Das konkrete Ergebnis beider Verzögerungen war es, daß nun Pater Domenico und Baines mit seinen Leuten am gleichen Tag in Wares Palazzo anlangten — und zwar passenderweise inmitten des einzigen Schneesturms, den es in Positano seit sieben Jahren gegeben hatte. Als eine Art geistiger Höflichkeit — denn Protokoll war in solchen Dingen überaus wichtig, sonst hätten Mönch und Magier gar nicht gewagt, einander gegenüberzutreten — wurde Pater Domenico zuerst empfangen, kurz, aber unter peinlichster Einhaltung von Form und Förmlichkeit. Als Kunde aber bekam Baines (und seine Leute gemäß ihrer Rangordnung) die besten Zimmer des Palazzo. Sie bekamen auch die einzige Bedienung, die es gab, da Ware keine Dienstboten beschäftigte, die die unsichtbare Linie überschreiten konnten, die Pater Domenico, sofort nachdem ihm sein Zimmer zugewiesen worden war, mit der Spitze seines Zirkels gezogen hatte.
Wie es um diese Zeit in süditalienischen Städten üblich war, kamen später drei maskierte Könige zur Pforte des Palazzo, um Gaben für das Christkind zu bringen und Gaben für die Kinder zu empfangen. Es gab hier aber keine Kinder, und man wies die als Heilige Drei Könige Verkleideten ab. Sie waren verblüfft und verärgert (denn der reiche Amerikaner, von dem es hieß, er schreibe ein Buch über pompejanische Fresken, hatte sich bei anderen Anlässen als durchaus freigebig erwiesen). Irgendwie waren sie aber doch auch dankbar. Es war eine kalte Nacht, und die Lichter des Palazzo hatten eine ferne, grimmige und unheilverkündende Farbe.
Dann schlossen sich die Pforten. Die Akteure waren versammelt und hatten ihre Plätze eingenommen. Die Bühne war bereit.
3. Drei Schläfe
Es erfordert mehr Mut und Intelligenz, ein Teufel zu sein, als sich die Leute, die das Hörensagen der Erfahrung vorziehen, träumen lassen. Und nur der, der den Teufel in sich selbst zerstört hat, und zwar durch harte Arbeit (denn es gibt keinen anderen Weg), weiß, was ein Teufel ist, und was für ein Teufel er selbst sein könnte; er weiß aber auch, welch eine Armee für den Gebrauch des Teufels jene sind, die da glauben, die Teufel seien bloß Hirngespinste.
Aus dem BUCH DER SPRÜCHE von Tsiang Samdup
6
Pater Domenicos Unterredung mit Theron Ware war kurz, formell und nicht ohne eine gewisse Schärfe. Trotz all seiner Vorbehalte und seiner großen Besorgnis war der Mönch neugierig gewesen, wie der Magier wohl aussehen würde. Nun war er ganz unsinnigerweise enttäuscht, an ihm nur das Äußere irgendeines Intellektuellen wahrnehmen zu können. Mit Ausnahme der Tonsur natürlich. Wie Baines fand auch Pater Domenico das überraschend. Aber, zum Unterschied von Baines, fand er es auch beunruhigend, weil er den Grund dafür kannte — nicht etwa, daß Ware es auf eine Verspottung seiner frommen Gegenspieler abgesehen gehabt hätte, sondern weil Dämonen, wenn man einen Augenblick unachtsam ist, einen leicht beim Haar ergreifen und fortschleppen können. »Gemäß dem Alten Vertrag«, sagte Ware zu ihm in ausgezeichnetem Latein, »bleibt mir keine andere Wahl, als Sie zu empfangen. Unter anderen Umständen hätte ich mich wahrscheinlich sogar gefreut, Gelegenheit zu haben, mit Ihnen über unsere Kunst zu sprechen — obwohl wir ja einander entgegengesetzten Schulen angehören. Aber leider ist das jetzt für mich eine höchst unangenehme Zeit für einen derartigen Besuch. Wie Sie gesehen haben, habe ich einen sehr wichtigen Klienten hier, und man hat mich schon benachrichtigt, daß das, was er diesmal vorhat, außerordentlich groß angelegt ist.«
»Ich werde jedenfalls in keiner Weise dagegen auftreten«, sagte Pater Domenico, »selbst wenn ich es wollte — was sicherlich der Fall sein wird. Ich weiß genau, daß jegliche Einmischung mich um meinen ganzen Schutz bringen würde.«
»Ich war sicher, Sie würden dessen gedenken. Dennoch freut es mich zu hören, daß Sie es sagen«, meinte Ware. »Leider ist aber schon Ihre bloße Anwesenheit hier etwas, das mich in Verlegenheit bringt — nicht nur, weil ich sie meinem Klienten erst erklären muß, sondern auch, weil sie die Atmosphäre für meine Zwecke ungünstig beeinflußt und mir dadurch die Arbeit erschwert. Allen Gesetzen der Höflichkeit und Gastfreundschaft zum Trotz kann ich nur hoffen, daß Ihre Mission hier so bald als möglich abgeschlossen ist.«
»Es fällt mir schwer, die Schwierigkeiten zu bedauern, die Ihnen meine Anwesenheit offenbar bereiten wird. Ich wäre freilich noch froher, wenn ich Ihr infernalisches Projekt überhaupt verhindern könnte. Ich kann Ihnen also nicht mehr versprechen, als daß ich mich strikt an den Pakt halten werde. Was nun die Dauer meines Aufenthaltes anbelangt, so hängt diese völlig davon ab, was Ihr Kunde eigentlich will und wieviel Zeit die Ausführung seines Wunsches erfordert. Mein Auftrag ist, Anwesenheit und Beobachtung hier bis zum Abschluß des Projekts fortzusetzen.«
»Eine Belästigung ersten Ranges«, sagte Ware, »obwohl ich vielleicht dankbar sein sollte, daß mir diese Art von Aufmerksamkeit seitens Monte Albano nicht schon früher zuteil geworden ist. Offenbar ist das, was Mr. Baines vorhat, noch ein wesentlich größeres Ding, als er selbst glaubt. Ohne mein Hirn übermäßig anzustrengen, schließe ich daraus, daß Sie irgend etwas wissen, das ich noch nicht weiß.«
»Es wird eine ungeheure Katastrophe, das kann ich Ihnen jetzt schon sagen.«
»Hm. Von Ihrem Standpunkt gesehen vielleicht, aber nicht notwendigerweise von meinem. Ich nehme an, Sie sind nicht vielleicht bereit, mir irgendwelche weiteren Aufschlüsse zu geben — sagen wir: um mich von der Sache abzubringen?«
»Ganz bestimmt nicht«, sagte Pater Domenico mit leiser Empörung. »Wenn die ewige Verdammnis Sie nicht schon längst von Ihrem unheilvollen Wege abgebracht hat, dann müßte ich ein Narr sein, mir einzureden, daß ich es nun vermöchte.«
»Schon gut«, sagte Ware, »aber es obliegt Ihnen doch immerhin die Heilung der Seelen, und wenn die Kirche nicht seit dem letzten Konzil wieder irgendeinen Purzelbaum geschlagen hat, so ist es doch sicherlich noch immer eine Todsünde, anzunehmen, irgendein Mensch sei mit absoluter Sicherheit verdammt — selbst ich.«
Das war ein stichhaltiger Einwand. Pater Domenico mußte es sich selbst zugeben; aber er war nicht umsonst von Jesuiten in Kasuistik geschult worden.
»Ich bin ein Mönch, nicht ein Weltpriester«, sagte er. »Und überdies würde jegliche Information, die ich Ihnen geben könnte, fast mit völliger Sicherheit dazu verwendet, dem Unheil seinen Lauf zu lassen, nicht aber, es zu verhindern. Unter diesen Umständen fällt mir die Entscheidung nicht schwer.«
»Dann darf ich Ihnen vielleicht noch eine etwas konkretere und praktischere Erwägung nahelegen«, sagte Ware. »Ich weiß zwar jetzt noch nicht, was Baines vorhat, aber eines weiß ich sehr gut: Ich selbst bin keine MACHT, sondern nur ein FAKTOR, ein ausübendes Organ. Ich will mich also auf nichts einlassen, das meine Fähigkeiten übersteigt.«
»Jetzt wollen Sie mich bloß beschwatzen«, sagte Pater Domenico energisch und ein wenig ungehalten. »Die Grenzen Ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten zu kennen ist nicht etwas, wobei ich — oder irgendein anderer — Ihnen helfen kann. Sie müssen all das einfach im Lichte der Ihnen von Mr. Baines gemachten Vorschläge erwägen, was immer sein Auftrag auch sein mag. Inzwischen werde ich Ihnen nichts sagen.«