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Immer noch zitternd legte Crysania ihren Kopf an die Brust des Erzmagiers. Sie hörte seinen Atem in seinen Lungen zischen und rasseln, sie roch diesen süßen, schwachen Duft von Rosenblättern und Tod...

11

»Das kommt also bei seinen mutigen Worten und Versprechungen heraus«, sagte Kitiara mit leiser Stimme.

»Hast du wirklich etwas anderes erwartet?« fragte Lord Soth. Die Worte, begleitet von einem Schulterzucken der uralten Rüstung, klangen lässig und hohl. Aber es lag auch etwas in seinem Ton, das Kitiara zu einem scharfen Blick auf den toten Ritter veranlaßte.

Als sie sah, wie er sie anstarrte und seine orangefarbenen Augen in seltsamer Intensität brannten, errötete Kitiara. Die Erkenntnis, daß sie gerade mehr Gefühle offenbart hatte, als ihr lieb war, machte sie wütend, und ihr Gesicht lief noch dunkler an. Abrupt wandte sie sich von Soth ab.

Kitiara schritt durch das Zimmer, das mit einer merkwürdigen Mischung aus Rüstungen, Waffen, parfümierten Seidenlaken und dicken Fellteppichen eingerichtet war, und hielt mit zitternder Hand die Falten ihres hauchdünnen Nachthemdes an ihre Brust gedrückt. Es war eine Geste, die wenig Schamhaftigkeit bewies, und Kitiara war sich dessen bewußt, noch während sie sich fragte, warum sie es tat. Gewiß hatte sie sich zuvor noch niemals um Schamhaftigkeit Gedanken gemacht, schon gar nicht bei einem Wesen, das vor dreihundert Jahren zu einem Aschenhaufen zusammengefallen war. Aber plötzlich empfand sie Unbehagen unter diesen glühenden Augen, die sie aus einem Gesicht anstarrten, das es nicht geben durfte. Sie fühlte sich nackt und bloßgestellt.

»Nein, natürlich nicht«, erwiderte Kitiara kühl.

»Er ist immerhin ein Dunkelelf«, fuhr Soth gelangweilt im gleichen Ton fort. »Und er macht auch aus der Tatsache kein Geheimnis, daß er deinen Bruder mehr als den Tod fürchtet. Ist es also ein Wunder, daß er sich nun entschieden hat, auf Raistlins Seite zu kämpfen statt auf der Seite dieses Haufens von schwachen, alten Zauberern, die in ihren Stiefeln schlottern?«

»Aber er hätte soviel gewinnen können!« widerspach Kitiara und versuchte ihr Bestes, ihren Tonfall dem von Soth anzugleichen. Fröstelnd nahm sie einen Fellumhang, der am Ende ihres Bettes lag, und legte ihn über ihre Schultern. »Sie haben ihm die Führerschaft über die Schwarzen Roben versprochen. Er sollte Par-Salians Platz als Oberhaupt der Versammlung einnehmen – unbestrittener Meister der Magie auf Krynn.«

Und du wußtest auch noch von anderen Belohnungen, Dunkelelf, fügte Kitiara stumm hinzu und goß sich ein Glas Rotwein ein. Wenn einmal mein wahnsinniger Bruder besiegt wäre, hätte dich keiner mehr aufhalten können. Was ist denn mit unseren Plänen? Du würdest mit dem Stab und ich mit dem Schwert herrschen. Wir hätten die Ritter auf ihre Knie zwingen können! Die Elfen aus ihrer Heimat vertreiben können – aus deiner Heimat! Du hättest im Triumph zurückkehren können, mein Liebling, und ich hätte an deiner Seite gestanden!

Das Weinglas glitt aus ihrer Hand. Sie versuchte es aufzufangen – doch ihr Griff war zu hastig, ihr Druck zu stark. Das zierliche Glas zerbrach in ihrer Hand und schnitt in ihr Fleisch. Blut vermischte sich mit dem Wein, der auf den Teppich tropfte.

Narben aus Schlachten liefen über Kitiaras Körper wie die Hände ihrer Liebhaber. Sie hatte ihre Wunden ertragen, ohne auch nur zusammenzuzucken, die meisten ohne einen einzigen Laut. Jetzt aber füllten sich ihre Augen mit Tränen. Der Schmerz schien unerträglich.

Eine Waschschüssel stand in der Nähe. Kitiara tauchte ihre Hand in das kalte Wasser und biß sich auf die Lippe, um nicht aufzuschreien. Das Wasser färbte sich sofort rot.

»Hol einen der Kleriker!« knurrte sie Lord Soth an, der stehengeblieben war und sie mit seinen flackernden Augen anstarrte. Der tote Ritter ging zur Tür und rief einen Diener, der unverzüglich davoneilte. Leise fluchend blinzelte Kitiara ihre Tränen weg, ergriff ein Handtuch und band es sich um die Hand. Als der Kleriker erschien, wobei er in seiner Hast über die schwarzen Roben stolperte, war das Handtuch bereits blutdurchtränkt und Kitiaras Gesicht aschgrau unter ihrer sonnengebräunten Haut.

Das Medaillon des Fünfköpfigen Drachen strich gegen Kitiaras Hand, als der Kleriker sich über sie beugte und Gebete zur Königin der Finsternis murmelte. Bald schloß sich die Wunde, und die Blutung hörte auf.

»Die Schnitte waren nicht tief. Es dürfte kein dauernder Schaden zurückbleiben«, sagte der Kleriker beruhigend.

»Gut für dich!« schnappte Kitiara, immer noch die unvernünftige Schwäche bekämpfend, die sie fast übermannt hätte. »Das ist meine Schwerthand!«

»Du wirst mit deiner gewohnten Leichtigkeit und Geschicklichkeit die Klinge schwingen, das versichere ich dir, Fürstin«, erwiderte der Kleriker. »Wenn es noch...«

»Nein! Verschwinde!«

»Meine Fürstin.« Der Kleriker verbeugte sich. »Herr Ritter.« Hastig verließ er das Zimmer.

Nicht gewillt, noch einmal dem Blick von Soths flammenden Augen zu begegnen, hielt Kitiara den Kopf von dem toten Ritter abgewandt und warf den entschwindenden, flatternden Roben des Klerikers einen finsteren Blick nach. »Was für Narren! Ich verabscheue es, sie um mich herum zu haben. Aber offenbar sind sie zuweilen ganz praktisch.« Obgleich sie vollständig geheilt schien, schmerzte die Hand noch immer. Allein eine Sache des Bewußtseins, sagte sie sich bitter. »Nun, was schlägst du vor, was ich tun sollte... wegen des Dunkelelfen?« Bevor Soth jedoch antworten konnte, war Kitiara schon auf den Füßen und schrie nach dem Diener.

»Mach diesen Dreck weg. Und bring mir ein neues Glas.« Sie schlug dem unterwürfig gebeugten Mann übers Gesicht. »Dieses Mal nimm einen Goldkelch. Du weißt, daß ich diese zerbrechlichen Elfen-Dinger verabscheue! Entferne sie aus meinem Blickfeld! Wirf alle weg!«

»Sie wegwerfen!« wagte der Diener zu protestieren. »Aber sie sind wertvoll, Fürstin. Sie stammen vom Turm der Erzmagier in Palanthas, ein Geschenk von...«

»Ich sagte, entferne sie alle!« Kitiara packte die Gläser und schleuderte sie gegen die Wand ihres Zimmers. Der Diener krümmte und duckte sich, als das Glas über seinen Kopf flog und an der Steinwand zerschmetterte. Nachdem das letzte Glas aus ihren Fingern geflogen war, setzte sie sich auf einen Stuhl in eine Ecke und starrte geradeaus. Weder bewegte sie sich noch sagte sie etwas.

Der Diener fegte eilig die Scherben zusammen, leerte das blutige Wasser in der Waschschüssel und ging. Als er mit neuem Wein zurückkehrte, hatte sich Kitiara immer noch nicht gerührt. Und auch Lord Soth nicht. Der tote Ritter war mitten im Raum stehengeblieben, und seine Augen glühten in der zunehmenden Düsternis der Nacht.

»Soll ich die Kerzen anzünden, Fürstin?« fragte der Diener leise und setzte die Weinflasche und einen goldenen Kelch ab.

»Verschwinde«, murmelte Kitiara durch steife Lippen.

Der Diener verbeugte sich und verließ das Zimmer. Die Tür schloß sich hinter ihm.

Der tote Ritter bewegte sich mit lautlosen Schritten durch das Zimmer. Er trat zu der immer noch unbeweglichen und scheinbar blinden Kitiara und legte eine Hand auf ihre Schulter.

Sie zuckte bei der Berührung der unsichtbaren Finger zusammen, und Eiseskälte drang bis in ihr Herz. Aber sie zog sich nicht zurück. »Nun«, sagte sie wieder und starrte in das Zimmer, dessen einzige Lichtquelle von den flammenden Augen des toten Ritters herrührte. »Ich habe dir eine Frage gestellt. Was können wir tun, um Dalamar und meinen Bruder in diesem Wahnsinn aufzuhalten? Was unternehmen wir, bevor die Dunkle Königin uns alle zerstört?«

»Du mußt Palanthas angreifen«, sagte Lord Soth.

»Ich glaube, es kann gelingen!« murmelte Kitiara und schlug nachdenklich den Knauf ihres Dolches gegen den Oberschenkel.

»Wahrhaft genial, meine Fürstin«, sagte der Befehlshaber ihrer Streitkräfte mit unverhohlener, echter Bewunderung in der Stimme.