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Du, Kitiara – du wirst mir gehören – für immer und ewig...

7

Die Kutsche hielt mit einem Ruck. Die Pferde schnauften und schüttelten sich und ließen dabei das Geschirr klimpern. Mit ihren Hufen stießen sie gegen die glatten Pflastersteine, als ob sie erpicht wären, diese Reise zu beenden und zu ihren behaglichen Ställen zurückzukehren. Ein Kopf erschien am Fenster der Kutsche.

»Guten Morgen, Herr. Willkommen in Palanthas. Bitte nennt mir Euren Namen und den Grund Eures Besuches.« Die Aufforderung wurde mit munterer, amtlicher Stimme von einem munteren, amtlichen jungen Mann vorgetragen, der wohl gerade erst seinen Posten angetreten hatte. Als der Wachmann in die Kutsche spähte, blinzelte er in dem Versuch, seine Augen dem kühlen Schatten in ihrem Inneren anzupassen. Die Spätfrühlingssonne strahlte so munter wie das Gesicht des frühlingssonne strahlte so munter wie das Gesicht des jungen Mannes, auch ihre Dienstzeit hatte wohl gerade erst begonnen.

»Ich bin Tanis, der Halb-Elf«, antwortete der Mann in der Kutsche, »und ich bin hier auf Einladung des Verehrten Sohnes Elistan. Ich habe einen Brief dabei. Wenn du einen Moment warten würdest, kann ich...«

»Lord Tanis!« Das Gesicht im Kutschenfenster nahm die gleiche knallrote Farbe an wie die lächerlich aufgesetzten Schnurbesätze und Schulterstücke seiner Uniform. »Ich bitte um Verzeihung, Herr. Ich... ich habe Euch nicht wiedererkannt... das heißt, ich konnte nicht gut sehen, denn sonst hätte ich Euch sicherlich wiedererkannt...«

»Verdammt, Mann«, erwiderte Tanis gereizt, »entschuldige dich doch nicht für die Ausübung deiner Pflicht. Hier ist der Brief...«

»Das werde ich nicht, Herr. Das heißt, ich werde es doch, Herr. Ich meine, mich entschuldigen. Es tut mir furchtbar leid, Herr. Der Brief? Das ist wirklich nicht notwendig, Herr.«

Der Wachmann stotterte und salutierte, stieß leicht mit seinem Kopf gegen das Kutschenfenster, und der Spitzenärmel seiner Manschette verfing sich an der Tür, er salutierte wieder und taumelte schließlich zu seinem Posten zurück. Er sah aus, als hätte er gerade einen Kampf mit Hobgoblins hinter sich gebracht.

Tanis grinste still vor sich hin, auch wenn es ein gequältes Grinsen war, und lehnte sich wieder zurück, als die Kutsche durch die Tore der alten Stadtmauer fuhr. Diese Wache war seine Idee gewesen. Viele Einwände und Überredungskünste waren vonnöten gewesen, um Amothud, den Herrscher von Palanthas, zu überzeugen, daß diese Stadttore nicht nur verschlossen, sondern auch bewacht sein sollten.

»Aber Besucher könnten das Gefühl bekommen, nicht willkommen zu sein. Sie könnten beleidigt sein«, hatte Amothud matt protestiert. »Und immerhin ist der Krieg vorüber.«

Tanis seufzte wieder. Wann würden sie das je lernen? Niemals, mutmaßte er düster, als er aus dem Fenster die Stadt betrachtete, die wie keine andere auf dem Kontinent Ansalon die Selbstzufriedenheit verkörperte, in die sich die Welt seit dem Ende des Lanzenkrieges vor zwei Jahren hatte zurückfallen lassen. Genaugenommen: seit dem Frühling vor zwei Jahren.

Ein plötzlicher Gedanke ließ Tanis aufseufzen. Verdammt! Er hatte es vergessen! Der Tag des Sieges! Wann fand der statt? In zwei Wochen? Drei? Er würde dieses lächerliche Kostüm anlegen müssen – die zeremonielle Rüstung eines Ritters von Solamnia, die Elfeninsignien, den Zwergenschmuck. Gelage würden stattfinden, und wegen des schweren Essens würde er die halbe Nacht nicht schlafen können, Ansprachen würden ihn nach dem Essen einschläfern, und Laurana...

Tanis seufzte auf. Laurana! Sie hatte daran gedacht! Natürlich! Wie konnte er nur so begriffsstutzig sein? Vor wenigen Wochen erst waren sie von dem Begräbnis Solostarans in Qualinesti in ihr Heim in Solanthus zurückgekehrt – in der Zwischenzeit hatte er außerdem auf der Suche nach Crysania eine erfolglose Reise nach Solace unternommen —, und dort hatte Laurana bald einen Brief in der Elfenhandschrift erhalten.

»Deine Anwesenheit ist in Silvanesti dringend erforderlich!«

»Ich werde in vier Wochen zurück sein, mein Lieber«, hatte sie gesagt und ihn zärtlich geküßt. Doch in ihren Augen hatte der Schalk gelegen. In ihren wunderschönen Augen!

Sie hatte ihn im Stich gelassen! Durch ihr Manöver war er gezwungen, diesen verdammten Zeremonien allein beizuwohnen! Und sie würde in ihrer Elfenheimat sein, wo sich die Einheimischen zwar immer noch plagten, dem Entsetzen zu entrinnen, dem Loracs Alptraum sie überantwortet hatte, was aber doch einem Abend mit Herrscher Amothud entschieden vorzuziehen war...

Plötzlich wurde Tanis bewußt, was er da eben gedacht hatte. Vor seinem inneren Auge erschien ein Bild von Silvanesti – die entsetzlich gepeinigten Bäume, die Blut weinten, die verzerrten, qualvollen Gesichter lange verstorbener Elfenkrieger, die aus den Schatten starrten. Und daneben erschien ein Bild von einer der Abendgesellschaften des Herrschers Amothud...

Tanis begann zu lachen. Sogar die untoten Krieger waren ihm lieber!

Was Laurana betraf, ihr konnte er wahrhaftig keine Schuld geben. Die Zeremonien waren für ihn schon hart genug – aber Laurana war der erklärte Liebling der Palanthianer, ihr Goldener General, diejenige, die diese wunderschöne Stadt vor den Verwüstungen des Krieges bewahrt hatte. Sie erfüllten ihr jeden Wunsch, nur nicht ihren sehnlichsten, daß sie zuweilen in Ruhe gelassen werden wollte. Bei der vorjährigen Siegesfeier hatte Tanis seine Frau nach Hause tragen müssen, da sie erschöpfter war, als wenn sie drei ordentliche Tage in der Schlacht zugebracht hätte.

Er stellte sich Laurana in Silvanesti vor, wie sie die Blumen neu pflanzte, wie sie die Träume der gepeinigten Bäume linderte und sie langsam wieder zum Blühen brachte, wie sie Alhana Sternenwind besuchte, jetzt ihre Schwägerin, die auch wieder in Silvanesti sein würde – aber ohne ihren neuen Ehemann Porthios. Sie führten bisher eine eisige, lieblose Ehe, und Tanis fragte sich, ob Alhana nicht aus einem ähnlichen Grund den Zufluchtsort Silvanesti aufgesucht hatte. Die Erinnerung an jene Tage mußte auch für Alhana schwer zu ertragen sein. Tanis’ Gedanken wanderten zu Sturm Feuerklinge – dem Ritter, den Alhana geliebt hatte und der nun tot im Turm des Oberklerikers lag, und von ihm wanderten Tanis’ Gedanken zu anderen Freunden... und Feinden.

Als hätten seine Erinnerungen ihn heraufbeschworen, strich ein dunkler Schatten über die Kutsche. Tanis sah aus dem Fenster. Er erhaschte einen flüchtigen Blick auf ein schwarzes Stück Land am Ende einer langen, leeren und verlassenen Straße – den Eichenwald von Shoikan, den Wächterwald und den Turm der Erzmagier, in dem Raistlin residierte.

Selbst aus dieser Entfernung konnte Tanis die Eiseskälte spüren, die diese Bäume ausströmten, eine Eiseskälte, die Herz und Seele gefrieren ließ. Sein Blick wanderte zu dem Turm, der sich über den wunderschönen Gebäuden von Palanthas wie ein schwarzer Eisenstift erhob, der durch das weiße Herz der Stadt getrieben worden war.

Seine Gedanken wanderten zu dem Brief, der ihn nach Palanthas gerufen hatte. Sein Blick glitt auf ihn, und er las noch einmal die knappen Sätze: »Tanis, Halb-Elf, wir müssen dich unverzüglich treffen. Höchste Dringlichkeit. Im Tempel Paladins, wenn die Spätwacht auf 12 ansteigt, am vierten Tag im Jahr 356.«

Das war alles. Keine Unterschrift. Tanis wußte, daß es jetzt der vierte Tag war, und da er diese Einladung erst zwei Tage zuvor erhalten hatte, war er gezwungen gewesen, Tag und Nacht zu reisen, um pünktlich in Palanthas einzutreffen. Die Nachricht war in der Elfensprache geschrieben, auch die Handschrift war elfisch. Das war nicht ungewöhnlich. Elistan verfügte über viele Elfenkleriker, aber warum hatte er die Botschaft nicht unterschrieben? Falls sie wirklich von Elistan stammte. Aber wer sonst sollte ihn so zwanglos zum Tempel Paladins laden?

Tanis zuckte die Achseln und steckte den Brief wieder in seinen Beutel zurück. Er hatte sich diese Frage schon mehr als einmal gestellt, und nicht ein einziges Mal war er zu einem zufriedenstellenden Ergebnis gelangt. Sein Blick wanderte unwillkürlich wieder zum Turm der Erzmagier.