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»Sterben wäre sicherlich am einfachsten«, wiederholte Caramon, eher zu sich als zu Tolpan. »Es wäre einfach, wenn ich mich hinlegen und mich der Dunkelheit überlassen könnte.« Dann biß er die Zähne zusammen und kam taumelnd auf die Füße. »Witzig«, fügte er grimmig hinzu, als er sein Schwert zog und begann, einen Zweig des umgestürzten Vallenholzbaumes abzuhacken, unter dem sie Zuflucht gesucht hatten. »Raist hat mich einmal gefragt: ›Würdest du mir in die Dunkelheit folgen?‹«

»Was machst du da?« fragte Tolpan und starrte Caramon neugierig an.

Aber Caramon antwortete nicht. Er hackte einfach an dem Zweig weiter.

»Du machst dir eine Krücke!« stellte Tolpan fest und sprang auf einmal in plötzlicher Berunruhigung auf die Füße. »Caramon! Du kannst das doch nicht wirklich denken! Das... das ist Wahnsinn! Ich erinnere mich, daß Raistlin dir diese Frage gestellt hat, und ich erinnere mich auch an seine Antwort, als du ihm deine Hilfe zugesagt hattest! Er sagte, es würde deinen Tod bedeuten, Caramon! So stark, wie du auch bist, es würde, dich umbringen!«

Caramon antwortete immer noch nicht. Nasse Holzspäne flogen, als er an dem Zweig schnitzte. Gelegentlich warf er einen Blick nach hinten auf die Sturmwolken, die sich langsam näherten, sich vor die neue Konstellation schoben und auf die Monde zukrochen.

»Caramon!« Tolpan ergriff den Arm des großen Mannes. »Selbst wenn du gehen würdest... dorthin« – der Kender wagte das Wort nicht auszusprechen – »was willst du denn dort machen?«

»Etwas, was ich schon vor langer Zeit hätte tun sollen«, antwortete Caramon entschlossen.

4

»Du willst ihm nachgehen, nicht wahr?« schrie Tolpan und krabbelte aus dem Loch – eine Bewegung, die ihn auf Augenhöhe mit Caramon brachte, der immer noch an dem Ast herumhackte. »Das ist Wahnsinn, einfach Wahnsinn! Wie willst du denn dorthin kommen? Wo ist dorthin überhaupt? Du weißt doch nicht einmal, wohin du gehen mußt! Du weißt doch nicht, wo er ist!«

»Ich kenne eine Möglichkeit, dorthin zu kommen«, antwortete Caramon kühl und steckte sein Schwert wieder in seine Scheide zurück. Er nahm den Zweig in seine kräftigen Hände, zog und drehte daran, und schließlich gelang es ihm, ihn abzubrechen. »Gib mir mal dein Messer«, bat er Tolpan.

Der Kender reichte es ihm seufzend und wollte seinen Protest fortsetzen, während Caramon kleine Zweige abschnitt, aber der große Mann fiel ihm ins Wort.

»Ich habe das magische Gerät. Und was das dort angeht« – er beäugte Tolpan streng – »da kennst du dich doch aus!«

»Die... die Hölle?« stammelte Tolpan.

Ein dumpfes Donnergrollen ließ beide besorgt zu den näherrückenden Sturmwolken hochschauen, dann wandte sich Caramon mit erneuter Energie seiner Arbeit zu, während Tolpan immer neue Einwände hervorstieß. »Das magische Gerät brachte Gnimsch und mich da heraus, Caramon, aber ich bin fest überzeugt, daß es dich nicht hineinbringt. Du wirst dort sowieso nicht sein wollen«, fügte der Kender entschlossen hinzu. »Es ist kein netter Ort.«

»Vielleicht kann es mich nicht hineinbringen«, begann Caramon, dann winkte er Tolpan zu sich. »Bevor der nächste Sturm beginnt, laß uns mal ausprobieren, ob diese Krücke funktioniert. Wir gehen zu Tika hinüber – zu dem Obelisken.«

Der Krieger schnitt ein Stück von seinem schmuddeligen, nassen Umhang mit dem Schwert ab, band es an der Spitze des Astes fest, schob diesen unter seinen Arm und lehnte sein Gewicht versuchsweise darauf. Die grob geschnitzte Krücke versank einige Zentimeter im Schlamm. Caramon riß sie heraus und machte einen weiteren Schritt. Er sank wieder ein, aber er schaffte es, sich mühsam fortzubewegen, und konnte sein Gewicht von seinem verletzten Knie verlagern. Tolpan half ihm, und langsam humpelten sie im Schneckentempo über den nassen, glitschigen Boden.

Wohin gehen wir? hätte Tolpan gerne gefragt, aber er hatte Angst vor der Antwort. Unglücklicherweise schien Caramon seine Gedanken hören zu können, denn er antwortete auf seine unausgesprochene Frage.

»Vielleicht kann mich das Gerät nicht in die Hölle bringen«, erklärte Caramon schwer atmend, »aber ich kenne jemanden, der das kann. Das Gerät wird uns bestimmt zu ihm führen.«

»Wer?« fragte der Kender ungläubig.

»Par-Salian. Er wird in der Lage sein, uns zu erzählen, was geschehen ist. Er wird in der Lage sein, mich dorthin zu schicken... wohin ich auch gehen muß.«

»Par-Salian?« Tolpan sah fast genauso beunruhigt aus, als wenn Caramon von der Königin der Finsternis gesprochen hätte. »Das ist ja noch verrückter!« wollte er sagen, aber statt dessen wurde ihm plötzlich ganz übel. Caramon hielt an, um auf ihn zu warten. Auch er sah im Mondlicht blaß und krank aus.

Überzeugt, daß er aus seinem Inneren vom Haarzopf bis zu seinen Socken alles herausgelassen hatte, fühlte sich Tolpan etwas besser. Er nickte Caramon zu, zu müde, um zu reden. Er konnte kaum noch weiterstolpern.

Mühsam stampften sie durch den glitschigen Schlamm und erreichten schließlich den Obelisken. Hier ließen sie sich auf den Boden fallen und lehnten sich gegen das Denkmal, erschöpft von der anstrengenden Wanderung, obwohl es sich nur um ungefähr zwanzig Schritte gehandelt hatte. Der heiße Wind wurde stärker, und das Rollen des Donners kam näher. Schweiß bedeckte Tolpans Gesicht, und um seine Lippen lag ein grünlicher Schatten, aber er schaffte es trotzdem, Caramon mit einer, wie er hoffte, unschuldigen Miene anzulächeln.

»Wir gehen also Par-Salian besuchen?« fragte er lässig und wischte sich mit seinem Haarzopf über das Gesicht. »Oh, ich glaube nicht, daß das wirklich eine gute Idee ist. Du bist nicht in der Verfassung, den ganzen Weg zu laufen. Wir haben weder Wasser noch Proviant und...«

»Ich werde nicht laufen.« Caramon nahm den Anhänger aus seiner Tasche und begann, ihn in ein wunderschönes, juwelenbesetztes Zepter zu verwandeln.

Als Tolpan das sah, schluckte er leicht und redete schneller.

»Ich bin überzeugt, daß Par-Salian sehr... sehr beschäftigt ist. Beschäftigt! Das ist es!« Er gab ein verzerrtes Grinsen von sich. »Viel zu beschäftigt, um uns jetzt zu empfangen. Hat wahrscheinlich eine Menge zu tun, bei diesem ganzen Chaos, das um ihn passiert. Laß uns das also vergessen und zu einem Ort zurückreisen, wo wir Spaß hatten. Wie wäre es, wenn wir in die Zeit zurückreisen, wo Raistlin den Liebeszauber auf Bupu warf und sie sich in ihn verliebte? Das war doch wirklich lustig! Diese ekelhafte Gossenzwergin folgte ihm...«

Caramon antwortete nicht. Tolpan wickelte das Ende seines Haarzopfes um seinen Finger.

»Tot«, sagte er plötzlich und gab einen trauernden Seufzer von sich. »Armer Par-Salian. Wahrscheinlich tot wie ein Türknopf. Immerhin«, dem Kender fiel schon wieder etwas Erfreuliches ein, »er war alt, als ich ihn damals im Jahr 356 gesehen habe. Er sah auch nicht besonders gesund aus. Das muß für ihn wahrhaftig ein Schock gewesen sein – daß Raistlin ein Gott geworden ist und das alles. Wahrscheinlich zuviel für sein Herz. Peng – das hat ihn wahrscheinlich sofort umgehauen.«

Tolpan spähte zu Caramon hinüber. Auf dessen Lippen lag ein leichtes Lächeln, aber er sagte nichts, sondern drehte und wendete die einzelnen Teile des Anhängers. Ein heller Blitz ließ ihn zusammenzucken. Er sah zu dem Sturm hinauf, und sein Lächeln verschwand.

»Ich wette, der Turm der Erzmagier wird nicht einmal mehr da sein!« schrie Tolpan verzweifelt. »Wenn es stimmt, was du gesagt hast, und die ganze Welt ist... so wie hier...« – er beschrieb mit seiner Hand hastig einen kleinen Kreis, während der stinkende Regen wieder einsetzte – »Bestimmt hat der Turm als erstes daran glauben müssen! Vom Blitz getroffen! Bum! Immerhin war der Turm höher als die meisten Bäume, die ich gesehen habe...«

»Der Turm wird noch stehen«, unterbrach Caramon grimmig und nahm die letzte Einstellung an dem magischen Gerät vor. Er hielt es hoch. Die Juwelen wurden von den Strahlen Solinaris erfaßt, und einen Augenblick glänzten sie auf. Dann fegten Sturmwolken über den Mond und verschlangen ihn. Die Dunkelheit war jetzt undurchdringlich und wurde lediglich von leuchtenden, wunderschönen, tödlichen Blitzen unterbrochen.