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»Ruhe!« brüllte der Zwerg.

Der Kender wirbelte herum. »Und auch du fängst allmählich an, mich zu langweilen, Flint!« schrie er. »Hör auf, mit dieser Axt auf dem Boden herumzuhämmern, oder ich binde sie dir um den Hals!«

Die Leute im Saal bogen sich vor Gelächter, und selbst der Richter lächelte.

Crysania sank zurück neben Raistlin. Ihr Gesicht war leichenblaß. »Was ist das für ein Possenspiel?« murmelte sie ängstlich.

»Ich weiß es auch nicht, aber ich werde dem ein Ende bereiten.« Raistlin erhob sich.

»Schweigt alle.« Seine sanfte, flüsternde Stimme ließ alle verstummen. »Die Dame ist eine heilige Klerikerin von Paladin! Ich bin ein Zauberer der Schwarzen Roben, geübt in den Künsten der Magie...«

»Oh, mach mal was Magisches!« schrie der Kender und sprang wieder auf die Füße. »Laß mich in einen Ententeich sausen...«

»Setz dich!« rief der Zwerg.

»Setzt seinen Bart in Brand!« Tolpan lachte.

Für diesen Vorschlag gab es wieder eine Beifallssalve.

»Ja, zeige uns ein wenig Magie, Zauberer«, rief Tanis laut über die Heiterkeit in der Halle.

Alle verstummten, und dann begann die Menge zu murmeln. »Ja, Zauberer, zeig uns ein wenig Magie. Zaubere ein wenig, Hexer!« Kitiaras Stimme ertönte laut über den anderen, stark und mächtig. »Vollführe ein wenig Magie, du zerbrechlicher und kränklicher Wicht, wenn du kannst!«

Raistlins Zunge klebte am Gaumen. Crysania starrte ihn mit Hoffnung und Entsetzen in ihrem Blick an. Seine Hände zitterten. Er nahm den Stab des Magus, der an seiner Seite stand, aber als er sich erinnerte, was dieser ihm zuvor angetan hatte, wagte er nicht, ihn zu gebrauchen.

Er zog sich am Tisch hoch und warf einen verächtlichen Blick auf die Menge. »Ha! Ich habe es nicht nötig, mich vor so einem Pack wie euch unter Beweis zu stellen...«

»Ich finde aber auch, das wäre wirklich eine gute Idee«, murmelte Tolpan und zupfte an Raistlins Robe.

»Seht ihr!« schrie Sturm. »Der Hexer kann es nicht! Ich verlange Gerechtigkeit!«

»Gerechtigkeit! Gerechtigkeit!« grölte die Menge. »Verbrennt die Hexen! Verbrennt ihre Körper! Rettet ihre Seelen!«

»Nun, Zauberer?« fragte Tanis streng. »Kannst du beweisen, was du behauptest zu können?«

Zauberworte entschlüpften ihm ohne Kontrolle. Crysanias Hände umklammerten ihn. Der Lärm betäubte ihn. Er konnte nicht denken! Er wollte allein sein, fort von diesen lachenden Mäulern und flehenden, angsterfüllten Augen. »Ich...«, stammelte er und senkte seinen Kopf.

»Verbrennt sie!«

Grobe Hände ergriffen Raistlin. Das Gericht verschwand vor seinen Augen. Er kämpfte, aber es war sinnlos. Der Mann, der ihn festhielt, war groß und stark, mit einem Gesicht, das einst vielleicht fröhlich gewesen war, aber jetzt ernst und gespannt dreinschaute.

»Caramon! Bruder!« schrie Raistlin und wand sich im Griff des großen Mannes.

Aber Caramon ignorierte ihn. Er packte Raistlin nur noch fester und zerrte den zerbrechlichen Magier einen Hügel hoch. Raistlin schaute sich um. Vor ihm erhoben sich auf dem Hügel zwei hohe Holzpfosten, die in den Boden getrieben waren. Am Fuß jedes Pfostens warfen die Stadtbewohner – seine Freunde, seine Nachbarn – schadenfroh riesige Mengen Trockenholz auf einen Haufen.

»Wo ist Crysania?« fragte er seinen Bruder und hoffte, sie wäre entkommen und könnte nun zurückkehren, um ihm zu helfen. Doch dann erhaschte Raistlin einen Blick auf weiße Roben. Elistan band Crysania gerade an einen Pfahl. Sie kämpfte und versuchte, seinem Griff zu entfliehen, aber sie war von ihrem Leiden geschwächt. Schließlich gab sie auf. Vor Angst und Verzweiflung weinend, sackte sie gegen den Pfahl zusammen, während ihre Hände nach hinten und ihre Füße am Pfahl gefesselt waren.

Dir dunkles Haar fiel über ihre glatten, bloßen Schultern, die vor Weinen bebten. Ihre Wunden hatten sich geöffnet, und ihr Blut färbte ihre Roben rot. Raistlin meinte, sie einen Schrei zu Paladin ausstoßen zu hören, aber falls das stimmte, konnten ihre Worte über dem grölenden Mob nicht gehört werden. Ihr Glaube ließ im gleichen Maße nach, wie sie selbst schwächer wurde.

Tanis trat mit einer brennenden Fackel in seiner Hand heran. Er wandte sich an Raistlin. »Du wirst erst ihr Schicksal anschauen und dann dein eigenes erleben, Hexer!« rief er.

»Nein!« Raistlin kämpfte, aber Caramon hielt ihn fest.

Tanis bückte sich und warf die flammende Fackel in das öldurchtränkte, trockene Holz. Es fing sofort Feuer, das sich schnell ausbreitete und bald Crysanias weiße Roben verschlang. Raistlin hörte ihren qualvollen Schrei durch das tosende Feuer. Es gelang ihr, den Kopf zu heben, um einen letzten Blick zu Raistlin zu schicken.

Als Raistlin den Schmerz und die Angst in ihren Augen sah und auch ihre Liebe, brannte sein Herz in einem Feuer, das heißer war, als es ein Lebewesen erzeugen konnte. »Sie wollen Magie! Ich gebe ihnen Magie!« Und bevor er weiter nachdachte, schob er den verblüfften Caramon zur Seite, riß sich frei und streckte seine Arme dem Himmel entgegen.

In diesem Moment traten die Worte der Magie in seine Seele, um ihn nie wieder zu verlassen.

Blitze zuckten aus seinen Fingerspitzen und streiften die Wolken im rotgefärbten Himmel. Die Wolken antworteten mit Blitzen, die nach unten fuhren und in den Boden vor den Füßen des Magiers einschlugen.

Zornerfüllt wandte sich Raistlin der Menge zu – aber die Menschen waren verschwunden, wie aufgelöst, als ob sie niemals existiert hätten.

»Ah, meine Königin!« Ein Lachen perlte über seine Lippen. Freude jagte durch seine Seele, während die Ekstase seiner Magie in seinem Blut glühte. Und schließlich verstand er. Er verstand seine große Torheit, und er erkannte seine große Chance.

Er war getäuscht worden – von sich selbst! Tolpan hatte ihm in Zaman den Schlüssel gegeben, aber er hatte nicht weiter darüber nachgedacht. »Ich dachte manchmal an etwas«, hatte der Kender erzählt, »und da tauchte es auch auf! Wenn ich irgendwohin wollte, mußte ich nur daran denken, und entweder kam der Ort zu mir, oder ich ging dorthin, darüber bin ich mir nicht ganz sicher. Es waren alle Städte, in denen ich je gewesen war, und doch keine von ihnen.« So hatte der Kender erzählt.

Ich habe vermutet, die Hölle sei eine Widerspiegelung der Welt, erkannte Raistlin. Und so bin ich durch sie gereist. Aber das stimmt nicht. Sie ist nichts weiter als eine Widerspiegelung meines Geistes! Ich bin die ganze Zeit nur durch meinen eigenen Geist gereist!

Die Königin ist in der Heimat der Götter, weil ich glaubte, daß sie dort ist. Und die Heimat der Götter ist genauso weit entfernt oder in der Nähe, wie ich mich entscheide! Meine Magie hat nicht funktioniert, weil ich gezweifelt habe, und nicht weil mich etwas abhielt, sie anzuwenden. Ich war schon fast soweit, mich selbst zu besiegen! Ah, aber jetzt weiß ich Bescheid, meine Königin! Jetzt weiß ich Bescheid, und jetzt kann ich triumphieren! Denn die Heimat der Götter ist nur einen Schritt entfernt, und es ist nur ein weiterer Schritt zum Portal...

»Raistlin!«

Die Stimme klang leise, gequält, erschöpft und verbraucht. Raistlin wandte seinen Kopf um. Die Menge war verschwunden, weil sie niemals existiert hatte. Sie war seine Erfindung gewesen. Das Dorf, das Land, der Kontinent, alles, was er sich vorgestellt hatte, war verschwunden. Er befand sich in einem flachen, wellenförmigen Nichts. Himmel und Boden waren nicht zu unterscheiden, denn beide waren in den gleichen unheimlichen, brennenden Rosaton getaucht. Eine blasse Linie am Horizont schnitt sich wie ein Messer durch das Land.

Aber ein Gegenstand war nicht verschwunden – der Holzpfahl. Umgeben von angekohltem Holz, reckte er sich in den rosafarbenen Himmel und drängte sich von dem Nichts unter ihm nach oben. Eine Gestalt lag neben dem Pfahl. Sie hatte vielleicht einst weiße Roben getragen, aber jetzt waren sie schwarz verbrannt, und der Geruch verkohlten Fleisches war stark.