Выбрать главу

»Ich habe keine Angst«, widersprach der andere, aber seine Stimme klang müde, die Worte schleppend. »Aber es hat doch keinen Zweck mehr. Die Hauptstraße nach Bettyhill ist abgeriegelt, und wenn sie sich wirklich im Wald verkrochen haben, dann kratzen sie sowieso ab, bei dieser Saukälte.«

»Und Miß Winden?« fragte Fred. »Und McMudock? Hast du sie schon vergessen? Verdammt, sie haben die Frau entführt und Lon wahrscheinlich umgebracht, und du willst, daß wir aufgeben?« Sein Gesicht verzerrte sich. »Ich werde diese verdammten Teufel finden, und wenn ich allein weitersuchen muß. Und sie werden für das bezahlen, was sie getan haben. Für den Brand, für die Toten in der Stadt und für Lon. Und jetzt weiter!«

Einen Moment lang starrte ihn sein Begleiter beinahe trotzig an, dann zuckte er mit den Achseln, hob müde die Hand und deutete nach rechts. Fred sah schweigend zu, wie sich ihm die Hälfte der Männer anschloß und in östlicher Richtung in der Dunkelheit verschwand, dann zwang er sein Pferd herum, ließ die Zügel knallen und trabte weiter, nach links, tiefer in den Wald hinein.

Keiner der Männer, die hinter ihm ritten, sah das dünne, zufriedene Lächeln, das um seine Lippen spielte. Es war kein Zufall, daß sich die Gruppe ausgerechnet jetzt geteilt hatte. Brennan wußte, daß der Wald vor ihnen nicht ganz so leer war, wie die meisten Männer in seiner Begleitung glaubten; und er wußte auch mit ziemlicher Sicherheit, wo er die drei Fremden finden würde. Aber er mußte sicher gehen. Er hatte die Namen derer, die er scheinbar willkürlich weggeschickt hatte, in Wahrheit schon lange vorher gründlich überlegt und nur auf eine Gelegenheit gewartet, sich von ihnen zu trennen. Längst nicht alle von denen, die mit ihm aufgebrochen waren, um die entflohenen Hexer zu stellen, waren wirklich noch mit vollem Eifer bei der Sache. Nach der Explosion von Gewalt und Haß, mit der sich die aufgestaute Furcht am vergangenen Abend Luft gemacht hatte, waren vielen in der Stadt Zweifel gekommen, und die Stimmen mehrten sich, die fragten, ob es wirklich richtig gewesen war, die drei Fremden zu töten.

Fred Brennan fühlte solche Zweifel nicht, und er hatte dafür gesorgt, daß er nur noch Männer in seiner Begleitung hatte, die sich seinen Befehlen fügen würden, ohne zu widersprechen. Sein eigener Bruder war bei dem Großbrand am Hafen schwer verletzt worden, und er würde dafür sorgen, daß die drei Teufel, die das Unglück in die Stadt gebracht hatten, für ihr Tun bezahlten. Und wenn es das letzte war, was er tat.

Sein Pferd kam plötzlich aus dem Schritt, stolperte und fand im letzten Moment sein Gleichgewicht wieder. Das Tier schnaubte und begann nervös zu tänzeln, und für einen Moment hatte Brennan alle Hände voll zu tun, es wieder in seine Gewalt zu bringen.

»Alles in Ordnung?« fragte einer seiner Begleiter.

»Alles okay«, antwortete Brennan. »Die Biester sind nervös, aber es geht schon.« Er zog noch einmal an dem Zügel, preßte dem Pferd mit aller Macht die Schenkel in den Leib und senkte seine Fackel. Der flackernde Lichtschein zeigte ihm einen Ausschnitt des morastigen Weges. Etwas Dunkles, Glitzerndes lugte hier und da durch den Schlamm.

»Verdammt«, murmelte Brennan. »Was ist das?« Er zögerte einen Moment, schwang sich aus dem Sattel und ging einen Schritt den Weg zurück. Der Schlamm gab seufzend unter seinen Stiefelsohlen nach, aber darunter war etwas Festes, Federndes. Er bückte sich, grub einen Moment mit den Fingern im Boden und runzelte erneut die Stirn.

Unter der knöcheltiefen Schicht aus Lehm und dünnflüssig gewordener Erde waren überall dünne, schwarzbraune Wurzelstränge zu sehen, ineinander verflochten und verkrallt wie dürre knotige Hände. Wie ein gewaltiges Spinnennetz, dachte Brennan schaudernd, das den Boden durchzog.

»Was ist los, Fred?« fragte einer der Reiter.

Brennan winkte ab. »Nichts«, sagte er, eine Spur zu hastig. »Irgendein Wurzelzeug. Dasselbe, in dem sich ihr Wagen verfangen hatte.« Er zuckte mit den Achseln. »Der Regen muß es ausgewaschen haben. Paßt auf, wo ihr hinreitet.« Er richtete sich auf und wollte zu seinem Pferd zurückgehen, blieb aber erneut stehen, als sich das Licht der Fackel auf etwas Blinkendem brach. Neugierig geworden bückte er sich, grub abermals im Schlamm und hob ein Stück Metall auf.

»Was hast du da?« fragte einer seiner Begleiter.

Brennan zuckte abermals mit den Achseln. »Eine Splintschraube«, murmelte er. »Scheint von einem Wagen zu stammen.«

»Von ihrem?«

»Vielleicht«, antwortete Brennan unschlüssig. »Aber wenn er von ihrem Wagen stammt, dann sind sie nicht weit gekommen. Das Ding hält das Rad auf der Achse.« Er warf die Schraube fort, senkte seine Fackel und machte ein paar Schritte den Weg hinab.

Er fand noch mehr Metalclass="underline" weitere Schrauben, Nägel, ein paar Nieten, wie man sie benötigte, um die Lederriemen eines Geschirrs zusammenzuhalten. Es sah fast so aus, dachte er erschrocken, als hätte sich ein ganzer Wagen an dieser Stelle in seine Bestandteile aufgelöst. Und überall dieses schwarze, glitzernde Wurzelzeug. Da und dort wuchs es fast knöchelhoch aus dem Morast empor und bildete kleine, verfilzte Nester, von denen dünne Stränge nach allen Richtungen liefen und im Boden versanken oder sich mit anderen verbanden.

Er vertieb den Gedanken, ging zu seinem Pferd zurück und schwenkte die Fackel. »Wir reiten weiter«, befahl er. »Weiß der Geier, was das für ein Zeug ist. Los.«

»Landers ist nicht da«, sagte einer der Männer. Brennan drehte sich unwillig im Sattel um und setzte zu einer scharfen Antwort an, beließ es aber dann doch bei einem mißmutigen Stirnrunzeln. Hinter ihm waren nur noch vier Reiter.

»Was soll das heißen, er ist nicht mehr da?« schnauzte er.

»Er ist weg«, antwortete einer der Männer. »Muß irgendwo unterwegs zurückgeblieben sein. Soll ich ihn suchen?«

Brennan knurrte unwillig. »Nein«, sagte er. »Soll er doch bleiben, wo der Pfeffer wächst. Wenn der Feigling Angst hat, dann brauche ich ihn nicht.«

»Die Sache gefällt mir nicht«, antwortete der Reiter. »Er hätte es mir gesagt, wenn er zurückgeritten wäre.« Er schwieg einen Moment, richtete sich ein wenig im Sattel auf und blickte nach beiden Seiten in den Wald hinein. Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen fühlte er sich nicht sonderlich wohl in seiner Haut.

»Dieser ganze verdammte Wald gefällt mir nicht«, sagte er noch einmal. »Irgendwas stimmt hier nicht. Die Pferde sind so verdammt nervös, und dann dieses Zeugs im Boden ... laß uns zurückreiten, Fred.«

Brennan starrte ihn für die Dauer eines Atemzuges wütend an. »Ich will dir sagen, was hier nicht stimmt, Matt«, zischte er. »Du bist es. Wenn du dir vor Angst in die Hosen machst, dann hau doch ab. Reite hinter Landers her und heul dich an seiner Schulter aus. Oder halt die Schnauze und reite weiter, du Feigling.«

»Ich habe keine Angst!« widersprach Matt.

Brennan lachte häßlich. »Dann ist es ja gut. Weiter jetzt.« Mit einem wütenden Ruck fuhr er herum, gab seinem Pferd die Zügel und sprengte an der Spitze der kleinen Gruppe los.

Hinter ihnen senkte sich wieder der Vorhang der Nacht über den schmalen Waldweg. Wären sie noch einen Moment länger geblieben, dann hätten sie vielleicht bemerkt, daß sich das schwarze Gewebe im Boden nicht nur scheinbar bewegte. Es pulsierte, ganz, ganz langsam. Und es wuchs. Ebenso langsam. Aber unaufhaltsam.

Ich benötigte nur ein paar Sekunden, um aus dem Zimmer und die Treppe hinauf zu stürzen; und trotzdem war ich der letzte, der den Dachboden erreichte. Miß Winden und McMudock - letzterer mit ungläubig aufgerissenen Augen und in einer grotesken Haltung mitten in der Bewegung erstarrt - standen unweit der Tür, während Howard, seine Fackel hoch über dem Kopf erhoben und die linke Hand in einer abweisenden Bewegung in McMudocks und Miß Windens Richtung ausgestreckt, sich vorsichtig einem wuchtigen, staubverkrusteten Schreibtisch näherte.

»Was ist los?« fragte ich. Mein Herz jagte. In meinen Ohren schien noch immer der Nachhall des gräßlichen Schreies zu gellen. McMudocks Schrei...