Aber noch jemand begleitete mich auf dieser Reise – die Königin der Finsternis. Auf diese Weise führt sie ihren ewigen Krieg um die Seelen, die sie sich dann gern als Sklaven hält. Wen benutzte sie, um mich zu besiegen? Jene Elfenfrauen – die Klerikerinnen des Gottes, der mich auf diese Mission geschickt hatte.
Diese Frauen hatten seit langer Zeit schon den Namen von Paladin vergessen. Wie der Königspriester waren sie in ihre Rechtschaffenheit eingehüllt und konnten durch den Schleier ihrer Vollkommenheit nichts sehen. Erfüllt von meiner eigenen Rechtschaffenheit ließ ich sie wissen, was ich vorhatte. Ihre Angst war groß. Denn sie glaubten nicht, daß die Götter die Welt bestrafen würden. Sie sahen den Tag kommen, an dem nur das Gute – und damit meinten sie sich, die Elfen – auf Krynn bestehen würde.
Sie mußten mich aufhalten. Und sie waren erfolgreich.
Die Königin der Finsternis ist klug. Sie kennt die dunklen Bereiche im Herzen eines Mannes. Ich hätte eine Armee niedergeritten, wenn mir eine im Weg gestanden hätte. Aber die sanften Worte dieser Elfenfrauen strömten in mein Blut wie Gift. Wie raffiniert sei es von dem Elfenmädchen gewesen, mich so einfach loszuwerden, sagten sie. Jetzt hätte sie mein Schloß, meinen Reichtum und alles für sich, ohne den Unannehmlichkeiten eines menschlichen Ehemannes ausgesetzt zu sein. Wäre ich denn überhaupt sicher, daß das Kind von mir sei? Man hatte sie in der Gesellschaft eines jungen Mannes aus meinem Gefolge gesehen. Wohin war sie gegangen, wenn sie mein Zelt in der Nacht verlassen hatte?
Sie haben niemals offen eine Lüge erzählt. Niemals haben sie direkt etwas gegen sie geäußert. Aber ihre Fragen knabberten an meiner Seele und nagten an mir. Ich erinnerte mich plötzlich an Worte, an Situationen und Blicke. Ich war auf einmal überzeugt, daß ich betrogen wurde. Ich würde sie zusammen erwischen! Ich würde ihn töten! Ich würde sie leiden lassen!
Ich brach meinen Weg nach Istar ab.
Bei meiner Ankunft zertrümmerte ich die Tore meines Schlosses. Meine Frau kam berunruhigt herbei und wollte mich begrüßen. In ihren Armen hielt sie unseren kleinen Sohn. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck der Verzweiflung – aber ich hielt ihn für ein Schuldeingeständnis. Ich verfluchte sie, und ich verfluchte ihr Kind. Und in diesem Moment schlug das feurige Gebirge auf Ansalon ein.
Die Sterne fielen vom Himmel. Der Boden bebte und brach entzwei. Ein Kronleuchter mit hundert brennenden Kerzen fiel von der Decke. Von den Flammen wurde meine Frau sofort verschlungen. Sie wußte, daß sie sterben würde, aber sie hielt mir ihr Kind entgegen, um es vor dem Feuer zu retten. Ich zögerte, denn eifersüchtiger Zorn tobte immer noch in meiner Brust, und schließlich wandte ich mich ab.
Mit ihrem letzten Atemzug rief sie den Zorn der Götter auf mich herab. ›Du wirst diese Nacht im Feuer sterben‹, schrie sie, ›so wie auch dein Sohn und ich sterben werden. Aber du wirst auf alle Ewigkeit in Dunkelheit leben. Du wirst für jedes Leben büßen, das durch deine Torheit in dieser Nacht ausgelöscht wurde!‹ So verschied sie.
Die Flammen breiteten sich aus. Bald brannte mein Schloß lichterloh, und alle Versuche, dieses seltsame Feuer zu löschen, mißlangen. Es verbrannte sogar das Gestein. Meine Männer versuchten zu entkommen. Aber auch sie gingen in Flammen auf, wie ich beobachten mußte. Niemand, niemand außer mir blieb lebend auf diesem Berg zurück. Ich stand allein in der riesigen Halle, auf allen Seiten vom Feuer umzingelt, das mich noch nicht berührt hatte. Aber wie ich da stand, sah ich, daß es mich immer näher einschloß, immer näher... näher...
Ich starb langsam in unerträglichen Todesqualen. Als der Tod endlich eintrat, brachte er keinen Trost. Denn ich schloß meine Augen, nur um sie wieder zu öffnen, und schaute in eine Welt der Leere und düsteren Verzweiflung und ewigen Pein. Nacht für Nacht, seit endlosen Jahren, sitze ich auf diesem Thron und höre den Elfenfrauen zu, die meine Geschichte singen.
Aber das hat aufgehört, es hat mit dir aufgehört, Kitiara...
Als die Dunkle Königin mich aufforderte, sie im Krieg zu unterstützen, antwortete ich ihr, ich würde dem ersten Drachenfürsten dienen, der den Mut aufbrächte, die Nacht auf Burg Dargaard zu verbringen. Es gab nur einen – dich, meine Schöne. Dich, Kitiara. Ich bewunderte dich dafür, ich bewunderte deinen Mut und deine skrupellose Entschlossenheit. In dir sehe ich mich. Ich sehe, was ich hätte werden können.
Ich half dir, die anderen Fürsten umzubringen, als wir aus Neraka aus dem Aufruhr nach der Niederlage der Königin flohen, ich half dir dann, Sanction zu erreichen, und dort half ich dir, deine Macht auf diesem Kontinent wieder aufzubauen. Ich half dir bei dem Versuch, die Pläne deines Bruders Raistlin zu vereiteln, als er die Königin der Finsternis herausfordern wollte. Nein, ich war nicht überrascht, daß er dich überlistet hat. Von allen Lebewesen, die ich jemals kennengelernt habe, ist er der einzige, den ich fürchten mußte.
Selbst deine Liebesaffären haben mich amüsiert, meine Kitiara. Wir Tote empfinden keine Lust. Das ist eine Leidenschaft des Blutes, und in diesen eiskalten Adern fließt kein Blut mehr. Ich habe beobachtet, wie du diesem Schwächling, Tanis, dem Halb-Elfen, das Innere nach außen gekehrt hast, und ich genoß jede Einzelheit wie auch du.
Aber jetzt, Kitiara, was ist jetzt aus dir geworden? Die Herrin ist zur Sklavin geworden. Und wofür – für einen Elfen! Oh, ich habe deine Augen brennen gesehen, als du seinen Namen aussprachst. Ich habe deine Hände zittern gesehen, als du seine Briefe hieltest. Du denkst an ihn, obwohl du einen Krieg vorbereiten solltest. Selbst deine Generäle können nicht länger deine Aufmerksamkeit wecken.
Nein, wir Tote können keine Lust empfinden. Aber wir können Haß spüren, wir können Neid spüren, wir können Eifersucht und Gier nach Besitz spüren.
Ich könnte Dalamar töten – dieser Dunkelelf ist stark, aber er stellt keine Herausforderung für mich dar. Sein Meister? Raistlin? Ah, das ist etwas anderes.
Meine Königin in deiner dunklen Hölle – hüte dich vor Raistlin! Deine größte Herausforderung steht dir mit ihm bevor, und du mußt – am Ende – ihm allein entgegentreten. Ich kann dir auf deiner Ebene nicht helfen, Dunkle Majestät, aber vielleicht kann ich dir auf dieser helfen.
Ja, Dalamar, ich könnte dich töten. Aber ich habe erlebt, was es heißt, zu sterben, und der Tod ist eine schäbige, eine wahrhaft jämmerliche Angelegenheit. Der Schmerz des Todes ist qualvoll, aber schnell vorbei. Welch größerer Schmerz ist es dagegen, immer weiter auf der Welt der Lebenden zu verweilen, ihr warmes Blut zu riechen und ihr sanftes Fleisch zu sehen und zu wissen, daß es niemals, niemals wieder deins sein kann. Aber das wirst du noch erfahren, und nur allzu gut, Dunkelelf...
Und was dich betrifft, Kitiara, wisse dies – ich würde eher diesen Schmerz ertragen, ich würde eher ein weiteres Jahrhundert einer gequälten Existenz erleiden, als dich wieder in den Armen eines lebenden Mannes zu sehen!«
Der tote Ritter grübelte und schmiedete Komplotte, sein Geist drehte und krümmte sich wie die Dornenzweige der schwarzen Rosen, die sein Schloß überwucherten. Skelettkrieger schritten über die zerstörten Zinnen, jeder gebannt an den Ort, wo er seinen Tod gefunden hatte. Die Elfenfrauen rangen ihre fleischlosen Hände und stöhnten im bitteren Leid über ihr Schicksal.
Soth hörte nichts und nahm nichts wahr. Er saß auf seinem geschwärzten Thron und starrte blind auf einen dunklen, verkohlten Fleck auf dem Steinboden – einen Fleck, den er seit Jahrhunderten mit all seiner machtvollen Magie vergeblich auszulöschen versucht hatte – und der niemals verschwand, ein Fleck in der Form einer Frau...
Und schließlich lächelten die unsichtbaren Lippen, und die Flammen der orangenen Augen brannten hell in ihrer ewigen Nacht.