Ich sah aus den Augenwinkeln, wie sich Rowlf einen Knüppel griff und Anstalten machte, sich auf das Monster zu stürzen, schrie eine Warnung und warf mich gleichzeitig zwischen die beiden ungleichen Gegner. Die Faust der Kreatur zischte durch die Luft und verfehlte mich um Millimeter; ich packte sie, zog mit aller Gewalt daran und verlagerte gleichzeitig mein Körpergewicht.
Der Ruck schien hart genug, mir die Hände aus den Gelenken zu reißen. Aber auch der Angreifer kam aus dem Gleichgewicht. Er stolperte, taumelte haltlos auf mich zu, und ich nutzte seinen eigenen Schwung, drehte mich gleichzeitig halb um meine Achse und knickte in den Hüften ein. Die Kreatur wurde vom Schwung ihrer eigenen Bewegung über meinen Rücken und von den Füßen gerissen, segelte fünf, sechs Yards durch die Luft und prallte auf dem Boden auf.
Aber sie stand fast sofort wieder auf. Ihre Klauen schnappten zu, während die Kreatur Möbel und Trümmerstücke achtlos und mit der Kraft eines Elefanten niederwalzend, auf mich zutorkelte.
»Robert - lauf weg!« schrie Howard. Rowlf versuchte, sich dem Monster in den Weg zu stellen, aber es fegte ihn mit einer achtlosen Bewegung zur Seite und stampfte weiter auf mich zu. Es war gekommen, um uns alle zu töten, aber jetzt wollte es nur noch mich. Ich war es gewesen, der ihm zweimal Schmerz zugefügt hatte, und es würde nicht eher ruhen, bis es sich dafür gerächt hatte!
Wieder krachte ein Schuß. Der Unheimliche taumelte, und auf seiner rissigen Brust erschien ein Spinnennetz schwarzer Löcher und feiner Risse, aber es war nur die reine Wucht der Schrotkugeln, die ihn wanken ließ. Er stapfte weiter auf mich zu, so unaufhaltsam wie eine Naturgewalt, und ich taumelte verzweifelt vor seinen gräßlichen Händen zurück. Einer der Männer warf mir eine Axt zu, ich fing sie auf und packte sie mit beiden Händen, aber ich hatte bereits erlebt, wie wenig mir diese Waffe nutzte.
Meine Füße stießen gegen ein Hindernis. Ich sah zurück und erkannte, daß ich am Fuße der Treppe angelangt war. Meine Gedanken überschlugen sich. Wenn ich mich dort hinauftreiben ließ, war ich verloren. Auf dem Dachboden gab es keine Möglichkeit mehr, dem Monster zu entkommen.
Aber ich hatte keine Wahl. Die Kreatur kam rasend schnell näher. Ihre mächtigen Arme wirbelten durch die Luft. Schon eine flüchtige Berührung ihrer Fäuste würde genügen, mich zu töten!
Verzweifelt drehte ich mich herum, rannte die Treppe hinauf und blieb an ihrem oberen Ende stehen. Die Kreatur hatte die Stufen ebenfalls erreicht und begann mit stampfenden Schritten, die mühevoll und langsam aussahen und es ganz und gar nicht waren, die Treppe emporzusteigen. Die ausgetretenen Stufen knarrten und ächzten unter ihrem Gewicht; Staub und kleinere Holzteile lösten sich unter ihren Füßen, und für einen Moment klammerte ich mich an die verzweifelte Hoffnung, daß die Treppe schlichtweg unter ihr zusammenbrechen und sie mit sich in die Tiefe reißen würde.
Aber mein Stoßgebet wurde nicht erhört. Die Treppe hielt, und die furchtbare Kreatur kam immer näher.
Ich spreizte die Beine, um festen Stand zu haben, schwang meine Axt und schlug zu. Die Kreatur versuchte den Hieb abzufangen. Die Axt traf nur ihren Arm, nicht ihren Schädel, aber der Schlag war gewaltig genug, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen und die Treppe hinabstürzen zu lassen. Aber nur, um sich sofort wieder aufzurichten und ein zweites Mal die Treppe hinaufzusteigen ...
Ich schwang meine Axt und erwartete sie, aber das bizarre Wesen schien aus seinem Fehler gelernt zu haben. Kurz, bevor es mich erreichte, blieb es stehen, riß mit einer spielerisch erscheinenden Bewegung ein Stück des Treppengeländers ab und begann es vor sich auf und ab zu bewegen. Wenn ich versuchte, es ein zweites Mal mit dem Beil zu treffen, würde es mir die Axt einfach aus den Händen schlagen.
Schritt für Schritt wich ich auf den Speicher zurück. Durch das zerborstene Dach sickerten stauberfüllte Streifen grauen Lichtes herein, so daß ich meine Umgebung wenigstens in Umrissen wahrnehmen konnte. Was ich sah, war auf jeden Fall genug, meine Verzweiflung noch mehr zu schüren. Ich war gefangen. Es gab keinen Ausgang aus dem Raum. Die Holzkreatur bewegte sich nicht ganz so schnell wie ein Mensch, aber im Gegensatz zu mir kannte sie keine Müdigkeit und keine Erschöpfung, und auf Dauer konnte ich ihr nicht davonlaufen.
Hinter dem Monster hüpfte flackernder Lichtschein die Treppe hinauf, dann erschien Howard und hinter ihm McMudock und Rowlf, beide mit Äxten und brennenden Holzscheiten bewaffnet, unter der Tür.
»Robert!« rief Howard. »Geh aus dem Weg - wir versuchen ihn zu verbrennen!«
Als hätte das Ungeheuer die Worte verstanden, wirbelte es herum und schlug mit seinen Krallen nach den neu aufgetauchten Angreifern. Howard wich mit einem blitzschnellen Satz zur Seite und machte eine Bewegung mit der Linken, die mir im ersten Moment fast sinnlos erschien, und gleichzeitig sprangen Rowlf und McMudock - in einer Bewegung, die so perfekt war, als hätten sie sie geübt - gleichzeitig nach vorne und stießen mit ihren brennenden Scheiten nach der gewaltigen Kreatur.
Das Monster verwandelte sich mit einem einzigen, krachenden Schlag in eine Fackel. Grellweiße Flammen züngelten aus dem Holz, und kleine glühende Spritzer setzten die morschen Dielenbretter rings um ihn in Brand. Howard hatte es mit Petroleum übergossen!
Das Ungeheuer brüllte. Grellweiße Flammen hüllten die gewaltige Kreatur ein, leckten gierig nach den Dachsparren und -balken und tauchten den Raum in wabernde Hitze und zuckende, blutigrote Lichtreflexe. Das Monstrum wandte sich um, schlug einen Moment hilflos mit seinen brennenden Armen in die Luft - und wankte weiter auf mich zu.
Und die Flammen erloschen.
Es ging ganz schnell. Die Flammen wurden kleiner, brannten nicht mehr weiß, sondern rot, sackten, als wäre ihnen plötzlich der Sauerstoff entzogen worden, in sich zusammen und erloschen in wenigen Sekunden ganz. Der Leib des hölzernen Giganten schwelte wie ein Stück Holzkohle.
Der Anblick lähmte mich vollends. Starr vor Schrecken und unfähig, mich von der Stelle zu rühren, stand ich da, starrte dem heranwankenden Monster entgegen und versuchte vergeblich zu begreifen, was sich da vor meinen Augen abspielte.
Als ich endlich aus meiner Erstarrung erwachte, war es zu spät. Das Ungeheuer war heran, und seine mächtigen, schwelenden Klauen näherten sich meiner Kehle. Ich schrie auf, taumelte zurück und prallte schmerzhaft gegen die Kante des Schreibtisches.
Der plötzliche Ruck brachte mich aus dem Gleichgewicht. Ich stolperte, versuchte meinen Sturz instinktiv abzufangen und stürzte der Länge nach auf den Tisch. Die Erschütterung pflanzte sich als dumpfe Vibration durch das Möbelstück fort und ließ den Stuhl dahinter wanken.
Ihn - und den Leichnam, der darauf saß.
Es geschah alles gleichzeitig.
Ich versuchte mich zur Seite zu rollen, um den Klauen des Brennan-Monsters zu entgehen. Der Stuhl mit dem Leichnam kippte um. Die Kreatur grabschte mit ihrer fürchterlichen Kralle nach meinem Gesicht.
Aber sie traf nicht mich, sondern den Toten.
Für eine endlose Sekunde schien die Zeit stillzustehen. Das Holzmonster zitterte. Sein grotesker Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei, aber nicht der geringste Laut kam über seine schrundigen Lippen.
Dann, ganz langsam und widerwillig, als wehre es sich selbst jetzt noch gegen sein Schicksal, kippte es zur Seite. Als es auf dem Boden aufschlug, waren seine Glieder starr und steif; es hörte sich an, als stürze ein Baum.
Und mir schwanden zum zweiten Mal in kurzer Zeit die Sinne.
Jemand schlug mir leicht und gleichmäßig ins Gesicht. Die Schläge taten nicht wirklich weh, aber sie waren lästig, und nach einer Weile öffnete ich widerstrebend die Augen. Ich lag rücklings ausgestreckt auf dem Boden, und Howard kniete neben mir und schüttelte und schlug mich unentwegt.