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Und so war die synthetische Luft in den Habitaten voller und roch kräftiger als die denaturierte ›echte‹ Luft in abgeschotteten Häusern auf der Erde. Sie stieg einem richtig zu Kopf. Zu prickelnd, fand Farkas. Er wusste, es war eine sauberere Luft als die in irgendwelchen Innenräumen auf der Erde, aber so richtig an sie zu gewöhnen, hatte er bisher noch nie zustande gebracht. Er erwartete einfach, dass Luft schal und tot rieche, außer wenn man sich ohne Maske im Freien aufhielt und sich die Lungen mit all den wundervollen Wasserstoffen vollpumpte. Aber diese spritzige frühlingshafte Luft war ihm denn doch zu rein und gesund für seine Bedürfnisse.

Aber wenn ich ein bisschen länger Zeit habe, dachte er, werde ich das vielleicht mögen.

Zu Olmo sagte er: »Die Ware soll an einem Ort namens El Mirador gelagert sein. Mein Kurier bringt mich dann heute später dort hin, damit ich mir das Lagerhaus mal anschauen kann.«

»Bueno! Und du bist sicher, dass alles nach Plan gehen wird?«

»Bin ich. Sehr.«

»Hast du einen handfesten Grund für diese Überzeugung?«

»Reine Intuition«, sagte Farkas. »Aber ich habe ein Gefühl, dass es richtig ist.«

»Verstehe. Du verfügst über Sinne, die anders sind als bei uns. Du bist ein sehr außergewöhnlicher Mensch, Victor.«

Farkas gab darauf keine Antwort.

Olmo sagte: »Wenn die Ware deinen Wünschen entspricht, wann beabsichtigst du die Verschiffung vorzunehmen?«

»Schon sehr bald, glaube ich.«

»In die Heimatzentrale?«

»Nein«, sagte Farkas. »Der Plan wurde geändert. Die Zentrale verlangt, dass die Ware direkt in die Fabrik geliefert wird.«

»Ah. Verstehe.«

»Wenn du liebenswürdigerweise dafür sorgen könntest, dass die Verschiffungspapiere exakt in Ordnung sind, lasse ich es dich wissen, sobald wir die Ware auf den Weg bringen können.«

»Und die Zollgebühren …?«

»Werden auf die gewohnte Art geregelt. Ich glaube nicht, dass Don Eduardo Grund zur Klage haben wird.«

»Es wäre sehr peinlich, wenn es der Fall sein würde.«

»Es wird keinerlei Schwierigkeiten geben.«

»Bueno«, sagte Olmo. »Don Eduardo ist immer unglücklich, wenn wertvolle Güter aus Valparaiso Nuevo entfernt werden. Und man muss immer mit seinem Missfallen rechnen.«

»Ich sagte bereits, es gibt Entschädigung, oder?«

In Farkas' Stimme war auf einmal eine ganz neue Stärke, und Olmos Bild reagierte darauf mit einer leichten Farbänderung von Kobaltblau zu einem Fastschwarz, als wollte er Farkas zu verstehen geben, dass der Gedanke, die notwendigen Bestechungsgelder könnten irgendwie ausbleiben, ihn beunruhigte und dass er die unausgesprochene Zurechtweisung von Seiten des Blinden als beleidigend empfinde. Doch Farkas erkannte, dass die ursprüngliche Farbe nach einem Moment in Olmos Gesicht zurückkehrte; die kleine Krise war überstanden.

»Bueno!«, sagte Olmo wieder einmal. Und jetzt schien er das wirklich zu meinen.

El Mirador lag in seiner Speiche auf halber Strecke zwischen Nabe und Rand. In seine Schutzwand waren breite verglaste Fensternischen eingelassen, durch die man eine überwältigende Aussicht genießen konnte – auf das restliche Valparaiso Nuevo und auf die Sterne und die Sonne und den Mond und die Erde und all das. Als Juanito mit Farkas eintraf, lief gerade eine Sonnenfinsternis ab, keine große Seltenheit in Satellitenwelten, doch auch nicht eben gewöhnlich: die Erde war direkt vor die Sonne gepflastert, und es blitzte nur ein grellheißer Lichtschein drunten herauf, wie das Funkeln eines Diamanten aus einer goldenen Ringfassung. Das Dorf war von bläulich-roten Schatten erfüllt, tiefen, dichten Schatten, ein schwerer Samtvorhang, der sich über alles herabsenkte.

Juanito mühte sich zu beschreiben, was er sah. Farkas reagierte mit einer ungeduldigen fahrigen Armbewegung.

»Ich weiß, ich weiß. Ich fühle es in meinen Zähnen.« Sie standen auf einer breiten Personentransporttreppe und fuhren in den Ort hinab auf die Plaza. »Die Sonne ist im Moment lang und dünn, wie die Schneide einer Axt. Die Erde hat sechs Ecken, und jede glüht in einer anderen Farbe.«

Juanito starrte den Blinden erstaunt an.

»Wu ist hier«, fuhr Farkas fort. »Da drunten auf der Plaza. Ich fühle seine Gegenwart.«

»Aus einer Entfernung von hundert Metern?«

»Komm mit!«

»Was tun wir, falls er tatsächlich dort ist?«

»Bist du bewaffnet?«, fragte Farkas.

»Ich hab meinen Spike, ja.« Juanito klopfte sich auf den Schenkel.

»Gut. Stell ihn auf Schockstärke, aber benutze ihn möglichst überhaupt nicht, wenn's geht. Ich will nicht, dass du ihn irgendwie verletzt.«

»Verstanden. Du willst ihn selber umbringen, wenn du dazu Lust und Laune hast. Ganz gemütlich langsam, um das Vergnügen möglichst lang zu genießen.«

»Pass du nur einfach auf, dass ihm nichts geschieht, das ist alles«, sagte Farkas. »Und jetzt komm!«

Der Ort hatte ein altertümliches Aussehen, das klassische Bild einer lateinamerikanischen Kleinstadt; niedrige pastellfarbene Häuser mit massenhaft schmiedeeisernen Verzierungen an den Fassaden, die Plaza mit Pflastersteinen bedeckt, in der Mitte eine komplizierte Brunnenkonstruktion, an den Seiten malerische kleine Caférestaurants. In dem Ort lebten schätzungsweise zehntausend Personen, und es hatte den Anschein, als hätten sie sich allesamt in diesem Moment auf der Plaza versammelt, wo sie etwas tranken und sich die Sonnenfinsternis anschauten. Juanito war froh darüber. Die Verfinsterung war das Tagesereignis. Niemand schenkte ihnen Beachtung, als sie auf dem Personentransporter abwärts schwebten und auf die Plaza traten. Verdammt dickes Ding, dachte Juanito. Da kommst du an einen Ort, und ein Mann ohne Augen geht direkt hinter dir her, und keiner beachtet euch im geringsten. Aber wenn die Sonne wieder herauskommt, wird sich das vielleicht ändern.

»Dort ist er«, flüsterte Farkas. »Links, etwa fünfzig Meter entfernt, sechzig.«

Er gab die Richtung mit einer kaum merklichen Kopfdrehung an. Juanito spähte durch das trübe Purpurlicht nach vorn und konzentrierte sich auf das Café an der Plaza, das direkt neben dem vor ihnen lag. Etwa ein Dutzend Personen saßen dort in Grüppchen unter schillernden Fiberglasmarkisen bei ihren Drinks, plauderten und genossen den Tag. Eben einen angenehmen beiläufigen Nachmittag im guten alten gemütlichen El Mirador im verschlafenen alten Valparaiso Nuevo.

Farkas hatte sich zur Seite gedreht, zweifellos damit sein seltsames Gesicht teilweise verdeckt bliebe. Aus dem Mundwinkel sagte er: »Wu sitzt allein am vordersten Tisch.«

Juanito schüttelte den Kopf. »Die einzige allein sitzende Person ist eine Frau, etwa fünfzig, fünfundfünfzig Jahre, mit langem rötlichem Haar, großer Nase, unauffällige, fast schäbige Kleidung, seit zehn Jahren aus der Mode.«