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McMudock riß mich zu Boden, im gleichen Moment, in dem draußen der zweite Schuß fiel. Die Kugel zertrümmerte die dünnen Bretter vor dem Fenster vollends, pfiff dicht über unsere Köpfe hinweg und fuhr klatschend in die gegenüberliegende Wand. Fast im gleichen Moment schien die Tür wie unter einem gewaltigen Hammerschlag zu erbeben. Staub und Holzsplitter barsten aus dem morschen Holz, und ein plötzlicher Windzug ließ eine der beiden Lampen erlöschen und das Kaminfeuer flackern.

Mühsam befreite ich mich aus McMudocks Griff, kroch auf Händen und Knien zu Howard hinüber und drehte ihn mit einem Ruck auf den Rücken. Mein Herz schlug zum Zerreißen, als ich seine Hände von seinem Hals löste und behutsam über die stark blutende Wunde an seiner Kehle tastete. Sein Hals war über und über mit Blut besudelt. Seltsamerweise fühlte ich kaum Schrecken, sondern nur eine dumpfe Betäubung und ein Gefühl des Unglaubens, das mit jeder Sekunde stärker wurde. Der Gedanke, daß Howard, ausgerechnet Howard, durch etwas so Banales wie eine Gewehrkugel getötet werden könnte, erschien mir lächerlich.

Howard hob stöhnend den Kopf, aber ich drückte ihn mit sanfter Gewalt wieder zurück. »Bleib liegen!« sagte ich scharf.

»Ich hole etwas zum Verbinden.« Die Wunde war weniger schlimm, als es im ersten Moment ausgesehen hatte, aber sie blutete stark und mußte verbunden werden, so schnell wie möglich.

»Bleib unten, du Trottel!« sagte McMudock, als ich aufstehen und loslaufen wollte. Fast im gleichen Moment krachte ein weiterer Schuß, als hätte jemand dort draußen seine Worte gehört und wollte sie unterstreichen. Eine gewaltige Staubwolke explodierte bei der Treppe, und ein Teil des Geländers kippte in einer grotesk langsamen Bewegung zur Seite und zerbrach auf dem Boden.

McMudock fluchte, robbte hastig in den toten Winkel unter dem Fenster und bildete mit den Händen einen Trichter vor dem Mund: »Hört auf zu schießen, ihr Idioten!« brüllte er. »Wir ergeben uns!«

Ich starrte ihn entsetzt an, aber seine einzige Reaktion war ein geringschätziges Grinsen. »Was glaubst du, sollen wir tun, Kleiner?« beantwortete er meine unausgesprochene Frage. »Uns auf eine Schießerei mit vielleicht ein paar Dutzend Männern einlassen?« Er schüttelte den Kopf, hob wieder die Hände an den Mund und schrie noch einmaclass="underline" »Hier ist McMudock! Hört sofort auf! Wir leisten keinen Widerstand!«

Die Antwort auf seine Worte erfolgte prompt. Eine ganze Salve von Gewehrschüssen krachte, und die Eingangstür zersplitterte und flog in Fetzen in den Raum. Eine Gestalt erschien in der Öffnung, gekleidet in einen schwarzen Ölmantel wie den McMudocks und eine doppelläufige Schrotflinte in den Händen.

»Lon!« keuchte er. »Bist du in Ordnung?« Hinter ihm stürmten weitere Männer ins Haus: zwei, drei, schließlich sahen wir uns insgesamt fünf bewaffneten und - allem Anschein nach - zu allem entschlossenen Männern gegenüber. Drei von ihnen waren mit Gewehren bewaffnet, der vierte trug eine Pistole und der letzte ein rostiges Brecheisen, das er wie eine Keule schwang. Die Mündungen der Gewehre waren ausnahmslos auf mich und Howard gerichtet. Ich sah, wie sich Howards Hand der Tasche näherte, in der er seinen Revolver hatte, und hielt seine Finger mit einer erschrockenen Bewegung fest.

»Ich bin in Ordnung«, antwortete McMudock. Er stand auf, hob in einer beruhigenden Geste die Hände und deutete auf Howard und mich.

»Nimm das Gewehr runter, Brennan«, sagte er. »Sie wehren sich nicht,«

Brennan - jetzt, als ich seinen Namen hörte, erkannte ich ihn auch wieder - kam einen Schritt näher und sah sich kampflustig um. Der doppelte Lauf der Schrotflinte deutete noch immer auf mein Gesicht. Und seine Finger spannten sich so fest um den Abzug, daß die Knöchel weiß hervortraten.

Mit einer abgehackt wirkenden Kopfbewegung deutete er auf Howard. Die Wunde an seinem Hals blutete schon weniger stark und würde wahrscheinlich in ein paar Minuten ganz aufhören, aber sein Kopf und seine Schultern lagen in einer gewaltigen, rotglitzernden Lache. »Was ist mit ihm?« fragte er. »Tot?«

»Nein, du Blödmann«, antwortete McMudock. »Gott sei Dank kannst du immer noch nicht richtig schießen. Und jetzt nimm das Gewehr herunter, ja?«

Brennan schien im ersten Moment gar nicht richtig zu begreifen, was McMudock gesagt hatte. Er riß die Augen auf, starrte ihn an und atmete ein paarmal tief ein und aus. »Was ... hast du gesagt?« krächzte er.

»Tu das Gewehr weg, Fred«, sagte McMudock noch einmal. »Die Jagd ist vorbei.«

Brennan starrte ihn an. »Vorbei ist sie erst, wenn die beiden da tot sind«, sagte er gefährlich leise. »Was ist mit dir los, Lon? Haben Sie dich auch verhext?«

McMudock trat einen Schritt auf ihn zu, blieb aber sofort wieder stehen, als Brennan das Gewehr hob und auf seinen Bauch zielte. »Was soll das, Fred?« fragte er.

»Nichts«, antwortete Brennan leise. »Geh mir aus dem Weg, Lon.«

McMudock rührte sich nicht. »Was hast du vor?« fragte er.

»Oh, ich will nur zu Ende führen, was gestern morgen nicht geklappt hat«, antwortete Brennan. »Geh mir aus dem Weg, Lon.«

»Und du glaubst, ich sehe tatenlos zu, wie du zwei unschuldige Menschen ermordest?« erwiderte McMudock.

»Unschuldig?« krächzte Brennan, »Die beiden da sind nicht unschuldig, Lon. Sie haben ein paar von unseren Freunden auf dem Gewissen, hast du das schon vergessen? Die halbe Stadt ist niedergebrannt, und sie werden dafür bezahlen.«

»Sind Sie wirklich so dumm, oder können Sie nur nicht zugeben, daß Sie sich getäuscht haben?«

Brennan fuhr mit einer wütenden Bewegung herum, als er Miß Windens Stimme hörte, aber ich sah auch, wie ein paar der Männer in seiner Begleitung bei ihren Worten zusammenzuckten. Ich betrachtete sie genauer. In ihren schwarzen Ölmänteln und schwer bewaffnet, wie sie waren, wirkten sie wilder und entschlossener, als sie in Wahrheit zu sein schienen. Ich wußte nicht, warum, aber ich glaubte zu spüren, daß diese Männer im Innersten vor Angst zitterten. Aber Angst wovor? Vor uns?

»Miß ... Winden?« Brennan sprach in einer Betonung, als wäre er sich nicht ganz sicher, wen er vor sich hatte. Dabei hatte ich bisher den Eindruck gehabt, als ob sich die beiden sehr gut kannten.

»Tun Sie nicht so«, sagte Miß Winden verärgert. »Sie wissen ganz gut, wer ich bin, Brennan. Und jetzt nehmen Sie verdammt noch mal endlich das Gewehr herunter!«

Brennan starrte sie mit wachsender Verwirrung an, aber er dachte gar nicht daran, die Waffe zu senken. Plötzlich fuhr er herum, trat auf mich zu und holte mit dem Fuß aus, als wollte er nach mir treten. McMudock spannte sich.

»Sie Teufel!« zischte er. »Was haben Sie mit ihr gemacht? Mit ihr und mit Lon?«

»Nichts«, sagte McMudock, aber Brennan ignorierte ihn schlichtweg.

»Dafür werden Sie bezahlen!« drohte er. Seine Stimme bebte vor Haß. »Für alles werdet ihr bezahlen, ihr Teufel. Für die Toten in Durness, für das Feuer und für das, was ihr dieser unschuldigen Frau angetan habt!«

»Wir haben überhaupt nichts getan«, sagte ich. Aber genausogut hätte an eine Wand reden können. Brennan wollte meine Worte gar nicht verstehen.

McMudock seufzte. »Frank, nimm Vernunft an«, sagte er. »Craven und seine Freunde sind nicht verantwortlich für das, was unten in Durness geschehen ist. Verdammt, spürst du denn nicht, daß hier was nicht mit rechten Dingen zugeht? Und es hat nichts mit diesen Männern zu tun. Sie stehen auf unserer Seite.«

Brennan starrte ihn an. »Du ... du weißt nicht, was du redest«, sagte er unsicher. »Du -«

»Ich weiß ganz gut, was ich sage«, unterbrach ihn McMudock. »Aber du anscheinend nicht mehr. Ich werde nicht zulassen, daß ...«