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Die jetzige Situation, der man ins Auge sehen und mit der man sich auseinandersetzen mußte, war die, daß die Kernwaffen das Rüstungsgeschäft fast völlig zugrunde .gerichtet hatten. Ach, natürlich konnte man immer noch ein ganz flottes Geschäftchen damit machen, Handfeuerwaffen an ein paar kleine Nationen zu verkaufen — wobei der Begriff ›Handfeuerwaffen‹ so lose umrissen war, daß alles bis zur Größe eines Unterseebootes darunter fiel — aber die Wasserstoffbombe und die Interkontinentalraketen machten die hohe Kunst des Geschäftes, nämlich die Inganghaltung eines rund zwanzigjährigen Zyklus von Weltkriegen, bei weitem zu zerstörerisch, gefährlich und uneinträglich. Heutzutage bestand die Diplomatie von Baines und seinesgleichen nur mehr darin, lokale Konflikte zum Entflammen zu bringen und Bürgerkriege und Aufstände zu fördern. Aber selbst das war eine heikle Angelegenheit, denn das Nationalismus-Spiel wurde immer verwirrender und undurchsichtiger, und es konnte sich dabei überraschend herausstellen, daß irgend so ein ›emporstrebender‹ afrikanischer Staat mit einer Bevölkerung, die an Größe etwa der von Maplewood, New Jersey, vergleichbar war, für eine oder mehrere der Atommächte von größtem Interesse war. (Eines Tages würden sie freilich alle Atommächte sein. Dann würde die ›Kunst‹ so unbedeutend und formalisiert werden wie das Arrangieren von Blumen.)

Die Feinheiten dieser Art von Arbeit konnten einen sehr wohl mit Befriedigung erfüllen, und Baines war auf diesem Gebiet nahezu perfekt. Überdies besaß Consolidated Warfare Service einige tausend Menschenjahre aufgespeicherter Erfahrungen, auf die man sich jederzeit stützen konnte. Einer der besten Spezialisten von CWS war eben jetzt mit Baines in Rom, Dr. Adolph Hess. Hess hatte sich mit der Erfindung und Planung jenes eigenartigen Allzweck-Fahrzeuges einen Namen gemacht, das man nach ihm ›Hessicopter‹ benannt hatte. Bei den gegenwärtigen Verhandlungen aber wurde er wegen einer anderen Erfindung beigezogen, von der hoffentlich noch niemand etwas gehört hatte: seinem Landtorpedo. Es handelte sich dabei um eine sich unter der Erde rasch vorgrabende Vorrichtung mit Sprengkopf, die, wenn es die geologischen Gegebenheiten gestatteten, völlig unerwartet und unerkannt unter jedem feindlichen militärischen Ziel innerhalb eines Radius von mehr als dreihundert Kilometern vom ›Abschußtunnel‹ auftauchen konnte. Baines vermutete, daß diese kleine Überraschung für wenigstens eine der beiden Seiten der Unruhen im Jemen interessant sein könnte. Es stellte sich bald heraus, daß er recht gehabt hatte. So richtig war in diesem Falle sein Instinkt gewesen, daß er nun alle Mühe aufwenden mußte, um nicht mit allen vier interessierten Parteien über diese neue Wunderwaffe feilschen zu müssen. Das war um so schwerer, als — obwohl die beiden tatsächlich kämpfenden Parteien im Jemen keine Probleme boten — Nasser als Verhandlungspartner beinahe so gewitzt wie Baines selbst war, und Faisal ihn unbestritten in dieser Hinsicht noch um ein ganzes Stück übertraf.

Aber trotz alledem war Baines eben seiner ganzen Natur nach kein Miniatur-Künstler, und er war sich dessen auch durchaus bewußt. Er hatte überhaupt den ganzen Wandel seiner Handelsbasis schon sehr früh vorausgesehen. Um es genau zu sagen: ein Band mit dem Titel Die Wirkung von Atomwaffen, den das US Government Printing Office in Washington im Jahre 1950 herausgebracht hatte, hatte ihm die Augen geöffnet. Damals hatte er sich so rasch als möglich der Dienste einer privaten Firma versichert, die sich Mamaroneck Research Institute nannte. Es handelte sich im wesentlichen um eine Art Braintrust, den ein ehemaliger Angestellter der RAND-Corporation auf die Beine gestellt hatte. Die Organisation spezialisierte sich darauf, alle möglichen politischen und militärischen Konfrontationen auszuhecken und auf ihre Möglichkeiten und ihren voraussichtlichen Ausgang hin zu durchdenken. Einige dieser Projektionen waren so abnorm, daß man sich zu ihrer Wiedergabe freischaffender Autoren von Zukunftsromanen bediente. Aus den Archiven der CWS und aus anderen Quellen kam das Material, mit dem Baines das Mamaroneck-Forschungsinstitut belieferte, das damit seine Computer fütterte. Viel von diesem Material hätte manche Regierung, die glaubte, niemand anderer wisse davon, in ihren Grundfesten erschüttert. Dafür erhielt Baines vom Mamaroneck-Institut lange, schön beschriftete und gegliederte xerographierte Berichte mit Titeln wie ›Kurz- und langfristige vermutliche Auswirkungen einer Blockade der Färöer-Inseln durch Israel.‹

Die eindeutig absurdesten dieser Berichte siebte Baines natürlich aus, aber mit einer Art von Sorgfalt, die durchaus nicht Konservativismus entsprang. Es konnte sich nämlich leicht erweisen, daß einige der scheinbar abwegigsten Studien auf den zweiten Blick gar nicht mehr so absurd erschienen. Jene, die die beste Kombination von oberflächlicher Absurdität mit verborgener Plausibilität aufwiesen, begann er dann in wirkliche Situationen zu übersetzen. Es war also eigentlich gar nichts Unlogisches oder auch nur für Baines Ungewöhnliches an seinem Interesse für Theron Ware. Schließlich trieb ja auch er, Baines, eine okkulte Kunst, an die der ›Mann auf der Straße‹ längst nicht mehr glaubte.

Der Summer ertönte zweimaclass="underline" Ginsberg war zurück. Baines erwiderte das Signal, und die Tür öffnete sich.

»Rogan ist tot«, sagte Jack kurz und ohne Einleitung.

»Das ist aber schnell gegangen. Ich dachte, Ware würde nach seiner Rückkehr aus den Vereinigten Staaten noch mindestens eine Woche brauchen.«

»Er ist auch schon seit einer Woche zurück«, erinnerte ihn Jack.

»Hm? Ja, wirklich. Diese Warterei mit den Arabern, bis sie sich endlich entschließen, ein bißchen Geld auszugeben, nimmt einem völlig das Zeitempfinden. — Sieh mal einer an. Irgendwelche Einzelheiten?«

»Bis jetzt nur, was über den Fernschreiber von Reuter gekommen ist. Hat als Lungenentzündung angefangen und als Herzversagen geendet, angeblich wegen der Anstrengung des Hustens. Scheint, daß der Mann seit Jahren ein schwaches Mitralgeräusch hatte. Nur seine Familie wußte davon, und sein Arzt versicherte ihnen, es sei nichts Gefährliches, wenn er sich nicht gerade in den Kopf setze, den Langstreckenweltrekord zu brechen, oder so etwas. Jetzt nimmt man an, daß die letzte Wahlkampagne seinen Zustand verschlechtert und die Lungenentzündung ihm dann den Rest gegeben hat.«

»Sehr sauber«, sagte Baines.

Eine Weile dachte er noch über die Sache nach. Er hatte gegen den verstorbenen Gouverneur von Kalifornien durchaus nichts gehabt. Er hatte ihn persönlich nie kennengelernt, hatte keinerlei geschäftliche Differenzen mit ihm gehabt, ja er hatte ihn sogar wegen seiner gemäßigt-rechten politischen Linie eher bewundert, die Rogan mit jener verständlichen, aber leidenschaftslosen Art formuliert hatte, wie das von einem Werbemann aus San Francisco erwartet wird, der sich auf die Popularisierung kalter Frühstücksspeisen spezialisiert hatte. Plötzlich erinnerte sich Baines, gelesen zu haben, daß Rogan der gleichen Studentenverbindung angehört hatte wie er selbst.

Dennoch war er zufrieden. Ware hatte seine Aufgabe — Baines hatte nicht den leisesten Zweifel, daß Ware für den Todesfall verantwortlich war — sehr elegant gelöst. Nach noch einem weiteren derartigen Experiment, nur um jegliche Möglichkeit von bloßem Zufall ein für allemal auszuschließen, sollte er dazu reif sein, etwas Größeres anzugehen — vielleicht sogar gleich die ganz Große Sache.

Baines dachte darüber nach, wie Ware es wohl angestellt hatte. War es möglich, daß ein Dämon dem Opfer in Form eines Pneumococcus erscheinen konnte? Und wenn ja, wie war es dann mit dem Problem der Zellteilung und Fortpflanzung? Nun, da hatte es zum Beispiel im Mittelalter in ganz Europa echte Stückchen des wahren Kreuzes gegeben, die in ihrer Gesamtheit einen großen Holzlagerplatz reichlich gefüllt hätten . . . Zeitgenössische kirchliche Apologetiker hatten das