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»Ich hoffe eben immer noch, dass sie sich zu meiner Überzeugung bekehrt.«

»Genau. Die Vernunft wird siegen – wie immer. Nur, meiner Erfahrung nach siegt die Vernunft fast nie. Und was ist deine Überzeugung, bitte? Du möchtest in deiner Arbeit erfolgreich sein, aber dieser Van Vliet beunruhigt dich und du fürchtest dich grässlich, du könntest am Ende Samurai den Schlüssel zur Weltherrschaft aushändigen.« Carpenter holte tief Luft. Er überlegte, ob er Rhodes nicht vielleicht zu hart zusetzte. »Willst du 'nen raschen billigen Rat? Gib die Gentechnik nicht auf. Du bist doch zutiefst überzeugt, dass deine Arbeit wichtig und notwendig ist. Oder?«

»Also …«

»Selbstverständlich. Du hegst bestimmte Bedenken dagegen, den Samurai Industries eine solche gewaltige Macht in die Hände zu geben, und ich begreife durchaus, aus welcher Ecke das kommt; aber im Grunde glaubst du doch fest, dass die Anpassung des Menschen an die künftige veränderte Atmosphäre der einzige Weg ist, die Zivilisation auf der Erde zu erhalten.«

»Ja. Das glaube ich.«

»Klar, verdammt noch mal. Die Arbeit ist doch das einzige, was einen in dieser elenden verrückten Treibhauswelt bei Verstand bleiben lässt. Spiel nicht einmal mit dem Gedanken, deine Arbeit hinzuschmeißen. Vergrab dich in sie so tief wie möglich, und wenn Isabelle da nicht mitmachen will, such dir eine andere Geliebte. Ich meine es ernst. Eine Zeitlang wirst du dir vorkommen wie nach einer Amputation, und dann triffst du jemand Neues – die Leute tun das die ganze Zeit – und es ist vielleicht nicht ganz so zauberhaft wie mit Isabelle, aber es wird gehen, und nach 'ner Weile fragst du dich, was diese ganze Verzauberung eigentlich überhaupt war.«

»Ich weiß nicht. Ich glaube nicht, dass ich …«

»Glaub nicht, handle! Und was deine Bedenken angeht, du könntest Samurai die Welt auf einem Silbertablett überreichen, auch das ist leicht. Steig bei Santachiara aus und geh woanders hin, etwa zu Kyocera-Merck. Nimm deine ganze Abteilung mit. Bring deine Gentechnologie auf den Wettbewerbsmarkt. Und lass Samurai und K-M um die Weltbeherrschung kämpfen. Aber dabei wird dann wenigstens die Technologie bereit stehen, wenn wir sie brauchen.«

»Das könnte ich nie tun. Es wäre Vertragsbruch. Die würden mich hetzen und umbringen.«

»Es soll schon Leute gegeben haben, die die Firma wechselten und es überlebt haben, Nick. Du könntest Personenschutz erhalten. Geh einfach an die Öffentlichkeit, erzähl der Welt, weshalb du willst, dass nicht nur ein Megamulti über das Geheimnis der Adaptotechnik verfügen sollte. Und dann …«

»Hör zu, Paul, dieses Gespräch wird recht riskant.«

»Ja, ich weiß.«

»Wir beenden es besser. Ich muss über all das nachdenken, was du mir gesagt hast.«

»Wir laufen morgen aus. Ich werde wochenlang draußen im Pazifik sein.«

»Gib mir die Nummer, wie ich dich an Bord erreichen kann.«

Carpenter überlegte kurz. »Nein. Ungute Idee. Samurai-Schiff, Samurai-Funkkanäle. Wir reden, wenn ich wieder zurück in Frisco bin.«

»Okay. Schön.« Rhodes klang sehr nervös, als malte er sich aus, wie ihre Unterhaltung bereits in den höchsten Chefetagen der Firma diskutiert würde. »He, und Paul, danke für alles, was du mir gesagt hast. Ich weiß, du hast mir für mich wichtige Sachen gesagt. Ich weiß aber nicht, ob ich mich danach richten kann.«

»Das liegt ganz bei dir, Kamerad, nicht wahr?«

»Ja, ich denke schon.« Ein blasses Lächeln huschte über sein Gesicht. »Du, pass gut auf dich auf da draußen auf hoher See. Bring mir einen Eisberg mit, ja? Einen kleinen.«

»So groß.« Carpenter deutete mit Daumen und Zeigefinger ein paar Zentimeter an. »Viel Glück, Nick.«

»Danke«, sagte Rhodes. »Für alles.«

Der Visor wurde leer. Carpenter zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf. Eine Wallung von Mitgefühl für Nick Rhodes überkam ihn und das fatale Gefühl, dass alles, was er ihm gerade gesagt hatte, vergeblich gewesen sei. Sicher, Rhodes litt; doch er war wirklich zu schwach, zu sehr durcheinander, zu waidwund, als dass er das, was ihn verletzte, einfach hinter sich hätte zurücklassen können. Das Scheitern seiner Ehe hatte ihn damals beinahe umgebracht, und als Reaktion darauf hatte er sich mit einer musterhaften San Franciscoer Radikalziege mit Luft im Hirn eingelassen, und da saß er jetzt, hoffnungslos eingefangen von Isabelle Martins bezaubernder Muschi, kam Abend für Abend aus seinem Labor zurück und ließ ihre wilden Tiraden gegen die Genmanipulation über sich niederprasseln. Hinreißend. Und zu alledem dann die Besorgnis, dass die Arbeit seiner Forschungsgruppe tatsächlich erfolgreich sein könnte und dass durch diesen Erfolg Samurai Industries die Weltwirtschaft in einen mörderischen Würgegriff bekommen würde. Das alles wies auf eine gewisse masochistische Tendenz in Rhodes' Psychostruktur hin, wie sie Carpenter früher nie bewusst wahrgenommen hatte.

Scheiße, dachte er. Rhodes macht sich einfach zu viele Sorgen, das ist die reine nackte Wahrheit. Damit bringt er sich noch in ein frühes Grab. Aber es scheint ihm Spaß zu bringen, wenn er sich Sorgen macht. Carpenter fand das ziemlich schwer zu verstehen.

Er stieg nach oben, um nachzusehen, ob seine restliche Crew an Bord gekommen sei.

Anscheinend waren inzwischen alle da. Auf der Leiter hörte er Stimmen, die grobe heisere Hitchcocks und Nakatas hellen Tenor, aber auch zwei weibliche Stimmen. Er hielt inne und lauschte.

»Wir kommen sowieso klar«, sagte Hitchcock.

»Aber wenn er bloß ein blöder Firmenarsch ist …« Die weibliche Stimme.

»Arsch, ja. Aber wahrscheinlich nicht blöd.« Das war Nakata. »Blödmänner steigen nicht bis Elf auf.«

»Was mir gar nicht passt«, sagte Hitchcock, »ist, dass sie uns dauernd diese verdammten Firmenkerle vorsetzen, statt 'nen echten Seemann zum Käpt'n zu machen. Bloß weil die irgendwie gelernt haben, welche Knöpfe man drücken muss, heißt das keinen verdammten Furz, und das sollten die besser wissen.«

»Hör mal, solang er seinen Job gut macht und uns in Frieden lässt …« Diesmal eine andere Frauenstimme.

Yeah, dachte Carpenter. Ich werde die Knöpfe drücken, die ich drücken soll, und ich lasse euch in Ruhe, solange ihr eure Knöpfe drückt, dann sind wir alle glücklich und zufrieden. Okay? Abgemacht?

Das Genörgel beunruhigte ihn nicht. Es gehörte dazu, wenn ein neuer Boss an Bord kam. Jede andere Reaktion wäre viel überraschender gewesen. Es gab keinen Grund, weshalb sie ihn auf Anhieb lieben sollten. Er würde ihnen einfach klarmachen müssen, dass er nur seine Arbeit tat, genau wie sie, und dass er ebenso wenig gern hier bei ihnen war, wie sie ihn haben wollten. Aber er war nun einmal hier. Für eine Weile jedenfalls. Und die ganze Verantwortung für den Betrieb des Schiffs lag bei ihm. Ihm würde man bei der Firma die Füße rösten, wenn irgend etwas auf der Fahrt schiefgehen sollte.

Aber was sollte schon schiefgehen? Es war schließlich bloß ein Eisbergschlepper.

Carpenter kletterte das letzte Stück an Deck. Er machte dabei genügend Lärm, um sie zu warnen. Die Unterhaltung an Deck verstummte, sobald das Echo seiner lauten Bewegung nach oben hallte.