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Ach, verdammt, was sollte es! Er glaubte an seine Prognose. Manchmal musste einer halt seiner Intuition folgen. Manchmal …

Aber als er sich am nächsten Tag im Büro meldete – nachdem er zwölf Stunden lang wie ein Zombie auf Urlaub auf seinem Bett gelegen hatte –, geschah dies mit einem gewissen Vorgefühl, einer Art Weltuntergangsangst, dass an der Tür die gesamte Belegschaft ihn erwarten werde, um ihn in Fesseln zu schlagen und zu binden und zu seiner Hinrichtung zu schleppen. Doch er hatte sich geirrt. McCarthy grinste ihm breit von einem Ohr zum anderen entgegen, und seine Augen funkelten. Er strahlte geradezu vor warmem väterlichem Stolz.

»Also?«, fragte Carpenter.

»Alles bestens! Du hast genau ins Schwarze getroffen, Paul! Ein Superhit! Du bist ein Genie, Mann, das bist du wirklich, ein verdammtes Genie, du alter Hundesohn! Himmel, du wirst uns hier verdammt fehlen, stimmt's nicht, Leute? Ist es nicht so?«

Anscheinend hatten die meteorologischen Karten Carpenters intuitive Schlussfolgerungen inzwischen bestätigt. Im Verlauf der Nacht hatten sich dann schließlich die normalen zyklischen Prozesse wieder durchgesetzt, und der ganze teuflische Giftmüllhaufen aus dem Mittelwesten, der die Luft in den Mountain States zu verpesten gedroht hatte, trieb bereits langsam wieder über die Kontinentale Wetterscheide zurück zu den Orten, an denen sie ihren Ursprung hatten. Und McCarthy hätte nicht seliger sein können. Das sagte er, fünf- oder sechsmal und mit verschiedenen Worten.

Aber es gab keine Feier. Keinen Champagner. McCarthy war zu übertriebener Generosität nicht fähig; und es war auch unübersehbar und offensichtlich, dass es ihm enorme Mühe bereitet hatte, sich zu der kleinen Demonstration herzlichen quasi-väterlichen Wohlwollens aufzuraffen. Fast sofort verflog die Wärme, und Carpenter spürte die kalte Wut, die sich unter ihr verborgen hatte. War das der erboste Neid eines festgefahrenen, mattgesetzten, frustrierten Versagers angesichts des triumphalen Erfolges eines brillanten Untergebenen? Oder bloße Verärgerung, weil ein wertvoller Mitarbeiter ausscheiden wollte? Wie immer, McCarthy schaltete blitzhaft um, wurde frostig und barsch, und die Fête war vorbei, ehe sie recht hatte beginnen können.

Zurück also jetzt zur gewohnten Routine.

Nächste Woche, erklärte man Carpenter, werde sein Ersatz eintreffen, aus Australien. Carpenter würde einen umfassenden Übergabebericht verfertigen müssen, in dem er seine bisherigen Tätigkeiten und Aufgaben hier in diesem Büro vollumfänglich darzulegen habe, bevor er daran denken dürfe, in seine neue Stellung zu wechseln.

Schönschön. Ein Übergabebericht. Sofort! Carpenter machte sich an die Arbeit.

Als McCarthy dann zu seiner Mittagspause verschwand, nahm Carpenter zum ersten Mal Kontakt zu der Eisbergschlepper-Abteilung auf, für die er arbeiten sollte. Er bekam eine Frau, die ihren Namen als Sanborn-Grand-Neun angab, meldete sich aus der Samurai Headquarters Pyramid in Manitoba. Sie sprach mit dem gelassenen ruhigen Ton eines Rundauges, das es ins Zentralbüro geschafft hatte und das genau wusste. Was für ein Unterschied zu der galligen säuerlichen Trübseligkeit eines Ross McCarthy, dachte Carpenter.

»Du bekommst eine hervorragende Crew«, erklärte Sanborn. »Die Tonopah Maru ist ein feines Schiff, wirklich ganz auf modernstem Standard. Sie liegt gerade in Los Angeles in der San Pedro-Werft zur Überholung, aber so in etwa zehn Tagen, zwei Wochen bringen sie sie die Küste rauf. Spätestens in zwei Wochen. Wir möchten, dass du, sobald du in Spokane alles abgewickelt hast, nach San Francisco runtergehst, dort deinen Einführungskurs absolvierst und dort wartest, bis das Schiff einläuft. Geht das bei dir soweit klar?«

»Ich kann es hinkriegen«, sagte Carpenter.

Zwei Wochen bezahltes Nichtstun in San Francisco? Warum nicht? Er war in Los Angeles aufgewachsen, aber er hatte schon immer eine Vorliebe für die kleinere, kühlere Stadt im Norden gehabt. Die Seebrisen, die Nebel, die großen Brücken, die bezaubernden kleinen alten Häuser, die weite blauschimmernde Bay … Aber gewiss doch! Sicher! Mit Wonne würde er dort warten. Besonders nach Spokane! In Frisco kannte er Leute, hatte alte Freunde dort, gute alte Freunde. Wie phantastisch, wenn er die wiedersehen könnte.

Ein frohes Vorgefühl wie vor einem neuen Aufbruch durchströmte Carpenter wie ein frischer, kühlender Wind. Der Himmel segne Jeannie Gabel, dachte er. Dafür bin ich ihr etwas schuldig, dass sie mir diesen Gig besorgt hat. Bei seinem ersten Landurlaub würde er gleich nach Paris jetten und sie zu dem feinsten Dinner einladen, das man für Geld bekommen konnte (oder doch zu dem besten Essen, das er sich leisten konnte).

Diese überschwängliche Freudenstimmung hielt nicht lange an. Derartige Hochschwünge tun das selten. Aber er genoss sie dennoch, solange sie dauerten, und er genoss sie ausgiebig. Man nimmt eben an Freude mit, was auf einen zukommt – und wenn und wo es kommt. Wir leben schließlich in einer brutalen harten Welt … und sie wird immer brutaler.

Ja, immer brutaler, dachte er. Das ist verdammt wahr.

Kapitel 3

»Der Name des Mannes lautet Wu Fang-shui«, sagte Juanito. »Er müsste an die fünfundsiebzig Jahre alt sein. Chinese. Und das ist auch schon fast alles, was ich weiß, außer dass ziemlich viel Geld drin ist, wenn man ihn findet. Und in Valparaiso Nuevo kann es ja nicht dermaßen viele Chinesen geben, oder?«

»Er ist bestimmt kein Chinese mehr«, sagte Kluge.

Und Delilah: »Er muss noch nicht mal mehr ein Mann sein.«

»Daran hab ich auch schon gedacht«, sagte Juanito. »Und trotzdem, es sollte möglich sein, ihn aufzuspüren.«

»Und an wen hast du dabei gedacht?«, fragte Kluge.

Juanito sah ihn kühl und fest an. Eine solche Frage von Kluge, der ein ausgekochter Profi darin war und diese Tatsache den anderen beständig hinreiben musste, war im Grunde ein höhnischer Zweifel an Juanitos Fähigkeiten als Kurier.

»Ich mach es selber«, sagte er.

»Du?« Ein flüchtiges, kaum sichtbares Lächeln.

»Ja, ich selber. Verdammt, wieso denn nicht?«

»Aber du hast doch noch nie gejagt, oder?«

»Es gibt eben immer ein erstes Mal.« Juanito starrte ihn weiter fest an.

Er glaubte zu wissen, weshalb Kluge ihn stichelte. Ein gewisser Anteil der in Valparaiso Nuevo abgewickelten Geschäfte bestand darin, Leute aufzuspüren, die sich hier versteckten, und sie an ihre Verfolger zu verkaufen, doch bislang hatte Juanito die Finger von diesem Geschäftsbereich gelassen. Er verdiente sein Geld damit, den Dinkos dabei zu helfen, in Valparaiso unterzutauchen, nicht durch ihre Auslieferung an Verfolger. Ein Grund dafür war, dass bislang noch niemand ihm einen wirklich profitablen Suchauftrag angeboten hatte; aber ein weiterer Grund war, dass er selbst Sohn eines ehemaligen Flüchtlings war. Jemand war angeworben und bezahlt worden, seinen Vater aufzuspüren. Vor sieben Jahren war das. Und so konnte dann sein Vater ermordet werden. Juanito zog es vor, sich auf der Asyl bietenden Seite seines Gewerbes zu betätigen.

Aber dennoch war er natürlich ebenfalls Profi. Sein Geschäft waren Serviceleistungen, und damit Punkt. Wenn es ihm nicht gelang, für den sonderbaren augenlosen Dinko, der ihn engagiert hatte, diesen geflüchteten Genklempner aufzuspüren, dann würde es eben ein anderer tun. Und Farkas – oder wie er sonst heißen mochte – war sein Klient. Juanito vertrat die Ansicht, dass man es sich schuldig sei, als Profi die Geschäfte auf professionelle Art zu erledigen.

»Falls ich in Schwierigkeiten kommen sollte«, sagte er, »werde ich möglicherweise Sublieferanten engagieren. Aber inzwischen, habe ich mir gedacht, ich lass es euch mal wissen, falls ihr zufällig über eine Spur stolpert. Ich zahle eine Belohnung. Und ihr wisst, ich bin nicht knauserig.«