»Gut denn«, sagte Ware und erhob sich, »so will also ich mit meinen Informationen etwas weniger geizen, Pater Domenico, als Sie mit den Ihren. Ich sage Ihnen jetzt noch einmal ganz klar und deutlich, daß es gut für Sie sein wird, den Pakt bis in die allerkleinste Einzelheit einzuhalten. Ein Schritt über die Grenze, ja, auch nur eine Zehe — und ich habe Sie — und kaum irgend etwas anderes auf Erden könnte mir größeres Vergnügen bereiten. Ich hoffe, ich habe mich nicht zu unklar ausgedrückt.«
Darauf fiel Pater Domenico keine Antwort ein; aber es bedurfte offenbar auch keiner.
7
Wie Ware bereits vorausgesehen hatte, war Baines tatsächlich durch die Anwesenheit des Mönches verwirrt und beunruhigt. Er kam bei ihrem Gespräch auch zuallererst auf Pater Domenico zu sprechen. Nachdem Ware den Auftrag des Mönches vom Weißen Berg erklärt hatte und auch den Pakt beschrieben hatte, nach dem eine solche Überwachung durch einen Beobachter möglich war, schien Baines allerdings etwas erleichtert.
»Einfach eine Belästigung, wie Sie ja schon sagten, da er nicht tatsächlich einschreiten kann«, faßte er seinen Eindruck zusammen. »In gewisser Hinsicht läßt es sich vielleicht damit vergleichen, daß ich Dr. Hess mit hierher gebracht habe. Auch er ist nur ein Beobachter, und er steht im Grunde wahrscheinlich Ihrer Weltanschauung ebenso ablehnend gegenüber wie dieser heilige Mann vom Monte Albano.«
»Nun, was das betrifft, so ist dieser ›heilige Mann‹ nicht wesentlich heiliger als Sie und ich«, sagte Ware mit leichtem Lächeln. »Auch ich weiß etwas, was er noch nicht weiß. In der nächsten Welt wartet seiner eine ganz schöne Überraschung. Aber wie immer dem auch sein mag, jetzt haben wir ihn jedenfalls auf dem Hals — wie lange, das hängt von Ihnen ab. Was wollen Sie also diesmal, Dr. Baines?«
»Zwei Dinge, wobei eines vom anderen abhängig ist. Das erste ist der Tod von Albert Stockhausen.«
»Dem Anti-Materie-Theoretiker? Das täte mir wirklich leid. Irgendwie habe ich ihn gern, und überdies ist ein Teil seiner Arbeit für mich von unmittelbarem Interesse.«
»Sie lehnen den Auftrag ab?«
»Nein, wenigstens nicht rundweg. Aber ich werde Ihnen jetzt die Frage stellen, die ich Ihnen für diesen Anlaß angekündigt habe. Worauf wollen Sie mit alledem hinaus?«
»Ach, auf etwas sehr Langfristiges und Weitgespanntes. Derzeit aber sind meine Todesabsichten für Dr. Stockhausen eine reine Geschäftsangelegenheit. Er knabbert an einem speziellen Wissensgebiet herum, für das meine Firma derzeit ein Monopol besitzt — ein Monopol, von dem wir nicht möchten, daß es in absehbarer Zeit gebrochen wird.«
»Meinen Sie denn wirklich, daß Sie etwas geheimhalten können, das auf Naturgesetzen basiert? Nach dem McCarthy-Fiasko sollte man doch meinen, daß ein intelligenter Amerikaner so etwas nicht mehr glaubt. Dr. Stockhausen kann sich doch wohl kaum mit irgendeiner technischen Kleinigkeit abgeben — mit etwas, gegen das sich Ihre Firma durch eine Reihe von Vorgangspatenten schützen könnte.«
»Nein, nein, es geht schon um etwas, das durch Naturgesetze bestimmt wird, und aus diesem Grunde ist es auch überhaupt nicht patentfähig«, gab Baines zu. »Und wir wissen auch sehr gut, daß sich so etwas auf die Dauer nicht verheimlichen läßt. Was wir aber unbedingt brauchen, ist eine
›Schonzeit‹ von etwa fünf Jahren, um die Sache für uns optimal auszunützen. Und wir wissen auch, daß — von unvorhersehbaren Zufällen abgesehen — außer Dr. Stockhausen niemand dem Problem und seiner Lösung auch nur nahe ist. Wir selbst haben unter unseren Leuten niemand vom Format Stockhausens. Wir sind eigentlich nur durch einen glücklichen Zufall .über die Sache gestolpert, und natürlich könnte das auch jemand anders tun — aber wir halten das für höchst unwahrscheinlich.«
»Ich verstehe. Nun . . . das Projekt hat auch eine anziehende Seite. Ich halte es für durchaus möglich, daß es mir gelingt, Pater Domenico davon zu überzeugen, dies sei das Projekt, zu dessen Beobachtung er hierher entsandt wurde. Natürlich ist es das nicht, denn ich habe schon viele ähnliche Aufträge durchgeführt, ohne bisher damit die Aufmerksamkeit von Monte Albano in diesem Maße erregt zu haben. Aber immerhin, wenn ich viel von den Vorbereitungen und den Schwierigkeiten der Durchführung hermache, kann ich ihn vielleicht täuschen, und er geht heim.«
»Das wäre wirklich sehr nützlich«, stimmte Baines zu. »Die Frage ist: Kann man ihn täuschen?«
»Es ist jedenfalls den Versuch wert. Dieser Auftrag ist ja auch wirklich schwer auszuführen — und sehr kostspielig.«
»Warum?« fragte Jack Ginsberg, der sich bei diesen Worten so plötzlich in seinem geschnitzten Florentiner Sessel aufsetzte, daß sein Anzug sich an der seidenen Polsterung rieb und ein quietschendes Geräusch von sich gab. »Bitte versuchen Sie nicht, uns zu erzählen, daß Tausende anderer von ihm abhingen. Soviel ich weiß, hat noch nie jemand für ihn Stimmen abgegeben.«
»Sei still, Jack.«
»Nein, wirklich, das ist doch eine durchaus vernünftige Frage«, sagte Ware. »Dr. Stockhausen hat eine große Familie, auf die ich Rücksicht nehmen muß. Und, wie ich Ihnen schon gesagt habe, ich habe bei einigen Anlässen in seiner Gesellschaft angenehme Stunden verbracht — zwar nicht angenehm genug, um den Auftrag überhaupt abzulehnen, aber doch angenehm genug, um den Preis hinaufzutreiben.
Das aber ist nicht das Haupthindernis. Es ist eine Tatsache, daß Dr. Stockhausen, wie heutzutage eine Menge anderer theoretischer Physiker, ein religiöser Mensch ist, und daß er überdies nur einige läßliche Sünden auf dem Gewissen hat — absolut nichts, was die besondere Aufmerksamkeit der Hölle auf ihn lenken könnte. Ich werde das natürlich noch durch einen Wissenden überprüfen lassen, aber noch vor sechs Monaten traf all das zu, und es sollte mich wundern, wenn sich daran seither etwas geändert hätte. Er gehört zwar keiner offiziellen Kirche oder Religionsgemeinschaft an, aber dennoch gehört er nicht zu jenen, die leicht von einem Dämon abgeholt werden. Es könnte also leicht sein, daß man ihn von anderer Seite gegen einen direkten Angriff verteidigen würde.«
»Erfolgreich?«
»Das hängt von den Kräften ab, die zu seinen Gunsten mobilisiert werden. Aber Sie wollen doch kaum eine regelrechte Schlacht riskieren, bei der halb Düsseldorf draufgeht?
Da wäre es schon wesentlich einfacher und billiger, ihm eine Bombe zu schicken.«
»Nein — alles, nur das nicht. Ich möchte auch nicht, daß etwas passiert, das wie ein Laboratoriumsunfall aussieht. Das wäre genau das, was alle Leute auf diesem Gebiet auf das aufmerksam machen würde, was wir mühselig verborgen halten wollen. Das ganze Geheimnis liegt darin, daß Stockhausen, wenn er erst einmal weiß, was wir wissen, eine größere Explosion mit — nun, sagen wir: dem Äquivalent einer Tafel und zwei Stückchen Kreide hervorrufen könnte. Gibt es irgendeine andere Methode?«
»Nun, da Menschen eben nur Menschen sind, gibt es immer einen anderen Weg. In diesem Falle jedoch müßte ich ihn erst in Versuchung führen lassen. Auf diesem Gebiet weiß ich wenigstens einen vielversprechenden Weg. Aber es ist auch möglich, daß er der Versuchung widersteht. Und selbst wenn er ihr unterliegt (wie ich annehme), so nimmt die Sache womöglich mehrere Monate und dazu auch noch meine ganze Aufmerksamkeit während dieser Zeit in Anspruch. Aber auch das ließe sich noch verkraften, um so mehr, als es sehr dazu beitragen würde, Pater Domenico irrezuführen.«
»Was würde das kosten?« fragte Jack Ginsberg.
»Oh — nun, sagen wir etwa acht Millionen. Diesmal ist das ein reines Erfolgshonorar, da ich dabei keine wesentlichen Spesen haben werde. Sollten dennoch größere Spesen entstehen, so bin ich bereit, sie nicht getrennt zu verrechnen, sondern aus dem Honorar zu decken.«
»Das ist aber nett von Ihnen«, sagte Jack. Ware nahm den lahmen Sarkasmus dieser Bemerkung nicht zur Kenntnis.