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Nun schien der Leib selbst zu brennen, wobei sich die Haut abblätterte und zurückrollte wie die Schale einer Orange. Hinter sich hörte Baines, wie Jack Ginsberg ein ekelerregendes, würgendes Geräusch von sich gab, so, als wolle er sich im nächsten Augenblick erbrechen. Baines konnte den Grund von Jacks Übelkeit nicht erkennen. Der Körper — was immer er einst auch gewesen sein mochte — war nun nur noch wie eine aus Mark oder Papiermache gefertigte Nachbildung eines Mädchenleibes, die mit irgend etwas wie griechischem Feuer gefüllt war. Und man konnte tatsächlich bereits einen starken Geruch nach Schießpulver erkennen, der nun den früher vorherrschenden Duft von Kopal und Kampfer zu überlagern begann. Baines war das ganz recht. Nicht etwa, daß ihm der Geruch von Schwarzpulver vertraut gewesen wäre, denn man hatte es schon seit Jahrhunderten in seiner Branche nicht mehr verwendet, aber der süßliche Duft der anderen Beschwörungsingredienzien war ihm schon etwas auf die Geruchsnerven gefallen.

Allmählich begann sich alles im Rauch und Dunst aufzulösen und zu verschmelzen, bis auf einen Hintergrund architektonischer Umrisse, gegen die man einige Statuen erkennen konnte, die durch die beiden feurigen Lichtquellen seitlich angestrahlt wurden und sich also im Relief darboten. Hess hustete kurz. Sonst blieb, bis auf das Zischen des brennenden Mädchenkörpers, alles still. Immer noch flogen dort Funken auf und schienen manchmal für einen Augenblick Schriftzeichen, unverständliche Worte, feurig vor dem Hintergrund der Wand erstehen zu lassen.

Wares Stimme klang nun fern, als käme sie aus einer der Statuen:

»BAAL, großer König und Befehlshaber des Ostens, du vom Orden der Fliege, gehorche mir!«

Etwas begann in der Entfernung Gestalt anzunehmen. Baines hatte ganz deutlich den Eindruck, es sei hinter dem Altar, hinter der verhangenen Tür, ja, überhaupt außerhalb des Palazzos, aber dennoch konnte er es sehen. Es kam herbei, wuchs, und schließlich konnte er sehen, daß es Menschengestalt hatte und mit einem Mantel aus schneeweißem Linnen bekleidet war. Es hatte aber zwei überzählige Köpfe, einen linken wie den einer Kröte und einen rechten wie den einer Katze. Geräuschlos schwoll das Wesen an, bis es schließlich unbestreitbar im Refektorium anwesend war. Und dann wuchs es, immer noch in völliger Stille, an ihnen vorbei und war verschwunden.

»AGARES, Herzog des Ostens, vom Orden der Tugenden, gehorche mir!«

Und wieder eine ferne Durchsichtigkeit und Stille. Es kam sehr langsam heran und manifestierte sich als gut aussehender alter Mann, dem ein Hühnerhabicht auf dem Handgelenk saß. Seine Langsamkeit hatte ihren guten Grund: Er ritt nämlich auf einem kriechenden Krokodil. Seine Augen waren geschlossen und seine Lippen bewegten sich unentwegt. Langsam schwoll auch es an den Beschwörern vorbei.

»GAMYGYN, Marquis und Präsident in Cartagra, gehorche mir!«

Dieses Wesen wuchs sich zu etwas wie einem kleinen Pferd oder einem Esel aus. Es war bescheiden und anspruchslos. Hinter sich schleppte es zehn nackte Männer in Ketten her.

»VALEFOR, mächtiger Herzog, gehorche mir!«

Ein schwarzmähniger Löwe mit drei Köpfen erschien. Die beiden seitlichen Häupter waren menschlich. Eines trug die Mütze eines Jägers, das andere das wachsame Lächeln eines Diebes. Er eilte vorbei, ohne daß ein Lufthauch sein Verschwinden begleitet hätte.

»BARBATOS, großer Graf und Minister des SATANACHIA, gehorche mir!«

Dies aber war nicht eine Gestalt, sondern deren vier — wie vier gekrönte Könige. Um sie her liefen drei Kompanien Soldaten, die Häupter gebeugt und mit verschlossenem Gesichtsausdruck unter ihren Stahlhelmen. Als alle seine Truppen verschwunden waren, konnte man unmöglich sagen, wer von ihnen allen der Dämon gewesen war oder ob er überhaupt selbst erschienen war.

»PAIMON, großer König, aus dem Orden der Besitzungen, gehorche mir!«

Plötzlich, nach all der zischenden Stille, gab es nun gewaltigen Lärm, und der Raum war erfüllt von springenden und kapriolenden Wesen, die verdrehte und verschnörkelte Röhren und Blasen trugen, die wohl als Musikinstrumente gedacht waren. Der Klang aber, der aus ihnen drang, erinnerte am ehesten an eine Schweineherde, die man durch den engen Gang ins Schlachthaus treibt. Unter all den heulenden und quiekenden Tänzern ritt ein gekrönter Mann auf einem Dromedar und brüllte mit heiserer Stimme laut und ohne Worte. Das Tier, auf dem er ritt, kaute grimmig irgendein bitteres Kraut und hatte seine Augen wie aus Schmerz zugekniffen.

»SYTRY!« rief Ware. Augenblicklich herrschte Dunkelheit und Stille — bis auf das Zischen, in das sich nun ein wenig der Klang von Kinderstimmen mischte. »Jussus secreta libenter detegit feminarum, eas ridens ludificansque ut se luxorise nudent, großer Prinz, gehorche mir!«

Dieses süße und gelenkige Geschöpf war nicht minder monströs wie all die anderen. Es hatte einen leuchtenden Menschenleib, war aber geflügelt und hatte den lächerlich kleinen, grinsenden Kopf eines Leoparden. Gleichzeitig aber war das Wesen in einer Art schön, die Baines gleichzeitig krank und begierig machte. Während es vorbeischritt, schien Ware einen Ring gegen seine Lippen zu drücken.

»LERAJIE, mächtiger Marquis, ELIGOR, ZEPAR, große Herzöge, gehorcht mir!«

Zusammen, so wie er sie gerufen hatte, erschienen diese drei nun: der erste ein Bogenschütze mit Köcher und gekerbtem Bogen, von dessen Pfeil Gift troff; der zweite ein Ritter mit Szepter und bewimpelter Lanze; der dritte ein bewaffneter Soldat, ganz in Rot gekleidet. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger war an ihnen nichts Monströses, noch konnte man aus ihrer Erscheinung irgendwelche Schlüsse auf ihr Amt oder ihre Einflußsphäre ziehen. Baines fand sie dennoch sehr beunruhigend.

»AYPOROS, mächtiger Graf und Fürst, gehorche mir!«

Baines fühlte, wie ihm übel wurde, ehe diese Kreatur noch erschien. Wie aus den Lauten um ihn zu schließen war, erging es den anderen — selbst Ware — nicht besser. An sich war dann an der Erscheinung nichts, um dies zu rechtfertigen, denn sie war so grotesk, daß sie unter anderen Voraussetzungen höchstens komisch gewirkt hätte: Sie hatte den Leib eines Engels, drauf saß ein Löwenkopf, die Füße hatten Schwimmhäute wie die einer Gans, und hinten sah der Stutzschwanz eines Hirsches hervor. »Verwandle dich, verwandle dich!« rief Ware und stieß seinen Stab in die Glut des Räucherbeckens. Der Besucher nahm prompt die vollständige Gestalt eines Engels an, aber alle hatten immer noch das Gefühl, etwas unendlich Schmutzigem gegenüberzustehen.

»HABORYM, starker Herzog, gehorche mir!« Auch dies war wieder ein menschenähnliches Geschöpf mit drei Köpfen — obwohl die ›Verwandtschaft‹, wie Baines rasch klar wurde, eine rein zufällige sein mußte — wobei der Menschenkopf zwei Sterne auf der Stirn trug. Die beiden anderen waren der Kopf einer Schlange und der einer Katze. In der rechten Hand trug das Wesen einen lodernden Feuerbrand. Während er vorbeiging, schüttelte er diesen bedrohlich in Richtung auf die Beschwörer.

»NABERIUS, kühner Marquis, gehorche mir!« Erst schien es Baines, als habe auf diese Anrufung niemand geantwortet. Dann aber nahm er in Bodennähe eine Bewegung war. Ein schwarzer Hahn mit blutenden, leeren Augenhöhlen flatterte außerhalb des Großen Kreises herum. Ware bedrohte die Erscheinung mit seinem Stab. Der Hahn krähte heiser und war verschwunden.

»GLASYALABOLAS, mächtiger Präsident, gehorche mir!« Dies schien einfach ein geflügelter Mann zu sein, bis er lächelte. Da sah man dann das Gebiß eines Hundes. Schaumflocken hingen an seinen Mundwinkeln. Er verschwand geräuschlos.

In der Stille konnte Baines hören, wie Ware im ›Buch der Bündnisse‹ eine neue Seite aufschlug. Eben noch rechtzeitig erinnerte er sich daran, mehr Branntwein in die Räucherpfanne zu gießen. Der Mädchenleib auf dem Altar war offenbar schon längst vom Feuer verzehrt worden. Baines konnte sich nicht in Erinnerung rufen, wie lange es nun schon her war, seit er die letzten der wortebildenden Funken hatte aufsteigen sehen. Der dichte graue Dunst oder Nebel aber hielt an. »BUNE, du starker Herzog, gehorche mir!« Diese Erscheinung war die bisher wunderbarste, denn sie kam auf sie zu, getragen von einer Galleone, die in dem Maße, in dem sie sich näherte, im Boden versank, bis die Beschwörer schließlich durch den Boden hindurch ihr Deck erblicken konnten. Auf diesem lag ein Drache aufgerollt, der mit den nun schon gewohnten drei Köpfen ausgestattet war: dem Kopf eines Hundes, eines Greifen und eines Mannes.