Als ich endlich einschlief, waren Träume meine süße Folter. Als ich erwachte, stieß der Gedanke an Trennung wie ein Messer in mein Herz. Ich stand früh auf und kehrte zu dem Elfenlager zurück. Ich erzählte ihnen erfindungsreich von umherstreifenden Goblinbanden zwischen hier und Palanthas und überzeugte die Elfenfrauen schnell, daß sie auf meinen Schutz angewiesen wären. Meine Männer hegten keine Abneigung gegen diese angenehme Begleitung, und so reisten wir zusammen.
Aber das linderte nicht meinen Schmerz. Vielmehr verstärkte er sich noch. Tag für Tag beobachtete ich sie, wenn sie neben mir ritt – aber nicht nah genug. Nacht für Nacht schlief ich allein – und meine Gedanken gerieten in Aufruhr.
Ich begehrte sie, begehrte sie mehr als alles andere auf der Welt. Und dennoch, ich war ein Ritter, gebunden an die Ritterschwüre, die uns dem Kodex und strengen Regeln verpflichteten, gebunden an das heilige Heiratsgelöbnis, meiner Frau treu zu bleiben mein Leben lang, gebunden an den Eid eines Hauptmanns, meine Männer stets ehrenhaft zu führen. Lange kämpfte ich mit mir, und schließlich war ich überzeugt, den Sieg errungen zu haben. Morgen werde ich sie verlassen, sagte ich mir und spürte den Frieden über mich kommen.
Ich hatte wirklich beabsichtigt, sie zu verlassen, und hätte es auch getan. Aber – verflucht sei das Schicksal – ich ging in den Wäldern auf die Jagd, und dort, weit vom Lager entfernt, traf ich sie. Man hatte sie zum Kräutersammeln geschickt.
Sie war allein. Ich war allein. Unsere Begleiter waren weit entfernt. Die Liebe, die ich in ihren Augen gesehen hatte, leuchtete immer noch. Sie hatte ihr Haar gelöst, und es fiel in einer goldenen Wolke bis zu ihren Füßen. Meine Ehre, mein Entschluß waren in einer Sekunde zerstört, verbrannt in der Flamme der Leidenschaft, die über mich fegte. Sie war leicht zu verführen, das arme Ding. Ein Kuß, dann ein zweiter. Ich zog sie nach unten auf das frische Gras, meine Hände liebkosten sie, und mein Mund brachte ihren Protest zum Schweigen, und... nachdem sie die meinige geworden war... küßte ich ihre Tränen fort.
In jener Nacht kam sie in mein Zelt. Ich war in Glückseligkeit verloren. Natürlich versprach ich ihr die Ehe. Was hätte ich sonst auch tun sollen? Anfangs hatte ich das wohl nicht ernst gemeint. Wie konnte ich auch? Ich hatte eine Gattin, eine reiche Gattin. Ich brauchte ihr Geld. Meine Ausgaben waren hoch. Aber dann, in einer dieser Nächte, als ich das Elfenmädchen in meinen Armen hielt, wußte ich, daß ich sie niemals aufgeben konnte. Ich traf Vorkehrungen, meine Gattin für immer verschwinden zu lassen...
Wir setzten unsere Reise fort. Allmählich wurden auch die Elfenfrauen argwöhnisch. Wie hätte es auch anders sein können! Es fiel uns schwer, uns tagsüber nicht vertraulich anzulächeln und jede Gelegenheit zu vermeiden, zusammenzutreffen.
Als wir Palanthas erreichten, wurden wir zwangsläufig getrennt. Die Elfenfrauen waren in einem der schönsten Häuser untergebracht, das dem Königspriester zur Verfügung stand, wenn er sich in der Stadt aufhielt. Meine Männer und ich gingen zu unseren Unterkünften. Ich war jedoch zuversichtlich, daß sie einen Weg finden würde, zu mir zu gelangen, da ich nicht zu ihr gehen konnte. Die erste Nacht verstrich, und ich war nicht sehr beunruhigt. Aber dann verstrich die zweite und die dritte, und immer noch keine Nachricht.
Endlich klopfte es an meiner Tür. Aber es war nicht sie. Es war der Großmeister der Ritter von Solamnia, begleitet von den Oberhäuptern der drei Ritterorden. Bei ihrem Anblick wurde mir klar, was geschehen war. Sie hatte die Wahrheit herausgefunden und mich verraten.
Doch wie die Dinge lagen, war sie es nicht, die mich verraten hatte, sondern die Elfenfrauen. Meine Geliebte war krank geworden, und als die Frauen sie heilen wollten, fanden sie heraus, daß sie ein Kind erwartete. Sie hatte es niemandem gesagt, nicht einmal mir. Sie erzählten ihr, daß ich verheiratet sei und, was noch schlimmer war, daß in Palanthas Gerüchte über das ›geheimnisvolle‹ Verschwinden meiner Frau aufgekommen seien.
Ich wurde verhaftet. In qualvoller Erniedrigung öffentlich durch die Straßen von Palanthas gezerrt, war ich Gegenstand geschmackloser Witze und schändlicher Beleidigungen durch den Pöbel. Die Einwohner genossen den Anblick durch und durch, daß ein Ritter auf ihre Stufe gesunken war. Damals schwor ich, eines Tages meine Rache an ihnen und ihrer schönen Stadt zu nehmen. Aber dazu schien keine Hoffnung zu bestehen. Mein Verfahren ging schnell zu Ende. Ich wurde zum Tode verurteilt – ein Verräter der Ritterschaft. Meiner Ländereien und meines Titels entledigt, sollte mir die Kehle mit dem eigenen Schwert durchgeschnitten werden. Ich nahm meinen Tod hin. Ich freute mich sogar darauf, immer noch überzeugt, daß sie mich fallengelassen hätte.
Aber in der Nacht vor meiner Hinrichtung befreiten mich meine getreuen Männer aus dem Gefängnis. Sie war bei ihnen. Sie erzählte mir alles, erzählte mir auch, daß sie ein Kind von mir erwartete.
Die Elfenfrauen hätten ihr verziehen, sagte sie, und obgleich sie niemals eine Verehrte Tochter Paladins werden könne, dürfe sie bei ihrem Volk weiterleben – auch wenn Ungnade sie bis zum Ende ihres Lebens verfolgen würde. Aber sie konnte den Gedanken nicht ertragen, mich zu verlassen, ohne sich von mir zu verabschieden. Sie liebte mich, das war offensichtlich. Aber ich erkannte auch, daß sie über die Geschichten beunruhigt war, die sie gehört hatte.
Ich erfand eine Lüge über meine Frau, die sie glauben konnte. Sie hätte mir wohl auch geglaubt, daß schwarz weiß ist. Sie war bald beruhigt und einverstanden, mit mir zu fliehen. Heute weiß ich, daß dies der wirkliche Grund für ihr Kommen war. Meine Männer begleiteten uns, und wir flohen zurück zur Burg Dargaard.
Die Reise war anstrengend, denn wir wurden ständig von den anderen Rittern verfolgt, aber schließlich erreichten wir das Schloß und verschanzten uns. Wie sie sich hoch über nackte Felsenwände erhob, bot die Burg uns eine problemlose Verteidigungsposition. Uns standen große Mengen von Proviant zur Verfügung, so daß wir mühelos jenen Winter durchhalten konnten, der sich schnell näherte.
Ich hätte glücklich sein sollen über mich, über mein Leben und meine neue Braut – was für ein Possenspiel die Heiratszeremonie war! Aber ich wurde von Schuldgefühlen gequält und, was noch schlimmer war, von dem Verlust meiner Ehre. Ich erkannte, daß ich einem Gefängnis entflohen war, nur um mich in einem anderen wiederzufinden – dem meiner eigenen Wahl. Ich war dem Tod entflohen, nur um ein dunkles und erbärmliches Leben zu führen. Ich wurde launenhaft und mürrisch. Ich war immer schon jähzornig gewesen und schnell bereit, meine Hände im Zorn zu gebrauchen, und jetzt wurde es noch schlimmer. Die Diener flohen, nachdem ich einige verprügelt hatte. Meine Männer gingen mir aus dem Weg. Und in einer Nacht schlug ich auch sie, die einzige Person auf dieser Welt, die mir zumindest einen Funken Trost spenden konnte.
Als ich in ihre tränennassen Augen sah, erkannte ich das Ungeheuer, das ich geworden war. Ich nahm sie in meine Arme und bat um Vergebung. Ihr wundervolles Haar fiel über mich, und ich konnte mein Kind spüren, das in ihrem Leib strampelte. Gemeinsam knieten wir uns nieder und beteten zu Paladin. Ich würde alles unternehmen, gelobte ich dem Gott, um meine Ehre wiederherzustellen. Ich bat lediglich darum, daß mein Sohn oder meine Tochter, wenn sie größer würden, niemals von meiner Schande erfahren sollten.
Und Paladin antwortete mir. Er erzählte mir von dem Königspriester und den arroganten Forderungen, die dieser dumme Mann den Göttern stellen wollte. Er sagte mir, daß die Welt selbst den Zorn der Götter spüren würde, wenn nicht – so wie Huma es vor mir getan hatte – ein Mensch bereit wäre, sich für die Unschuldigen zu opfern.
Paladins Licht glänzte um mich. Meine gequälte Seele war mit Frieden erfüllt. Welch geringfügiges Opfer schien es mir, mein Leben zu geben, damit mein Kind in Ehre aufwachsen und die Welt gerettet werden könnte. Ich ritt nach Istar, in der vollen Absicht, den Königspriester aufzuhalten, denn ich wußte, daß Paladin bei mir war.