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Wir sind beide in diesem Fall schuldig geworden. Die nächste war Beate, deine Freundin, die ich durch dich kennengelernt habe und deren Tochter meine Geliebte wurde. Ein Zufall, könnte man sagen. Bei der dritten, die die Frau meines Freundes war, sind wir beide während ihres Sterbens nur wenige Meter entfernt gewesen. Ist das auch ein Zufall?« Er fing nervös ein fallendes Blatt auf.

»Wenn ich abergläubisch wäre«, fuhr er fort, »würde ich denken, daß wir — du und ich —, wenn wir zusammen sind, eine geheimnisvolle und unheilvolle Macht ausüben. Aber ich glaube nicht an Übersinnliches. Trotzdem, mir sind diese drei Todesfälle nicht geheuer. Ich weiß, am ersten bin ich selbst schuld. Aber die zwei anderen haben eine gewisse Parallelität dazu — auch da waren es Frauen, die weder krank noch alt waren und auf eine unnatürliche Weise umkamen. Was sagst du dazu?«

Ich überlegte. »Abergläubisch bin ich auch nicht. Es ist mir unvorstellbar, daß wir beide quasi als Todesengel Verderben bringen sollen. Wie könnte das vor sich gehen?«

Witold flüsterte, kaum hörbar: »Mord.«

»Einmal war es Totschlag im Affekt, zweimal war es ein Unfall«, antwortete ich kühl. »Der Unfall auf dem Turm war freilich spektakulär. Der in der Badewanne aber — statistisch gesehen — eigentlich nicht. Die meisten Unfälle, das weiß ich besser als du durch meine Arbeit in der Versicherung, geschehen nicht im Verkehr und Beruf, sondern im häuslichen Milieu.«

Witold gab sich damit zufrieden oder tat wenigstens so.

10

Am nächsten Tag fuhren wir nach einer Nacht mit qualvollen Träumen zur Polizei. Die Protokolle waren auf französisch abgefaßt, ordentlich getippt und zur Unterschrift bereit. Witold übersetzte, und wir unterschrieben. Danach fuhren wir zurück ins Hotel, Kitty und ich packten.

»Ich meine, Scarlett hatte irgendwo einen Lockenstab rumliegen«, sagte Kitty.

»So?« fragte ich.

Sie sah sich um, zuckte mit den Schultern. »Na, vielleicht hatte sie ihn schon eingepackt. Die Polizei hat ja ihren Koffer.

Wahrscheinlich suchen sie nach Drogen oder so was, wo sie doch Apothekersfrau ist.«

Wir verabschiedeten uns von den Männern. Witold tat mir nun doch leid, wie er sich käsebleich und schlecht rasiert die achte Tasse schwarzen Kaffee eingoß und die schwere Aufgabe nun vor ihm stand, mindestens für einen weiteren Tag dem trauernden Ernst zu helfen.

Kitty fuhr ruhig und zügig. Sie sprach wenig, was mir sehr recht war. Jede von uns hing ihren Gedanken nach.

»Magst du den Rainer?« fragte sie plötzlich sehr direkt.

»Schon«, sagte ich vorsichtig.

Sie lachte ein wenig.

»Wir fallen alle auf ihn rein. Warum soll es dir anders gehen als mir. Er ist ein lieber Freund, wenn man damit zufrieden ist.

Und wenn ich dir einen guten Rat geben soll, versuche, damit zufrieden zu sein.«

Ich hätte Kitty gern alles erzählt, so wie ich früher gern alles Beate anvertraut hätte. Aber über meine Liebe konnte ich nicht sprechen, denn sie war schließlich das Motiv für meine Verbrechen. Ganz klar war mir das aber selber nicht.

»Ach Kitty…«, begann ich, und tat mich so schwer, wie Witold am Abend zuvor.

»Kitty, ich laufe den Männern nicht mehr nach. An dieser Wanderung reizte mich die gemischte Gesellschaft, so etwas hatte ich vorher noch nie ausprobiert.«

»Ja, das verstehe ich. Nimm’s mir nicht krumm, daß ich so daherrede. Ich wollte dir nicht zu nahe treten.«

»Ist schon gut, Kitty. Übrigens fahre ich gern mit dir Auto, du tust das so souverän.«

»Gut, daß ich nicht den dicken Apothekerschlitten fahren muß, dann wäre ich bestimmt nicht souverän.«

Kitty brachte mich vor Witolds Tür, wo mein Wagen stand.

Sie gab mir die Hand und bedauerte, daß diese Elsaßreise so traurig zu Ende gegangen war.

Ich nahm meinen Koffer, fuhr Richtung Mannheim und überlegte fieberhaft, wie ich als erstes den elektrischen Lockenstab loswerden könnte. Ich hielt am Neckarufer, holte das Corpus delicti aus dem Koffer und steckte es in die Handtasche. Dann ging ich einen Feldweg entlang und warf das Ding an einer geschützten Stelle ins Wasser.

Als ich etwa zwei Stunden zu Hause war, rief Witold an. Er meinte, Ernst und er könnten am nächsten Tag auch heimfahren. Die Leiche würde von Frankreich aus nach Ladenburg überführt. Die Polizei habe allerdings noch eine Frage: In Scarletts Gepäck befände sich die Schachtel für einen elektrischen Lockenstab, der aber nicht darinläge. Ob wir — Kitty und ich — diesen Gegenstand versehentlich eingesteckt hätten. Ich verneinte, sagte jedoch, daß auch Kitty ihn irgendwo gesehen zu haben glaubte.

»Also war das Ding mit auf der Reise?« überlegte Witold.

»Ich hatte nämlich die Idee, daß Scarlett aus Schlamperei nur die leere Schachtel mitgenommen hatte. Na ja, ich weiß weder, wie so ein Ding aussieht, noch, warum sich die Polizei dafür interessiert.«

Er verabschiedete sich und versprach, sich bald wieder zu melden.

Hinterher ärgerte ich mich. Vielleicht wäre es richtig gewesen zu behaupten, daß ich den Lockenstab eingepackt hätte. Ein neuer wäre schnell gekauft gewesen. Andererseits hatte ich keine Ahnung, welche Marke und welches Alter Scarletts Lockendreher hatte. Es würde wahrscheinlich noch viel verdächtiger aussehen, wenn das Gerät nicht zu der Originalschachtel paßte. Trotzdem war ich beunruhigt und nervös. Zum Glück hatte ich noch zwei freie Tage; ich wollte sie ganz zu meiner körperlichen und seelischen Regeneration verwenden.

Am nächsten Tag rief Frau Römer an. Ob sie mal reinschauen könne? Sie kam also nachmittags, der Dieskau lag mir in den Armen und rührte mich. Frau Römer begann vorsichtig, auf ihre geplante Amerikareise zu verweisen. Ich versicherte, daß mir der Hund jederzeit willkommen sei, und Frau Römer war beglückt. Wenn das wirklich so wäre, wollte sie demnächst einen Flug buchen und dann drei Wochen bei ihrer Tochter in Amerika bleiben. Ich ermutigte sie, ruhig doppelt so lange zu verreisen, denn wenn man schon einmal dort war… Bei dieser Gelegenheit fragte ich sie auch, ob ihre Tochter wisse, wer ihr Vater sei. Nein, sie glaube, ihr Vater sei tot.

Übrigens trug ich an diesem Nachmittag die Brosche, um Frau Römer zu ehren. Ich hatte sie Ernst Schröder noch nicht übergeben, plante aber, sie ihm nach der Beerdigung zu schicken. Frau Römer war glücklich, daß ich das wertvolle Stück angesteckt hatte.

Sie erzählte von ihrem alten Hund, der anscheinend nicht mehr gut sehen und riechen konnte.

»Als junger Hund war der Dieskau ein großer Katzenjäger.

Überhaupt fegte er hinter allem her, was sich bewegte, auch hinter Vögeln. Bei zunehmender Erfahrung hat er das wenigstens aufgegeben.« Sie lachte vor sich hin.

»Einmal, als er noch sehr jung und dumm war, nahm ich ihn mit auf einen Segel- und Sportflugplatz. Von weitem konnte man sehen, wie so ein Riesenvogel auf die grüne Wiese zuflog und sanft landete. Der Hund war nicht an der Leine und schoß davon, um diese Beute zu fangen. Ich natürlich hinter ihm her, denn er war unter der Absperrung durchgewitscht. Mit viel Geschrei und Gerufe gelang es mir, ihn zurückzukommandieren.

Na, sagte ich, was hättest du denn mit diesem Vogel gemacht, du kleiner Hund, wenn du ihn erwischt hättest?«

Ich lachte auch ein wenig, pflichtgemäß.

Frau Römer fuhr fort: »Später kam mir dieses Bild oft wie ein Symbol vor. Auch ich, beziehungsweise alle Menschen, rasen hinter einem großen Ziel her, wollen unbedingt alles haben und erkennen ebensowenig wie der kleine Hund, daß diese Beute das falsche Kaliber hat und wir gar nichts damit anfangen könnten.«

Sie sah mich an und meinte: Ȇbrigens, was ganz anderes!

Gehen Sie mal zum Arzt, Frau Hirte, Sie gefallen mir in letzter Zeit gar nicht.«

Ich lag an diesem freien Tag hauptsächlich im Bett. Am Sonntag abend ließ Witold von sich hören, Kitty hatte sich gar nicht gemeldet. Ernst und er seien wieder zu Hause. Die Apotheke sei geschlossen. Ernst beschäftige sich intensiv mit seinen Kindern.