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Also war Farkas weg. Richtig weg und fort. Es fiel schwer zu glauben, dass diese ganze dunkle Potenz so einfach ausgelöscht sein sollte. Dieser seltsame Mensch. Carpenter starrte in die Finsternis hinein.

Doch in diesem Augenblick des Sieges empfand er keinerlei Gefühl von Triumph. Er war nur desorientiert und erschöpft. Er begriff, dass er genau in diesem richtigen Augenblick sein Hyperdex-High erreicht gehabt hatte und nun wieder absackte. Und es war ein sehr hohes High gewesen. Der Abstieg würde scheußlich werden.

Ihn überkam nur ein Schwindelgefühl, wie er es nie vorher erlebt hatte, und ein fast unüberwindlicher Brechreiz. Das ganze Universum kreiste wirbelnd um ihn herum. Er ging auf die Knie und klammerte sich an die unsichtbare grobe Fläche unter seinen Händen. Und die schwankte und pulste und wölbte sich. Sein Magen begann sich zu heben und zu verkrampfen. Es war ein trockenes Würgen, aber es ließ nicht nach, bis er das Gefühl bekam, er werde umgestülpt und sein Inneres nach außen gewürgt wie bei einem Seestern, und als es aufhörte, kroch er auf dem Bauch ein bisschen weg von der Stelle, und dann lag er da lange mit dem Gesicht gegen den scharfen körnigen Boden gepresst, und ließ die Dreifachdosis Hyperdex durch sich hindurchtoben, als wären es drei Orkane. Und aus der Finsternis kam nichts Neues von Farkas. Farkas war fort. Farkas war tot.

Es könnten Stunden gewesen sein, die Carpenter da so lag. Eine ganze Weile befand er sich in einer Art von Halluzinationszustand. Dann fand er zum vollen Bewusstsein zurück, oder doch fast.

Sein Körper zitterte, er bebte, er stöhnte, er weinte, während sich der Rest der Überdosis durch sein überbeanspruchtes Nervensystem brannte.

Als er sich bemühte, auf die Beine zu kommen, merkte er, dass es ihm nicht möglich war. Seine Beine waren wie Gummi, der Kopf fühlte sich leer an, und er besaß nicht die geringste körperliche Kraft. Also legte er sich wieder flach hin und wartete, und nach einiger Zeit wurde er etwas ruhiger. Langsam begann er vorwärts zu kriechen, ertastete sich den Weg, um ganz sicher zu sein, dass keine Abgründe vor ihm lagen, und nach einer Weile erkannte er, dass er wieder in den Bereich gekommen war, wo das schwache Licht der Glühlampen eine gewisse Orientierung erlaubte.

Dann fand er die Tür zurück nach El Mirador.

»Farkas?«, rief er noch ein letztes Mal und blickte zurück in das Dunkel.

Nichts. Nur Stille.

Dann stolperte er auf das Katzenkopfpflaster der Plaza.

Er hatte keine Ahnung, wie spät es war. Bei dem Kampf in der Satellitenhülle war ihm irgendwann die Armbanduhr abgerissen worden. Aber, wie es aussah, war der Vormittag bereits weit fortgeschritten. An der Plaza waren die meisten Tische der Cafés besetzt. Aber er fand einen freien Platz und sank auf den Stuhl. Er spürte, dass man ihn neugierig anstarrte, und er fragte sich, wie stark angeschlagen und verdreckt er wohl aussah.

Er fühlte sich ausgelaugt und stumpf und benommen.

Aber in seinem Kopf brannte immer noch ein Rest von Hyperdex. Der Beschleunigungseffekt hatte etwas nachgelassen, er konnte sich nun mit normalem Tempo bewegen, doch seine Gedanken rasten immer noch in wilden Kreisen mit reichlich Überlichtgeschwindigkeit.

Konnte die Dreifachdosis fatale Schädigungen bewirken? Sollte er einen Arzt aufsuchen?

Eine reicht unter normalen Umständen, hatte Jolanda gesagt. Zwei für außergewöhnliche Umstände. Und er hatte alle drei geschluckt.

Er fröstelte und zitterte. Es kostete ihn Mühe, nicht mit dem Gesicht vornüber auf den Tisch zu sacken.

Ein Android fragte: »Kann ich etwas bringen, Sir?«

Die Frage kam Carpenter unglaublich drollig vor. Er brach in wildes Gelächter aus. Der Android stand weiter geduldig und höflich an seinem Tisch.

»Etwas zu trinken? Oder vielleicht zu essen?«

»Nichts, danke.« Carpenter zwang sich zu der Antwort. »Danke, ich brauche nichts.« Seine Stimme kam ihm immer noch verwaschen und zu hastig vor. Und sich bei einem Androiden bedanken, also wirklich!

Der Android ging. Carpenter saß still da. Einatmen … Ausatmen …

Nach einer Weile fiel ihm wieder ein, dass nach Davidovs Plan Farkas sich mit einem gewissen Oberst Olmo von der Guardia Civil um sieben Uhr an diesem Morgen in Verbindung setzen sollte, um ihn zu informieren, dass die Bomben überall im Habitat platziert worden seien und dass Generalissimo Callaghan bis Mittag zurückgetreten sein müsste, oder alles hier würde zerstört werden. Aber hatte Farkas diesem Olmo tatsächlich das 07:00-Ultimatum durchgegeben?

Nein. Nein, das konnte er bestimmt nicht. Um 06:00 Uhr hatte Farkas ihn ja durch die Wanten der Satellitenhülle gehetzt. Farkas hatte zunächst den angeblichen Spion von Samurai Industries beseitigen wollen, ehe er mit Olmo sprach. Also war das Ultimatum höchstwahrscheinlich überhaupt nicht gestellt worden, außer dass Farkas sich nicht an den Zeitplan gehalten und mitten in der Nacht schon mit Olmo gesprochen hatte.

Also wusste Olmo vermutlich nichts über die Deadline. Der Umsturzversuch war gescheitert.

Aber die Bomben waren noch immer per Zeitzünder zur Explosion auf halb zwei eingestellt.

»Entschuldige«, sagte Carpenter zu einer Frau, die am Tisch neben seinem saß. Seine Stimme klang keuchend, heiser, rau, gebrochen, wie die Stimme eines gerade aus den Folterkammern der Inquisition Entronnenen. »Könntest du mir bitte sagen, wie spät es ist?«

»Elf-dreißig«, sagte die Frau.

Himmel! Keine halbe Stunde mehr bis zu dem für die Abdankung vorgesehenen Zeitpunkt. Und nur zwei Stunden, bis die Bomben hochgehen würden.

Carpenter begriff, dass er nach dem Kampf mit Farkas für Stunden bewusstlos auf dem Boden gelegen haben musste.

Er suchte nach einem öffentlichen Kommunikator und fand einen links an seinem Tisch angeklemmt. Die Tastatur war winzig, seine Finger kamen ihm dick wie Baumstümpfe vor, und als er sich an den Anrufcode von Davidovs Hotel zu erinnern versuchte, bekam er fünfzigtausend verschiedene achtziffrige Nummern in einer Fünfzigtausendstelsekunde vor die Augen.

Ruhig. Nur ruhig! Er fädelte sich durch das Labyrinth der Nummern und fand schließlich die richtige und gab sie durch.

Niemand meldete sich.

Es kam auch keine Suchanzeige.

Carpenter drückte die ›Hilfe‹-Taste und befahl, Davidov in ganz Valparaiso Nuevo zu suchen. Wieso dies nicht automatisch erfolgte, wusste er nicht; doch eine Minute später kam der Apparat mit einer Fehlanzeige für den gewünschten Teilnehmer an.

Wo war Davidov?

Dann versuchte er es mit der Nummer des Hotelzimmers, das Jolanda und Enron teilten. Nichts.

Irgendwas war hier oberfaul. Wo waren die alle? Die Bomben tickten doch bereits.

Er holte tief Luft, dann tippte er, wie er hoffte, den richtigen Code für die Vermittlung und erklärte, dass er mit Oberst Olmo von der Guardia Civil sprechen wollte. Er wurde in die Operationszentrale der Guardia verbunden.

»Den Colonel Olmo, bitte.«

»Wer spricht da?«

»Mein Name ist Paul Carpenter. Ich gehöre zu …« Beinahe hätte er gesagt: zu Samurai Industries. Aber er bremste sich noch rechtzeitig. »Kyocera-Merck Limited. Ich bin Mitarbeiter von Victor Farkas. Sag ihm das. Victor Farkas!« Es fiel ihm enorm schwer, deutlich zu sprechen.

»Bitte warte einen Augenblick.«

Carpenter wartete. Er überlegte sich, wie viel er Olmo sagen sollte, ob er ihm gegenüber das ganze Komplott bloßlegen sollte. Es war nicht seine Aufgabe und Verantwortung, das Ultimatum zu übermitteln. Er war bei dem Geschäft nur ein kleiner unbedeutender Handlanger. Andererseits hatte aber er Farkas von der Bildfläche beseitigt, und das wusste außer ihm keiner. War er jetzt verpflichtet, Farkas' Rolle zu übernehmen?

Eine Stimme fragte: »Was ist der Grund für den Anruf, Mister Carpenter?«