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»In der Tat, so sieht es aus«, gab Enron gelassen zu. »Soweit ich davon etwas weiß, verfügen wir nicht über einen funktionierenden interstellaren Antrieb, und es ist uns noch nicht geglückt, irgendwelche Planeten außerhalb unseres Sonnensystems zu entdecken, ganz zu schweigen von einem, auf dem menschliches Leben möglich wäre.«

»Da bin ich nicht ganz so sicher«, sagte Rhodes fast flüsternd.

Enron wandte sich ihm zu und sah ihn an. Rhodes, aus der Fassung gebracht, weil er so plötzlich das Interesse wieder auf sich gelenkt hatte, schluckte hastig die Neige aus seinem Glas und bestellte mit einer Handbewegung schon wieder Nachschub.

»Wir hätten so einen Planeten gefunden, willst du sagen?«, fragte Enron.

»Wir haben einen interstellaren Antrieb – den Stardrive«, sagte Rhodes. »Das heißt, vielleicht kriegen wir ihn. Ich habe gehört, dass es da kürzlich einen entscheidenden Durchbruch gegeben hat und dass wichtige Tests in Vorbereitung sind.«

»Dieser Stardrive – du sagtest ›wir‹. Handelt es sich da um ein Projekt der Samurai Industries?«, fragte Enron. Er schwitzte plötzlich. Seine Augen verrieten ein schärferes Interesse, als er wahrscheinlich zu zeigen bereit war.

»Nein. Eigentlich meinte ich mit ›wir‹ nur kollektiv die menschliche Spezies ganz allgemein. Den Gerüchten zufolge sind sie bei Kyocera-Merck schon ganz schön weit vorangekommen mit irgendeinem Sternenschiff-Projekt. Nicht wir.«

»Aber Samurai würden doch bestimmt auch an einem ähnlichen Projekt mitarbeiten«, sagte Enron, »und sei es nur, um Konkurrenzfähigkeit zu demonstrieren.«

»Damit hast du wahrscheinlich sogar recht«, sagte Rhodes und zuckte zusammen, wie wenn ihm jemand unter dem Tisch ans Schienbein getreten hätte. Carpenter erhaschte den flüchtigen ärgerlichen Blick, den er Isabelle zuwarf. »Ich will damit sagen, es gibt auch diesbezüglich Gerüchte«, sagte er nach einem Augenblick des Zögerns, nun wieder ausweichend. »Ich habe wirklich keine Ahnung, ob etwas daran ist. Wir bekommen immer sowas zu hören. Aber du bist dir doch darüber im Klaren, dass natürlich irgendwelche Stardrive-Forschungen bei Samurai in völlig anderen Abteilungen im Gange wären, nicht in meiner.«

»Ja. Natürlich.« Dann schwieg Enron eine Weile und stocherte unlustig auf seinem Teller herum. Er überdachte unverkennbar die Information, die Rhodes sich da hatte entschlüpfen lassen.

Carpenter fragte sich, ob an der Sache etwas Wahres sein könnte. Ein interstellarer Antrieb? Eine Expedition in ein anderes Sonnensystem, die Gründung einer Neuen Erde in fünfzig Lichtjahren Entfernung? Ein Neubeginn, ein zweiter Paradiesgarten Eden. Die Ungeheuerlichkeit der Idee betäubte ihn für einen Augenblick.

Aber Isabelle hatte diesmal recht gehabt: Darin lag keine Lösung für die Probleme auf dieser Erde hier. Die Vorstellung war zu verrückt. Es würde Jahrhunderte dauern, bis man zu irgendwelchen anderen Sternen gelangen würde, selbst falls man irgendwo einen anderen erdähnlichen Planeten entdecken könnte; und selbst wenn das geschehen sollte, man würde niemals in der Lage sein, einen signifikanten Bruchteil der Milliarden Erdbewohner dorthin zu transportieren. Also kann man das vergessen, sagte Carpenter sich selber. Es war wirklich sinnlos.

Enron hatte sich wieder gefasst. »Das ist hochinteressant. Hoffnung auf ein funktionierendes Antriebssystem zu den Sternen. Ich muss mich bei Gelegenheit einmal genauer damit befassen, Dr. Rhodes. Könnten wir für heute zu unserem Thema zurückkehren, der letzten Option, die der Menschheit bleibt – und darüber wollte ich heute Abend mit dir sprechen. Ich spreche von dem Einsatz von Genspleißtechniken, um neugeborene Kinder an die immer giftiger werdende Atmosphäre anzupassen, mit der es die Erdbevölkerung zu tun haben wird.«

»Nicht nur die Neugeburten«, sagte Rhodes. Zum ersten Mal, seit sie in dem Restaurant angelangt waren, wirkte er nun lebhaft und erregt. »Wir erforschen auch Möglichkeiten des Retrofittings für menschliche Erwachsene, um sie an die auf uns zukommenden Bedingungen anzupassen.«

»Oh. Aber das ist wirklich hochinteressant«, sagte Enron.

»Ja, wir können alle zusammen zu Monstern werden«, sagte Isabelle. »Ach, Schöne Neue Welt, in der dann solche Leute leben!«

Carpenter bemerkte plötzlich, dass er die ganze Zeit mit Rhodes Drink um Drink mitgezogen hatte und bei weitem weniger gut geeicht war, mit solchen Alkoholmengen fertig zu werden, als Rhodes.

»Bitte, Ms. Martine«, sagte Enron geschmeidig und wandte sich erneut an Rhodes. »Doktor, wie sieht euer Fahrplan aus, wann wird die Erdatmosphäre den Punkt erreicht haben, an dem unsere Luft für menschliche Wesen in ihrem jetzigen physiologischen Zustand nicht mehr zu atmen sein wird?«

Rhodes gab nicht sogleich eine Antwort. Schließlich sagte er: »In vier, fünf Generationen. Allerhöchstens sechs.«

Enron zog die Augenbrauen hoch. »Du meinst, in hundertfünfzig, höchstens zweihundert Jahren?«

»Mehr oder weniger. Ich möchte mich da ungern festlegen. Aber die Zahlen sprechen für sich. Die Schicht von Treibhausgasen um uns lässt immer noch die Ultraviolettstrahlung durch und verhindert die Abstrahlung von Infrarot, also werden wir bei weiter wachsender Hitze weiter gebacken und gebraten. Zusätzlich dazu verlieren wir immer größere Teile unserer Ozonschutzhülle. Durch die Lücken ergießt sich starke Sonnenstrahlung und kocht unseren Planeten wie ein gigantischer Laser hoch, wodurch sich die ganzen in den letzten paar Jahrhunderten einsetzenden Verschlechterungsprozesse beschleunigen. Die Meere rülpsen wie besoffen Methan aus. Und die pflanzlichen Biota, auf die zu verlassen wir uns angewöhnt hatten, dass sie die CO2-Überschüsse in der Atmosphäre durch ihre Photosynthese beseitigen, bescheren uns mittlerweile dank der raschen Zersetzungsprozesse abgestorbenen pflanzlichen Materials in den neuen feuchten Dschungelregionen auf dem ganzen Planeten einen drastischen Nettozuwachs dieses Gases. Von Jahr zu Jahr entfernt sich die Substanz, die wir als Luft atmen, immer weiter in ihrer chemischen Zusammensetzung von dem, an was wir uns im Lauf der Entstehungsgeschichte der Menschheit gewöhnt hatten.«

»Und es ist nicht wahrscheinlich, dass wir uns weiterentwickeln, eine neue Evolution erleben könnten, die uns den veränderten Umständen anpasst?«, fragte Enron.

Rhodes lachte; heftig, explosiv und scharf. Es war das drastischste Anzeichen von Vitalität seinerseits an dem ganzen bisherigen Abend.

»Eine Evolution? In fünf, sechs Generationen? So schnell funktioniert die Entwicklung nicht. Jedenfalls nicht in der Natur.«

»Aber eine Evolution lässt sich auch künstlich herbeiführen«, sagte der Mann aus Israel. »In Laboratorien.«

»Genau.«

»Und würdest du uns dann sagen, welche spezifischen Zielsetzungen euer Forschungsbereich hat? Welche körperlichen Aspekte versucht ihr beim Menschen zu modifizieren? Und welche Fortschritte habt ihr da bisher gemacht?«

»Du sagst dem kein verdammtes Wort mehr, Nick!«, sagte Isabelle. »Der ist ein Spion von Kyocera oder sonst einer Firma, die wir nicht mal dem Namen nach kennen, irgendwelche Leute, die von Kairo oder Damaskus aus arbeiten, merkst du das denn nicht?«

Rhodes errötete. »Isabelle, bitte!«

»Aber es ist doch wahr!«

Enron streifte sie, diesmal weniger ärgerlich, nur mit einem Blick und sagte fast herablassend: »Ich habe die Erlaubnis zu diesem Interview von Dr. Rhodes' Arbeitgebern, Ms. Martine. Und wenn die nichts von mir befürchten, besteht dann irgendein Grund, weshalb du das solltest?«

»Also …«

Rhodes sagte: »Ich glaube nicht, dass sie ernstlich deine Seriosität in Zweifel ziehen wollte, Mr. Enron. Sie mag es nur nicht, wenn ich über irgendwelche Einzelheiten meiner Forschungsarbeit spreche.«

Enron betrachtete Isabell, als wäre sie eine fremdartige Lebensform, die soeben aus dem Teppich gewachsen war. »Und was genau an Dr. Rhodes' Arbeit versetzt dich in solche Bedrängnis?«, fragte er sie.