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»Ja, das hat sie mir anvertraut. Aber Beate hat keinen Zweifel daran gelassen, daß diese Verliebtheit bisher eine einseitige Angelegenheit war. Wenn sie mit Herrn Engstern eine Verabredung gehabt hätte, hätte sie es mir vielleicht gesagt. Sie hat aber nicht!«

Der Kriminalbeamte sah mich aufmerksam an, er schien noch weitere Zweifel zu haben.

»Der Einkaufszettel Ihrer Freundin lag in ihrem Portemonnaie, der Korb mit den Wochenendeinkäufen stand im Auto. Den Sekt kann sie natürlich von zu Hause mitgenommen haben, aber das Essen stammte nicht von ihr, daß muß jemand anderes mitgebracht haben. Der Metzger, bei dem sie ihren Sauerbraten gekauft hat, verkauft nämlich keine fertig gegrillten Hähnchen. Woher wußten Sie eigentlich, daß Beate Sperber Grillhähnchen gegessen hat?«

»Habe ich das gesagt?« fragte ich.

»Sie haben es zu Herrn Engstern gesagt«, behauptete er, »er sprach nämlich von dieser letzten Mahlzeit, als sei er dabeigewesen. Mit Sektglas und Hühnerbein habe Beate Sperber auf dem Turm gestanden und sei heruntergefallen. Wir haben den Mageninhalt der Toten nicht für die Öffentlichkeit bekanntgegeben, nur über die leere Sektflasche stand etwas in einer Zeitung. Herr Engstern behauptete zuerst, vom Grillhähnchen in der Zeitung gelesen zu haben, aber nach längerem Diskutieren meinte er, Sie hätten davon gesprochen.«

Ich zuckte mit den Schultern. Mir fiel die Szene in Bickelbach ein: Scarlett mit Sekt und Huhn. Das hatte mich damals schockartig an Beate erinnert, und wahrscheinlich hatte ich es Witold gesagt.

»Ich kann mich nicht erinnern«, meinte ich und tat unbefangen. »Falls ich es gesagt haben sollte, kann ich es eigentlich auch nur gelesen oder von einer weiteren Person gehört haben. Beate jedenfalls hat mir über dieses Picknick nichts gesagt.«

Der Beamte ging an meinen Gläserschrank. Zielstrebig suchte er meine fünf kristallenen Sektgläser heraus.

»Ein solches Kristallglas wurde von Ihrer Freundin für den Sekt verwendet. Wo ist Ihr sechstes Glas?«

»Aber ich bitte Sie«, antwortete ich entrüstet, »Gläser gehen immer mal kaputt. Wer hat schon von allen Gläsern die vollständige Zahl.«

»Sie, Frau Hirte«, entgegnete er lakonisch, »hier sehe ich zum Beispiel sechs Sherrygläser, sechs Weingläser und sechs Wassergläser. Bei Ihnen sieht alles fast wie neu aus und äußerst ordentlich.«

Das war ein unverschämter Trick, ich wurde böse.

»Na und? Ich habe keine Familie und wenig Besuch, da werden Geschirr und Gläser naturgemäß nicht viel gebraucht.

Aber Sekt trinke ich auch, wenn ich allein bin, weil ich zu niedrigen Blutdruck habe. Mir ist schon vor langer Zeit ein Glas zersprungen. Wollen Sie mir aus einem fehlenden Sektglas einen Strick drehen?«

Er sagte nichts dazu, sondern betrachtete meine Füße.

»Welche Schuhgröße haben Sie?«

»Neununddreißig«, log ich, sollte er doch nachmessen.

»Ich werde eines Ihrer Gläser mitnehmen, wenn’s geht auch Ihre Fotoalben. Außerdem möchte ich mir Ihren Schuhschrank mal ansehen. Besitzen Sie Turnschuhe?«

Ich schüttelte den Kopf. Sollte ich nach einem Durchsuchungsbefehl fragen und einen Anwalt anrufen?

Er stand auf.

»Ach so, ich möchte auch einen Blick ins Bad werfen.«

Ich ging mit ihm. Zuerst begab er sich ans Schuhregal, das er, ohne zu fragen, im Schlafzimmer fand. Der Hund knurrte ihn böse an. Er prüfte mehrere Paare und sagte vorwurfsvolclass="underline"

»Größe einundvierzig, bei neununddreißig würden Sie sich arg quälen!«

Am Kleiderschrank hielt er sich nicht sehr lange auf.

Darauf ging er ins Bad. Ich folgte. Er zog die weißen Resopalschubladen der kleinen Kommode auf und kontrollierte das Funktionieren meines Föns.

»Machen Sie mal den Medizinschrank auf!« befahl er wie ein Zöllner. Ich stand außerdem näher dran als er. Seine Augen glitten hurtig über meine Pillen- und Kosmetikvorräte.

»Und was ist da drin?« er deutete auf die Kulturtasche, die oben darauf lag.

»Ausrangierte Lockenwickler«, sagte ich.

Mit einer Kopfbewegung kommandierte er: »Runterholen, aufmachen«, gleichzeitig ging er selbst auf die Knie und öffnete die Klapptür unter dem Waschbecken, hinter der ein Eimer mit Scheuerpulver und Putzlappen stand. Ich riß den Revolver aus der Tasche und schoß ihm aus nächster Nähe direkt in die linke Schläfe, er hatte nicht einmal Zeit gehabt, sich nach mir umzudrehen.

Da lag er mit einem Loch im Kopf, Blut lief auf den Badevorleger, der Schuß dröhnte mir im Ohr. Er hatte sicher nach Scarletts Lockenstab gesucht, er hatte mein Sektglas eingesteckt, und er hätte am Ende noch herausbekommen, daß ich das Grillhähnchen bei meinem Metzger gekauft hatte.

Ich saß benommen und verstört auf dem Badewannenrand (wie schon einmal) und starrte das Blut an. Das schwerhörige Ehepaar unter mir hatte den Schuß wahrscheinlich nicht registriert, aber meine Nachbarin um so sicherer. Ich lief auf den Flur und lauschte, aber das stets dudelnde Radio war nicht zu hören, kein Licht schien durch die milchige Glasscheibe der Tür.

11

Was sollte ich jetzt machen? Ich nahm als erstes das Glas wieder an mich, dann wischte ich Blut weg und betäubte mich mit dieser anstrengenden Arbeit in gebückter Haltung.

Plötzlich mußte ich erbrechen. Ich verfehlte das Klo, und der Anblick und Geruch von Blut, Tod und säuerlichem Mageninhalt ließ mich in die Knie gehen. Ich verließ taumelnd mein kleines, sonst immer pieksauberes Bad und ließ mich im Wohnzimmer aufs Sofa gleiten. In den Schläfen pochte es, das Herz schlug wie ein Preßlufthammer, gleichzeitig trat mir eiskalter Schweiß auf die Stirn. Ein Kreislaufkollaps, ich wußte es. Gnädigerweise verstand es die Natur in Krisenmomenten, den gebeutelten Menschenkopf kurzfristig durch Ohnmacht abzustellen. Aber ich tauchte wohl nur sekundenlang weg. Bald waren Angst und Verstand wieder voll da. Das da im Bad muß verschwinden! sagten sie.

Nach einigen Minuten wählte ich mit zitternden Fingern Witolds Nummer, ich vertat mich zweimal. Er war gleich dran und merkte an meiner tonlosen Stimme sofort, daß eine Katastrophe eingetreten war.

»Was ist, sag doch!« schrie er beinahe.

»Komm sofort«, konnte ich eben noch sagen und auflegen.

Dann sank ich wieder aufs Sofa und fühlte, daß ich nun mit akutem Durchfall rechnen mußte. Es war grauenhaft, das Bad wieder zu betreten, aber es ging nicht anders.

Ich öffnete kurz darauf die Tür für Witold, der mich mit einem ahnenden Entsetzen anstarrte. Ich sah wohl selbst aus wie eine Leiche. Aus dem Schlafzimmer hörte man den Hund wolfsartig heulen.

Er schüttelte mich an den Schultern.

»Nun sag doch!« schrie er, selbst in Panik.

»Ich mußte ihn umbringen!« stieß ich hervor.

»Wen?«

»Den Polizisten.«

Witold glaubte mir nicht.

»Warum, wo ist er, nun dreh mal nicht durch«, er drückte mich aufs Sofa. Auf einmal sah er Blut auf meinem grauen Pullover. Er machte sich eine Zigarette an.

»Ganz ruhig, Thyra«, sagte er, wobei er nun selber zum Nervenbündel wurde, »ganz ruhig. Nun sag mal langsam und vernünftig, was passiert ist.«

»Ich habe ihn umgebracht«, ich konnte es kaum sagen, meine Zähne klapperten.

»Wo denn?« Witold regte sich schrecklich auf.

»Im Bad.«

Er rannte im Glauben hinaus, mich über die Ausgeburten meiner hysterischen Phantasie aufklären zu können. Nach unendlich langer Zeit, wie mir schien, kam er zurück. Er rauchte, ging aufs Telefon zu.

»Witold, er wollte dich verhaften«, sagte ich, »ich mußte es tun.«

»Mich, warum?« Witold blieb zögernd vorm Telefon stehen.

»Er wußte, daß du mit Scarlett zusammen gewesen bist, weil eine Kellnerin meinte, euch im Garten gesehen zu haben.«

Witold starrte mich mit offenem Mund an.

»Das wäre wirklich kein Grund für eine Verhaftung«, fand er.

»Außerdem hat er aus mir herausgequetscht, daß du den Schuß auf Hilke abgefeuert hast; ich kann so schlecht lügen«, log ich.