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Carpenter blickte sich nach Jolanda um. Sie stand neben Enron dicht am Wasser und schaute auf die blitzende Lichterspur quer über die Bucht nach San Francisco hinüber, und so wie sie da standen, zog Carpenter den Schluss, dass er vom Haken sei. Jolanda war einen halben Kopf größer als der kleine massive Israeli, der aber flüsterte auf drängende, intime Art auf sie ein, und ihre Körperhaltung wirkte durchaus bereitwillig. Dann aber wandte sie sich um und warf Carpenter einen erwartungsvollen Blick zu, und er begriff, dass es nicht um den Rest der Nacht ging, was immer Enron da gerade zu erreichen versucht hatte.

Also spielte er das gewohnte Ritual ab, fragte sie, ob sie vielleicht Lust hätte, mit ihm in seinem Hotel einen letzten Drink zu nehmen, und sie ließ die Augenlider flattern und gab ihm so ein zimperliches Ja, und damit war es klar. Er kam sich blöde vor, und auch irgendwie ein bisschen wie ein Callboy. Aber was sollte es, verdammt. Verdammt, er würde übergenug Gelegenheit bekommen, alleine zu schlafen, wenn er draußen im Pazifik Eisberge einfangen würde.

Rhode schaltete den Wagen auf Autosteuerung, und sie gelangten völlig problemlos hinüber nach San Francisco. Jolanda kuschelte sich angenehm an Carpenter, als hätten sie den ganzen Abend lang geduldig auf den Vollzug hingearbeitet, der sie nun erwartete. Vielleicht war das ja so, dachte Carpenter, und ich habe es nur nicht gemerkt.

Als der Wagen bei Enrons Hotel anlangte, einem ehrwürdigen Gebäude in Schaudergotik am Union Square, ergriff der Journalist Jolandas Hand, ehe er ausstieg, hielt sie lange fest, küsste sie dann theatralisch und sagte zu ihr: »Es war ein höchst angenehmer Abend. Ich freue mich schon sehr darauf, dich wiederzusehen.« Dann dankte er Rhodes, und sogar Isabelle, nickte Carpenter zu und schoss davon.

»Was für ein bemerkenswerter Mensch«, murmelte Jolanda. »Nicht angenehm, nein, aber unbedingt bemerkenswert. So überwältigend dynamisch. Und eine so klare Erkenntnis der Weltprobleme. Ich finde, diese Israelis sind faszinierend, meinst du nicht auch, Paul?«

»Marriott Hilton nächster Stopp«, sagte der Wagencomputer. Rhodes schien da vorne eingeschlafen zu sein. Sein Kopf lehnte an Isabelles Schulter. Carpenter fühlte sich überhaupt nicht müde, doch seine Augen schmerzten und brannten von der Luft, von dem anstrengenden Abend, und weil es schon so spät in der Nacht war. Und es würde eine Nacht ohne Schlaf werden, argwöhnte er. Nun ja, es war nicht die erste. Wahrscheinlich auch noch nicht die letzte.

»Lassen wir doch den Drink einfach aus«, sagte Jolanda zu ihm in der Halle seines Hotels, »und gehen wir einfach zu dir rauf.«

Oben in seinem Zimmer fragte sie, während sie sich auszogen: »Kennst du Nick Rhodes schon lange?«

»Ach, nur so an die dreißig Jahre.«

»Ihr seid zusammen aufgewachsen?«

»Ja. In Los Angeles.«

»Er beneidet dich ganz schrecklich, weißt du.« Sie schleuderte ihr Unterzeug weg, streckte sich, holte tief Luft, genoss ihre eigene Nacktheit. Schwere Brüste, massige Schenkel, überall Grübchen, eine Kaskade duftiger gekrauster Haare; der versengende Latinoblick. Geil, dachte Carpenter. Angenehm.

»Beneidet mich?«

»Ganz und gar. Er hat mir alles über dich erzählt. Wie sehr er dich bewundert für deine unbeirrbare geistige Freiheit, dass du dich nicht von irgendwelchen moralischen Skrupeln festlegen lässt.«

»Du sagst mir also, er hält mich für unmoralisch?«, fragte Carpenter.

»Er meint, du bist flexibel. Das ist nicht das gleiche. Er bewundert deine rasche Bereitschaft, dich schwierigen Situationen schnell anzupassen, auch moralisch zwiespältigen. Er möchte auch gern so – einfach damit umgehen können wie du. Er verheddert sich immer in allen möglichen Problemen und verkrampft sich. Und du machst den Eindruck, dass du die Knoten einfach durchhaust.«

»Eigentlich hatte ich mich nicht für solch einen unabhängigen Geist gehalten«, sagte Carpenter. Er trat zu ihr und ließ seine Hand sacht über ihre Rückenwirbel gleiten. Die Haut war bemerkenswert glatt und weich. Das fand er angenehm. In letzter Zeit hatten sich viele Leute einem dermatologischen Retrofit unterzogen, um der mörderischen, auf dem Ozonschwund beruhenden Hautkrakelüre entgegenzuwirken. Meist half es den Leuten nicht viel; hinterher kamen sie heraus und sahen aus und fühlten sich wie ein Krokolederkoffer. Jolanda Bermudez aber hatte eine Haut, die sich anfühlte wie echte menschliche Frauenhaut, und Carpenter empfand das als sehr angenehm. Und das weiche nachgiebige Fleisch darunter auch.

Sie sagte: »Aber ist er nicht ein großer Mann, der Nick? So ein brillanter Kopf und so ernsthaft. Und wie hingebungsvoll er daran arbeitet, eine Lösung für die Probleme zu finden, die auf die Welt zukommen! Isabelle macht ihm das Leben ganz schön zur Hölle.«

»Ich fürchte, er zieht Frauen an, die ihm das Leben zur Hölle machen.«

Sie ging darauf überhaupt nicht ein. »Und ich versuche immer, ihr das nicht zu zeigen, aber es kommt schon mal vor, dass ich Isabelle sage, dass ich nicht einverstanden bin, wie sie Nicks Forschungsprogramm runtermacht. Es könnte vielleicht unsere einzige Rettung sein, so sehr es mir widerstrebt, das zuzugeben. Auch wenn ich fest überzeugt bin, dass unsere Emigration auf L-5 die beste Chance für uns Menschen ist, wahrscheinlich, hoffe und bete ich doch insgeheim, dass es irgendwie möglich sein wird, hier auf der Erde bleiben zu dürfen. Denkst du nicht auch? Und vielleicht hat Nick ja die einzige Lösung für das Problem. Also, wenn es uns nicht gelingt, Wege zu finden, wie wir den entsetzlichen Schaden, den wir in unserem Ökosystem angerichtet haben, rückgängig machen können. Und die Arbeit, die Nick …«

Die Frau war hellwach, sprudelte über von verbaler Energie. Carpenter bekam Angst, sie würde gleich wieder von vorn damit beginnen, wie nötig es sei, den Planeten zu beschützen. Das kommt vom Hyperdex, dachte er. Davon war sie die ganze Zeit so überdreht. Er begriff, dass er sie, einfach um sich selbst zu schützen, ins Bett legen musste, bevor sie sich zu sehr in ihr Geschwätz versteigen konnte. Also zog er sie nachdrücklich-behutsam auf das Bett und schmiegte sich sanft in die Wiege dieses geschmeidigen, sahneweichen Körpers. Er streichelte mit den Händen über ihre Flanken und über die Brüste, und er umschloss ihren Mund mit seinen Lippen. Es erwies sich als eine erfolgreiche Methode der Ablenkung.

Kapitel 9

Der Forschungssatellit Cornucopia von Kyocera-Merck befand sich nur einen kurzen Sprung von Valparaiso Nuevo entfernt, nur ein paar lächerliche hundert Kilometer. Einer der unzählbaren leuchtenden Punkte, die im Raum in der Nähe von L-5 herumtanzten, eine der Myriaden Glitzerquallen im Ozean der Nacht.

Farkas sollte sich in Cornucopia die Details für seinen nächsten Auftrag holen, und auf jeden Fall wollte er eine Chance bekommen, sich ein bisschen mit Dr. Wu zu unterhalten, ehe er den Satellitengürtel verließ. Er stellte sich vor, dass man ihm das immerhin schuldig sei; doch um sicher zu gehen, formulierte er seinen Wunsch als »dringend nötige Information«, als hätte eine andere Abteilung von K-M ihn gebeten, Dr. Wu zu befragen. Dies schien ihm bessere Erfolgschancen zu haben, als wenn er sein Ansuchen als persönliche Gunst darstellte.

Er wartete einige Tage auf Valparaiso ab, damit sie die Chance hatten, ihre Neuerwerbung dort drüben bequem unterzubringen. Dann buchte er eine Passage auf dem Mittagsshuttle, das täglich im regulären Pendelverkehr die benachbarten Gruppen von Habitaten abklapperte.

Keine Probleme mit Visa dabei. Es waren sowieso nur Befugte zugelassen; man bekam gar nicht erst ein Ticket nach Cornucopia, wenn man nicht nachweislich im Auftrag der Firma reiste und erwartet wurde. Selbst dann durfte man erst von Bord, wenn die Passagierliste geprüft war und die Firma sich offiziell bereit erklärte, jemanden zu empfangen.