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»Schlag ihn nicht tot, Fred!« keuchte sein Kumpan. Er hatte sich wieder aufgerichtet und die Mistgabel mit beiden Händen gepackt. Aus seinem Mundwinkel lief ein dünner Blutfaden. Er mußte sich verletzt haben, als er stürzte.

»Warum nicht? Er ...«

»Weil ich etwas Besseres weiß«, kicherte der Mann. Seine Hände schlossen sich fester um den Stiel der Mistgabel. »Etwas viel Besseres, halt ihn nur gut fest. Ich werde das Schwein lehren, nach mir zu treten.«

Der mit Fred Angesprochene grunzte zustimmend und packte Quentons Kopf mit beiden Händen. Der andere kam näher, blieb breitbeinig über Quentons Kopf stehen und hob die Forke. »Halt ihn gut fest«, kicherte er.

Die Zinken der Mistgabel näherten sich Quentons Gesicht.

»Tu es nicht«, sagte Quenton ruhig.

Der Mann blinzelte. Die Forke in seiner Hand zitterte, und in seinem Blick machte sich ein fragender, beinahe überraschter Ausdruck breit. Aber die Gabel senkte sich nicht weiter.

»Tu es nicht«, sagte Quenton noch einmal. »Ich erlaube es nicht.«

»Worauf wartest du?« raunzte Fred ungeduldig. »Ich kann den Kerl nicht ewig festhalten.«

Quentons Blick bohrte sich in den des anderen. Die Augen des Mannes waren starr, und Quenton glaubte, einen schwachen Abglanz der abgrundtiefen Furcht darin zu lesen, die er in diesem Moment empfinden mußte. Sein Mund öffnete sich, aber nicht der geringste Laut kam über seine Lippen.

»Und nun geh«, befahl Quenton. »Und nimm deinen Freund mit.«

Fred glotzte ihn an wie einen bunten Hund. Er leistete kaum Gegenwehr, als ihn sein Kamerad von Quenton wegriß, ihn mit beiden Armen fest umschlang und zum Rand des Heubodens schleppte. Erst im letzten Moment dämmerte es ihm, doch die Erkenntnis kam zu spät.

Sein Kumpan ließ sich ins Leere fallen und riß Fred mit sich. Mit einem gellenden Schrei verschwand er aus Quentons Blickfeld.

Quenton arbeitete sich stöhnend hoch. Zwei seiner Rippen waren gebrochen und schmerzten fürchterlich, aber er kämpfte den Schmerz nieder, stemmte sich auf Hände und Knie hoch und kroch ein Stück zur Seite. Die beiden waren die einzigen Angreifer gewesen, die den Weg zum Heuboden hinauf gefunden hatten, aber die Scheune unter ihm war erfüllt von einer tobenden Menge, die nicht eher ruhen würde, bis sie auch die letzte Spur vom Leben in Jerusalems Lot ausgelöscht hatte.

Quenton ballte in ohnmächtigem Zorn die Fäuste. Der Mob hatte wenig mehr als zwei Minuten gebraucht, das Tor einzuschlagen und die wenigen Verteidiger, die sich ihm todesmutig in den Weg gestellt hatten, niederzumachen. Quenton blieben nur noch Minuten.

Unter ihm durchbrach ein neuer, gellender Schrei den Lärm. Quenton beugte sich vor und sah, wie vier Männer ein Mädchen aus dem Haus zerrten und ihr die Kleider vom Leib zu reißen begannen. Ein Gefühl heißen, hilflosen Zornes stieg in Quenton hoch. Er kannte das Mädchen; in einem Dorf von nicht einmal fünfzig Einwohnern kannte man jeden.

Sein Blick suchte das winzige, strohgedeckte Gebäude am gegenüberliegenden Dorfrand. Das Haus stand noch. Die Laden waren vorgelegt, und trotz der schweren Rauchwolken, die wie eine erstickende Decke über dem Dorf lagen, konnte er erkennen, daß es unbeschädigt war.

Natürlich, dachte er haßerfüllt. Die drei anderen würden dafür sorgen, daß der Mob sie erst ganz am Schluß entdeckte. Es würde sie nicht retten. Die Menge war viel zu aufgepeitscht, als daß sie noch geistig zu beeinflussen wäre, nicht einmal von drei Meistern der Macht zugleich. Aber sie hatten die anderen geopfert, um noch einige Minuten des Lebens für sich herauszuschinden.

Ein Geräusch hinter seinem Rücken ließ ihn herumfahren. Das Ende der Leiter, die zu seinem Versteck auf dem Heuboden hinaufführte, hatte zu zittern begonnen. Jemand stieg zu ihm herauf.

Quenton richtete sich auf. Sein Blick saugte sich am Ende der Leiter fest. Plötzlich spürte er die gebrochenen Rippen nicht mehr; selbst seine Furcht war verschwunden.

Schon tauchte der Kopf des Mannes über dem Rand des Zwischenbodens auf. Da war Quenton bei der Leiter und versetzte ihr einen Tritt.

Die Leiter begann zu zittern. Langsam, als würde sie von unsichtbaren Händen geschoben, löste sie sich von ihrem Halt, kippte nach hinten. Die Augen des Mannes an ihrem Ende weiteten sich entsetzt. Er schrie auf, griff verzweifelt nach Halt - vergebens.

Die Leiter bewegte sich weiter, stand für eine endlose Sekunde gegen alle Naturgesetze senkrecht und frei - und kippte dann nach hinten!

Quenton lächelte kalt, trat an den Rand des Bodens und blickte nach unten. Die Leiter war mitten in die Menge gestürzt und hatte ein halbes Dutzend Männer zu Boden geworfen.

Eine Hand wies nach oben. »Da ist noch einer!« brüllte eine Stimme. »Da oben ist noch eins von den Schweinen!« Andere Stimmen nahmen den Ruf auf, und von einer Sekunde auf die andere war die Scheune von einem grölenden Chor erfüllt. Ein Chor, der nach seinem Blut schrie.

Quenton starrte kalt auf die tobende Menge herab. Jemand hob sein Gewehr und schoß auf ihn. Die Kugel streifte seinen linken Arm und riß eine blutige Furche in seine Haut. Er spürte es nicht einmal. Langsam hob er die Arme, streckte sie waagerecht vor sich aus und spreizte die Finger; eine Geste, als würde er eine unsichtbare Last von sich schieben.

»Ihr wollt Blut?« fragte er. »Ihr sollt erfahren, was Angst bedeuten kann!«

Er hatte nicht sehr laut gesprochen. Und trotzdem hatte jeder seine Worte gehört. Eine zitternde, schwerfällige Wellenbewegung lief durch die Menge, als die Männer und Frauen instinktiv vor der hoch aufgerichteten Gestalt über sich zurückwichen. Wieder krachte ein Schuß, dann ein zweiter, dritter, vierter. Quenton fühlte, wie die Kugeln seinen Körper trafen, aber er spürte nur die Berührung, keinen Schmerz.

»Ihr sollt Angst spüren!« schrie er. »Ihr habt die Gewalt hierher gebracht - jetzt fühlt sie selbst!«

Das Kreischen der Menge änderte sich. Sie schrien noch immer, aber plötzlich waren es Laute der Furcht. Wieder krachte eine Gewehrsalve, und wieder wurde Quenton getroffen. Aber Quenton starb nicht, obwohl er bereits aus mehreren Wunden blutete.

Dafür geschah etwas anderes. Für einen Moment lag ein helles, knisterndes Geräusch in der Luft, ein Laut wie das Zischen eines niederfahrenden Blitzes, aber heller, durchdringender und irgendwie boshaft. Dann schien sich ein dunkler Mantel über die Menschen unter ihm zu legen. Männer und Frauen schrien in Panik auf, stürzten zu Boden und krochen in irrsinniger Angst dem Scheunentor zu. Der schwarze Mantel der Furcht legte sich um ihre Köpfe, ließ sie den Haß und die Wut vergessen, füllte sie aus mit kreatürlicher, alles überschattender Angst.

»Ja, flieht nur!« keuchte Quenton. Wieder schlug die unsichtbare Macht, die er entfesselt hatte, zu, und wieder ging ein einziger lauter Schrei der Angst durch die Menge.

In der Scheune brach Panik aus. Die Menschen versuchten verzweifelt, den Ausgang zu erreichen. Und noch einmal, ein drittes und letztes Mal, schlug Quenton mit aller geistiger Macht zu.

Er spürte, wie seine Kräfte schwanden. Was er getan hatte, war nichts als ein letztes Aufbäumen gewesen, ein letztes, titanisches Aufflackern der Flamme, die in seinem Inneren brannte, gespeist von Wut und Verzweiflung. Das große Vergessen würde ihr folgen.

Er wankte, torkelte einen Schritt vom Bodenrand zurück und brach in die Knie. Langsam erwachte der Schmerz in seinem Körper, und er begann zu fühlen, wie das Leben aus seinem Leib herausströmte. Die Menge unter ihm tobte und schrie wieder, aber er betrachtete sie nicht mehr.

Irgend etwas flog zu ihm hinauf und landete polternd wenige Schritte neben ihm im Heu. Quenton hob müde den Blick. Es war eine Fackel. Eine zweite folgte, dann eine dritte. Die Flammen fanden in dem trockenen Heu sofort Nahrung, schossen zu einer meterhohen Wand hoch und hüllten ihn in einen Mantel aus Hitze und Rauch.