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Die Eingangstür schloß sich nun. Alle hatten ihre Plätze eingenommen.

Ware entzündete die Kerzen und die Holzkohlen der Räucherpfanne. Baines und Hess’ Aufgabe war es, das Feuer in der Pfanne im Verlaufe der Zeremonie periodisch mit Kognak zu begießen beziehungsweise mit Kampfer zu bestreuen. Dabei mußten sie darauf achten, weder über ihre Schwerter zu stolpern noch auch dabei aus ihren Kreisen herauszutreten. Wie schon beim letztenmal hatte ihnen Ware auch diesmal striktes Redeverbot erteilt. Sie mußten unbedingt schweigen, vor allem im Falle, daß sie irgendein Dämon oder Geist ansprach oder bedrohte.

Ware langte nun zum Lesepult und öffnete sein Buch. Diesmal gab es keine einleitenden Gesten und keine Vorzeichen. Er begann einfach mit gewichtiger Stimme zu rezitieren:

»Ich beschwöre dich und befehle dir, LUCIFUGE ROFOCALE, unter all den Namen, die dich binden, SATAN, RANTAN, PALLANTRE, LUTIAS, CORICACOEM, SCIRCIGREUR, per sedem Balderey et per gratiam et diligentiam tuam habuisti ab eo hanc nalatimanamilam, wie ich dir befehle, usor, dilapidatore, tenatore, seminatore, soignatore, devoratore, concitore, et seductore, wo bist du? Du, der du den Haß säst und die Feindschaft vermehrst, ich beschwöre dich bei Ihm, der dich für seine Dienste geschaffen hat, mein Werk zu vollenden! Ich rufe dich, COLRIZIANA, OFFINA, ALTA, NESTERA, FUARD, MENUET, LUCIFUGE ROFOCALE, steig empor, steig empor, steig empor!«

Kein Geräusch war zu hören, und doch stand plötzlich in dem für die Erscheinung bestimmten Kreise eine matt leuchtende, dampfende Gestalt, etwa zweieinhalb bis drei Meter groß. Es war schwer, sie deutlich auszumachen, wohl zum Teil auch, weil man durch sie hindurch immer noch einen Teil des Altares sehen konnte. Baines erschien sie wie ein Mann mit kahlgeschorenem Haupt, das drei lange, gewundene Hörner trug. Die Augen waren wie die eines Lemurenaffen, der Rachen war geöffnet, das Kinn lief spitz zu. Die Gestalt war in eine kupferfarbene, eng anliegende, ärmellose Jacke mit schleissiger Halskrause gekleidet, zu der sie einen Fransenrock trug. Zwei krumme, behufte Beine und ein fetter, haariger Schwanz sahen unter dem Rock hervor. Der Schwanz war in rastloser Bewegung.

»Was nun?« sagte das Geschöpf mit erstaunlich angenehmer Stimme. Die einzelnen Worte allerdings waren undeutlich. »Seit vielen Monden schon habe ich meinen Sohn nicht mehr gesehen.« Das Wesen kicherte unerwartet auf.

»Ich beschwöre dich: sprich deutlicher«, sagte Ware, »und was ich will, das weißt du selbst nur zu gut.«

»Nichts ist bekannt, ehe es nicht ausgesprochen ist.« Baines schien die Stimme immer noch sehr undeutlich, aber Ware nickte.

»Ich wünsche also — wie es der Babylonier tat, als er das Siegel des Königs von Israel löste, er sei gesegnet — alle jene Dämonen der Falschen Monarchie, deren Namen ich im folgenden nennen werde, und deren Zeichen und Siegel ich in meinem Buch zeigen werde, aus dem Schlund der Hölle in die Welt der Sterblichen auszusenden, vorausgesetzt, daß sie mich und die Meinen schonen, und daß sie, wie es geboten ist, bei Morgengrauen dorthin zurückkehren, woher sie kamen.«

»Ist das dein ganzer Wunsch?« fragte die Erscheinung. »Hast du für sie keine Anweisungen? Keine Aufträge? Keine besonderen Wünsche? Nicht immer warst du so leicht zufriedenzustellen.«

»Keine«, sagte Ware fest. »Für die Zeit ihrer Freiheit sollen sie ganz nach eigenem Willen verfahren, außer daß sie niemand hier in meinen Kreisen verletzen dürfen, und daß sie mir gehorchen, wenn ich sie mit Stab und Pakt zurückrufe.«

Der Dämon blickte über seine durchsichtige Schulter. »Ich sehe, du hast das rechte Räucherwerk bereit, um so viele große Herren würdig zu empfangen; und meine Diener und Satrapen werden in ihren eigenen Taten reichen Lohn empfangen. Ein so lohnender Auftrag ist mir völlig neu. Gut. Was gibst du mir zum Unterpfand, um der Form Genüge zu leisten?«

Ware griff in seine Roben. Baines glaubte schon, er würde wieder ein Tränenfläschchen hervorziehen, doch diesmal hob Ware statt dessen am Schwanz eine lebende Maus hervor, die er — so wie damals das Krüglein — über die Räucherpfanne warf, nur nicht so weit. Die Maus lief schnurstracks auf den Dämon zu, umkreiste ihn hurtig dreimal außerhalb des gezeichneten Kreises und verschwand dann in Richtung auf die hintere Tür. Dabei pfiff und tschilpte sie wie ein Sperling. Baines sah auf Akhtoi, aber der Kater leckte sich nicht einmal das Maul.

»Du bist geschickt und spitzfindig, mein Sohn. Rufe sie also, wenn ich gegangen bin, und ich werde dir meine Beauftragten senden. Laß nichts ungetan — und viel wird getan werden, ehe der schwarze Hahn kräht.«

»Es ist gut. Durch und gemäß diesem Versprechen entlasse ich dich. OMGROMA, EPYN, SEYOK, SATANY, DEGONY, EPARYGON, GALLIGANON, ZOGOGEN, FERSTIGON, LUCIFUGE ROFOCALE, verschwinde, verschwinde, verschwinde!«

»Beim Morgengrauen sehen wir einander wieder.« LUCIFERs Ministerpräsident schwankte wie eine Flamme, und — gleichfalls wie eine Flamme — ging er aus.

Hess warf eilig Kampfer in das Räucherbecken. Nachdem sich Baines aus faszinierter Starre gelöst hatte, schüttete er rasch etwas Branntwein nach. Das Feuer rauchte und loderte auf. Ohne sich umzuwenden, holte Ware seinen Magneteisenstein hervor, den er in der Linken hielt. Mit der Rechten stieß er die mit Eisen beschlagene Spitze seines Stabes in die Glut. Kleine, leckende Pünktchen blauen Lichtes liefen den Stab hinan fast bis zu Wares Hand, als hätte man auch den Stab in Alkohol getaucht.

Ware hielt den flammenden Stab vor sich wie eine Wünschelrute und schritt würdevoll aus dem großen Kreis auf den Altar zu. Wie er so hinschritt, begann die Luft um ihn her zu murren, als sammle sich um sein rasiertes Haupt ein Donner-Wetter. Er aber schenkte dem Lärm keine Beachtung. Er schritt weiter auf den Locus Spiritus zu und in diesen hinein.

Sofort trat Stille ein. Ware sagte mit deutlicher Stimme:

»Ich, Theron Ware, Meister der Meister, Karcist der Karcisten, unternehme es nun, das Buch zu öffnen und seine Siegel zu lösen, die zu brechen verboten war, bis nicht die Sieben Siegel vor dem Siebenten Throne gebrochen würden. Ich habe SATAN geschaut, der wie ein Blitz vom Himmel fiel. Ich habe die Drachen des Abgrundes unter meiner Ferse zermalmt. Ich habe Engeln und Teufeln geboten. Ich unternehme und befehle, daß alles so geschehen soll, wie ich es anordne, und das von Anfang bis zum Ende, von Alpha bis Omega, Welt ohne Ende, keiner uns kränken oder verletzen soll, die wir hier in diesem Tempel der Kunst der Künste versammelt sind. Aglan, TETRAGRAM, vaycheon stimulamaton ezphares retra-grammaton olyaram irion esytion existion eryona onera orasym mozm messias soter EMANUEL SABAOTH ADONAY, te adoro, et te invoco. Amen.«

Er ging noch einen Schritt nach vorn und berührte mit der flammenden Spitze des Stabes den seidenen Schleier auf dem Bauch des ruhig daliegenden Mädchens. Ein kleines Wölkchen blaugrauen Rauches begann davon aufzusteigen, als habe man Räucherwerk entzündet.

Ware zog sich nun wieder rückwärts schreitend zum Großen Kreis zurück. Während er dies tat, erstarb das Feuer an seinem Stab. In der Totenstille des Raumes aber begann man jetzt ein leises Zischen zu hören, so als habe man einen Knallfrosch entzündet. Und tatsächlich sollte nun ein Feuerwerk beginnen. Während Baines noch gierig und wie hypnotisiert auf den Altar starrte, erhob es sich wie ein kleiner Springbrunnen aus vielfarbigen Funken aus dem zunderartigen Gewebe des Bauches des auf dem Altar liegenden Leibes. Mehr Rauch quoll hervor. Die Luft wurde trüb wie leichter Nebel.