Выбрать главу

»Und warum tun Sie es dann nicht?« fragte Sean lächelnd.

Der Wirt kniff die Augen zusammen und wischte mit einem speckigen Lederlappen über die Theke.

»Weil Mr. Baltimore einflußreiche Freunde hat«, sagte er schließlich.

In seiner Stimme schwang Resignation mit. Es schien nicht gerade das erste Mal zu sein, daß er sich mit dieser Frage beschäftigte. Und die Antwort, zu der er gelangte, schien ihm nicht zu behagen.

»Was für Freunde?«

Der Wirt drehte sich wortlos um und machte sich am Feuer zu schaffen. Als er ein paar neue Holzscheite in die Flammen warf, stoben Funken auf.

»Wollen Sie nun das Zimmer, oder nicht?« fragte er über die Schulter.

Sean zuckte mit den Achseln. Er spürte, daß er aus dem Mann nichts mehr herausbringen würde. Zumindest nicht mehr heute abend. Wenn er weiter in ihn drang, würde sein Mißtrauen nur erneut aufflammen.

»Gut«, sagte er, »ich nehme es. Ich kann mich morgen früh immer noch auf den Weg zu diesem seltsamen Haus machen. Können Sie mir den Weg beschreiben?«

Der Wirt nickte widerstrebend, reichte ihm sein Bier und erklärte ihm, wie er Mr. Baltimores Haus fand.

»Nein, Sir.«

Das Gesicht des fahrenden Händlers verzog sich zu einer Grimasse, die wahrscheinlich ein Lächeln darstellen sollte, aber eher wie ein höchst schadenfrohes Grinsen wirkte. Sein Atem bildete kleine, neblige Fetzen vor seinem Gesicht und verlieh seinen Worten etwas Unwirkliches.

Es war wieder kalt geworden in den letzten Tagen, und widerwillig hatte ich erkennen müssen, daß auch in den großen Städten noch tiefer Winter herrschte. Die Ereignisse im Wald von Durness hatten meinen Zeitsinn durcheinandergebracht und mich vergessen lassen, daß der Frühling nicht mehr fern war.

Es wurde Zeit, daß die Sonne die finsteren Wintertage zurückdrängte und die Menschen aufatmen ließ. Auch ich brauchte Ruhe und Wärme, nicht nur körperlich. Aber ich ahnte, daß mir das vorerst nicht vergönnt sein würde.

»Würden Sie mir dann wenigstens sagen, wie ich zur Grafschaft komme?« fragte ich.

Mein Gegenüber schüttelte den Kopf, langsam, aber mit der Bedächtigkeit eines Mannes, der weiß, was er will.

»Ich sehe keine Veranlassung dazu«, sagte er schließlich.

Die Waren, die er vor sich in dem kleinen, selbstgezimmerten Bauchladen trug, klimperten leise, als er sich wieder in Bewegung setzen wollte. Ich hielt ihn am Ärmel seines zerschlissenen Mantels fest.

»Nicht so rasch, Freund«, sagte ich, und bevor er an Gegenwehr denken konnte, brachte ich eine Pfundnote zum Vorschein.

In seinen Augen schimmerten gleichermaßen Mißtrauen wie Habgier. Ich sah, wie er nach dem Geldschein greifen wollte, aber irgend etwas hielt ihn zurück.

»Ich bin doch kein Auskunftsbüro, Sir«, knurrte er. »Und wenn Sie jetzt so freundlich wären, mich loszulassen, bevor ich meine gute Kinderstube vergesse.«

Ich gab ihn überrascht frei und trat einen Schritt zurück.

Bis jetzt hatte ich dem Mann keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt und ihn für einen der fliegenden Händler gehalten, die alles verkaufen und oft mehr über die Gegend wissen, durch die sie ziehen, als die einheimische Bevölkerung. Ich hatte es für eine gute Idee gehalten, mich an ihn zu wenden, um an Informationen zu kommen, die ich brauchte, aber irgend etwas in dem Tonfall des Mannes ließ mich aufhorchen.

Es schien beinahe so, als wisse er mehr über den Ort, nach dem ich fragte, als ich vermutet hatte.

»Ist ein Pfund für eine einfache Auskunft etwa zu wenig?« fragte ich scharf.

»Geld.« Der Händler spuckte das Wort fast aus. »Sie, Sir, und Ihresgleichen setzen wohl immer auf die Kraft des Geldes, was? Sie meinen wohl, Sie könnten sich alles kaufen, nur weil Sie als Sohn eines fetten Geldsacks zur Welt gekommen sind!«

Ich spürte, wie Ärger in mir hochwallte. Ärger vor allem darüber, daß man mich für einen jungen Stutzer halten konnte, obwohl ich doch weiß Gott in den Slums von New York mehr als nur flüchtige Bekanntschaft mit den Härten des Lebens gemacht hatte.

Immerhin war ich dort aufgewachsen.

Das konnte dieser Mann zwar nicht wissen, aber er hatte kein Recht, so mit mir zu reden - und dann noch in einem Tonfall, der im krassen Gegensatz zu seinem Äußeren stand.

»Sie hüten besser Ihre Zunge, Mann«, sagte ich so ruhig wie möglich. »Ich habe Ihnen ein schließlich nicht uninteressantes Angebot gemacht. Wenn Sie so wenig von Geld halten, warum laufen Sie dann überhaupt mit Ihrem Ramsch in der Gegend herum?«

»Ich werde dir den Ramsch gleich um die Ohren hauen, du Grünschnabel«, zischte mein Gegenüber. »Was weißt denn du überhaupt von ehrlicher Arbeit? Ein Modegeck wie du, der sich sein Haar mit gezackten Streifen verziert und es noch nicht einmal nötig hat, sich zu rasieren. Willst du wissen, was ich davon halte, Kleiner?«

Er stemmte die Hände in die Hüften und funkelte mich herausfordernd an. Obwohl er fast einen Kopf kleiner als ich war, strahlte er in diesem Moment etwas Bedrohliches aus.

Langsam begann ich wirklich ärgerlich zu werden. Was bildete sich dieser Kerl ein? Die auffällige weiße Haarsträhne, die ich normalerweise unter einem Hut verbarg, war die bleibende Erinnerung an einen fürchterlichen Kampf mit einem alptraumhaften Monster, das mich fast vernichtet hatte, und jetzt hielt mir dieses dahergelaufene Subjekt das auch noch als Modetorheit vor.

Nicht, daß ich nicht daran gewöhnt wäre. Aber es ärgerte mich trotzdem. Mußte man denn jedem, der anders als die anderen war, gleich mit Feindschaft - oder, im besten Fall - mit Spott und Hohn begegnen?

Bevor ich meiner Verärgerung Luft machen konnte, bemerkte ich einen Schatten, der auf uns zuhielt. Trotz der beginnenden Dämmerung hatte ich keine Mühe, den Schatten zu identifizieren.

Ich stieß einen stummen Fluch aus und wandte mich dem Ankömmling zu.

»Was machst du denn hier?« fragte ich.

In meiner Stimme mußte noch immer Aggressivität mitschwingen, denn Howard verzog tadelnd das Gesicht und schlug mit dem Stock leicht auf das harte Kopfsteinpflaster. Sein Blick wanderte zwischen mir und dem Händler hin und her, und was er sah, schien ihm nicht zu gefallen.

»Kann ich mal mit dir sprechen, Robert?« fragte er. In seiner Stimme schwang soviel Bestimmtheit mit, daß ich unwillkürlich zusammenzuckte. Es war keine Frage, sondern ein Befehl.

»Natürlich kannst du mit mir sprechen«, sagte ich ärgerlich. »Wenn ich nicht irre, tust du es ja bereits.«

Howard nickte stumm. Er schien darauf zu warten, daß ich ihm folgte, aber ich hatte noch eine Kleinigkeit zu erledigen.

Ich wandte mich wieder dem Händler zu, der Howards Auftritt schweigend verfolgt hatte.

»Was ist nun«, herrschte ich ihn an. »Wollen Sie das Geld, oder verstößt es gegen Ihre Prinzipien, Modegecken etwas zu verkaufen?«

Der Mann war verunsichert. Wahrscheinlich überlegte er, wie er den Preis hochtreiben konnte, aber Howards Erscheinen schien seine Pläne durcheinandergebracht zu haben. Mit einem »Modegecken« wie mir traute er sich wohl zu, fertig zu werden, aber Howard verunsicherte eigentlich jeden, der ihn zum ersten Mal sah. Es war etwas Düsteres an diesem Mann. Selbst ich spürte es noch, obgleich ich ihn weiß Gott lange genug kannte.

Er griff mürrisch nach der Pfundnote und ließ sie in seinem Bauchladen verschwinden.

»Gehen Sie nach Lowgreen«, sagte er mürrisch. »Das ist ein Nest sechs Meilen nördlich. Fragen Sie dort nach Baltimore.«

»Und weiter?«

»Nichts weiter. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«

Er setzte sich wieder in Bewegung, und diesmal ließ ich ihn gehen. Ich hatte ihn gerne noch weiter ausgefragt - ein Pfund war eine Menge Geld, gerade in einer Gegend wie dieser -, aber die Anwesenheit Howards hielt mich davon zurück.