klo und Waschtisch unterzubringen und somit den Vorschriften Genüge zu leisten.

Im Bad brannte Licht, aber es war nicht abgeschlossen.

Scarlett lag in der Wanne. Ich starrte sie an wie ein Gespenst.

Sie war ein wenig verlegen.

»Komm ruhig rein«, sagte sie, »ich schließe nie ab. Ich war so durchgefroren, da hilft mir nur ein heißes Bad.«

Ich nahm das Zahnputzglas und füllte es mit Wasser.

»Du warst nicht im Bett?« fragte ich.

Sie reagierte gereizt und aggressiv. »Wenn du es schon weißt, warum fragst du dann.«

In mir kochte es. »Du denkst wohl, eine alte Schachtel, ein hölzernes Gretchen, müßte gleichzeitig auch noch blöde sein?

Ich weiß, mit wem du draußen warst.«

Scarlett war kampfbereit. »Du hast uns belauscht«, stellte sie fest, »und zwar, weil du ihn selber willst. Pfui Spinne, ich finde das zum Kotzen!«

»Scarlett, wie du dich affigerweise nennst, was du gemacht hast, ist natürlich edel und anständig«, konterte ich.

»Ich habe wirklich nichts Unrechtes getan«, sagte sie, »aber wenn prüde und zu kurz gekommene Jungfern hinter allem und jedem Sünde wittern und andere Menschen belauschen, dann ist das für mich der Inbegriff von Schlechtigkeit.«

Ich schnaubte vor Haß und rang nach Worten, um es ihr heimzuzahlen.

Scarlett hob ihren hübschen kleinen Fuß mit den rotlackierten Zehnägeln hoch und betrachtete ihn zufrieden.

»Was war mit Beate?« fragte sie.

Mir stockte der Atem. »Wieso?«

»Sie hat was mit Rainer gehabt«, fabulierte das Biest, »und du hast sie aus Neid vom Turm gestoßen.«

Ich griff nach dem elektrischen Lockenstab, den Scarlett bei ihrem abendlichen Aufputz benötigt hatte. Der Stecker war eingeschaltet. Blitzschnell fegte ich ihn in die volle Badewanne.

Durch den Kurzschluß ging die Spiegelleuchte aus, aber die Deckenlampe zum Glück nicht. Scarlett wurde ohnmächtig.

Oder war sie tot?

Ich schloß geistesgegenwärtig die Tür ab. Ob Kitty von unserem — nicht sehr lauten — Gespräch wach geworden war?

Was sollte ich nun machen?

Ich zog den Stecker aus der Steckdose, den Lockenstab aus der Wanne. Ich besah mir die Nackte und fühlte den Puls, war mir aber nicht ganz sicher, ob ich ihn schwach spüren konnte oder nicht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, daß sie lebte. Sie würde bald zu sich kommen, schreien, mich verraten: Nicht nur, daß ich sie ermorden wollte, sondern auch die Sache mit Beate.

Meine Ärmel durften nicht naß werden. Ich krempelte sie hoch, setzte mich auf den Wannenrand und schob ihren Kopf langsam hinunter, bis er ganz unter Wasser war, dafür aber die Beine aus der kleinen Wanne ragten. Ich sah auf die Uhr und hielt den Kopf eine gute Viertelstunde in dieser Lage. Scarlett bewegte sich nicht. Die Augen stierten mir grün zwischen den roten, tangartigen Haarsträhnen entgegen, ihr sommersprossiger Körper erschien mir lappig und schwammig.

Sie war tot.

Ich trocknete mir gründlich die Arme ab, wickelte Scarletts Lockenstab in ein Hotelhandtuch und lauschte am Schlüsselloch, ob irgendwelche Laute von Kitty zu vernehmen waren. Nichts zu hören. Vorsichtig drehte ich den Schlüssel herum und öffnete unendlich leise die Tür. Kitty schlief fest wie seit Stunden. Mit dem Lockenstab im Handtuch schlüpfte ich aus dem Bad, schloß die Tür, tastete mich an meinen Koffer und versteckte das feuchte Bündel unter meinen Kleidern. Dann versuchte ich, mich ohne die geringste Erschütterung auf das Bett gleiten zu lassen. Kitty drehte sich ein wenig und murmelte »Rainer«.