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So schnell, wie es nur Menschen tun, die sich vor einer gemeinsamen Gefahr zusammenschließen. Ich fragte mich, wovor sie wirklich Angst hatten.

Es war nicht leicht gewesen, von den mittlerweile schon reichlich angetrunkenen Männern etwas über Mr. Baltimore zu erfahren. Sein Haus am anderen Ende des Waldes wurde von den Dorfbewohnern gemieden. Mehr noch - als ich versuchte, das Gespräch behutsam in die von mir gewünschte Richtung zu lenken, spürte ich deutlich, daß sie es sogar vermieden, über ihn zu reden, und daß meine Fragen, obgleich ich mir Mühe gab, sie so beiläufig wie möglich zu stellen, ihr Mißtrauen erneut wachrief. Aber schließlich, nach einer Stunde und mehr als einer Runde Ale, die ich spendiert hatte, erhielt ich doch eine halbwegs brauchbare Wegbeschreibung.

Ich hatte mich entschlossen, mich gleich auf den Weg zu machen. Kurz bevor der allgemeine Aufbruch begann, nutzte ich einen Besuch auf der Toilette, um aus dem Fenster zu steigen und mich aus dem Dorf zu schleichen. Schon nach wenigen hundert Metern blieben die Häuser hinter mir zurück; nur die Fenster der Gaststube waren hell erleuchtet, sonst war alles stockdunkel.

Ich hatte eine Lampe mitgenommen, aber ich wagte noch nicht, sie zu entzünden. Es war nicht nötig, daß jemand auf meine nächtliche Expedition aufmerksam wurde; Howard würde mein Fehlen früh genug bemerken und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Ich mußte ihn nicht noch mit der Nase daraufstoßen.

Ich kämpfte mich einen schmalen Pfad entlang und hielt mich an der ersten Hecke, auf die ich stieß, links in Richtung Buchenhain. Der Mann, der mir halb lallend den Weg beschrieben hatte, hatte mir geraten, nicht über die Wiese zu gehen, um einen mehrere Meilen langen Umweg zu vermeiden.

Nach kaum hundert Metern erreichte ich eine mit Heidekraut bewachsene Lichtung, über der lose Nebelfetzen hingen. Ich folgte einem Pfad, der an einer Hecke parallel zum Wald vorbeilief. Erst jetzt wagte ich, den Docht der Lampe zu entzünden. Bis jetzt hatte ich mich nach der Beschreibung gut zurechtgefunden, und ich hoffte, daß es so bleiben würde.

Der Wind fuhr sanft über die Äste und erzeugte ein Geräusch, das an das leise Atmen eines großen Tieres erinnerte, und die Lampe warf tanzende Schatten auf den Nebel. Die weißen Schwaden reflektierten das Licht, und die Helligkeit blendete mich mehr als sie mir half, meine Umgebung zu erkennen.

Die Lampe war praktisch nutzlos, und ich überlegte, ob ich sie wieder löschen sollte. Aber dann ließ ich sie doch brennen, in der Hoffnung, daß es im Wald nicht ganz so neblig sein würde.

Ich täuschte mich. Je näher ich den Bäumen kam, um so weniger sah ich. Die weißen Schwaden schienen wie mit geisterhaften Fingern nach mir zu greifen und meine Kleidung mit Feuchtigkeit zu durchtränken.

Das rhythmische Rascheln kahler Bäume und dunkler Tannen verstärkte sich. Auf und ab schwoll das Geräusch, mit der mechanischen Monotonie eines schweren Uhrpendels oder eines gigantischen, schlagenden Herzens. Ich spürte, wie mir trotz der Kälte Schweißtropfen den Rücken herunterrannen.

Auf und ab, ein unnatürliches Geräusch in der umfassenden Dunkelheit. Es vermischte sich mit meinem eigenen Herzschlag, lief eine Zeitlang synchron mit ihm, und verlangsamte sich dann.

Ich hielt unwillkürlich an, hob die Lampe höher über den Bodennebel, der mich jetzt schon bis zum Bauchnabel umspülte, und versuchte mit einigen Blicken, die tanzende, weiße Schicht zu durchdringen. Aber da war nichts.

Jedenfalls nichts Faßbares.

Und doch spürte ich etwas, irgend etwas Ungeheuerliches, das in der Dunkelheit auf mich lauerte. Mein Atem beschleunigte sich, und die Hand, mit der ich die Lampe hielt, zitterte. Ich fragte mich, was ich hier überhaupt wollte.

War es wirklich nur Priscylla, die mich gerufen hatte? Oder war es eine andere, finstere Kraft, die sie nur benutzte, um mich in eine Falle zu locken?

Aber das gab keinen Sinn. Ich versuchte mich zu konzentrieren, aber immer, wenn ich den Gedanken zu fassen glaubte, verschwand er hinter einem Strom brodelnder Gefühle.

Ich keuchte, schloß die Augen, versuchte, den Schleier von meinen Gedanken zu reißen, der seit ein paar Tagen mein Denken vergiftete. Was war das, was da in meinem Inneren lauerte, bereit, hervorzubrechen und meine Umgebung mit Gewalttätigkeit zu tyrannisieren?

Warum diese plötzliche Abneigung gegen Howard und Rowlf und das Gefühl, mich von ihnen lösen zu müssen?

Meine bohrenden Fragen fanden keine Antwort, obwohl ich ahnte, daß nicht mehr viel fehlte, um die Schwelle des Begreifens zu durchbrechen. Unter meinem bewußten Denken lauerte ein tiefes, vergrabenes Wissen, zu dem ich einfach nicht vorstoßen konnte - noch nicht.

Und trotzdem versuchte ich es. Mit aller Gewalt konzentrierte ich mich. Ein dumpfer Schmerz pochte zwischen meinen Schläfen, und ich hatte das Gefühl, mein Schädel würde bersten, aber ich gab nicht auf.

Ich wollte und mußte endlich Klarheit haben. Und ich spürte, daß ich Erfolg hatte. Etwas trat an die Oberfläche meines Bewußtseins, ein vager Gedanke, den ich nur zu greifen brauchte, den ich nur weiterverfolgen mußte, um alles zu verstehen.

Es hatte etwas mit Andara, meinem Vater, zu tun, aber auch mit Priscylla und mit mir selbst und es war ...

Nichts.

Wieder riß der Faden ab, das beinahe greifbare Verständnis entglitt mir erneut.

Ich atmete tief ein und versuchte, die Angst abzuschütteln, die ich vor dem hatte, was in mir lauerte. Es war sinnlos und gefährlich, mich in metaphysische Gedankenspielereien einzulassen. Ich versuchte, mich gewaltsam gegen den Druck zu stemmen, der meinen Schädel auseinanderzusprengen schien.

Es war die plötzlich greifbare Erinnerung an Priscylla, an die Gefahr, in der wir beide schwebten und die wir meistern mußten, um zueinanderzufinden, die mir die nötige Kraft gab, die Lähmung abzuschütteln und die Augen zu öffnen.

Der Nebel tanzte mit verspielter Bosheit auf mich zu, griff mit dünnen, faserigen Händen nach mir, die mich wie die Tentakel eines Ungeheuers mit sich zu ziehen versuchten.

Trotz der Feuchtigkeit fühlte sich meine Kehle ausgetrocknet an. Ich atmete mehrere Male tief durch und bewegte mich langsam auf den Waldrand zu.

Was auch immer dort drinnen auf mich wartete, würde nicht eher ruhen, bis ich kam.

Jedes Weglaufen war sinnlos, das spürte ich einfach.

Unter meinen Füßen raschelte feuchtes Laub. Ich konnte es nicht sehen, aber selbst durch die schweren Stiefel spürte ich den elastischen, federnden Belag, der sich wie ein gigantisches Netz über den Boden spannte.

Der Nebel war in den letzten Minuten immer höher gestiegen, aber jetzt schien er sich zurückzuziehen. Er strömte zu beiden Seiten davon, langsam, aber mit der Zielstrebigkeit eines eigenständig denkenden Wesens.

Das Licht meiner Lampe fiel auf einen schmalen Pfad, der sich vor mir auftat und irgendwo in der Dunkelheit verschwand, zu einem Teil des schwarzen Waldes wurde und mit ihm verschmolz. Während auf dem Pfad selbst nur noch wenige Nebelfetzen trieben, verschwammen die Bäume zu beiden Seiten hinter einem dichten, weißen Schleier.

Ich warf einen Blick nach oben. Selbst der Himmel war jetzt nebelverhangen. Nur der Pfad war frei, ein schmaler Tunnel, der sich durch den Nebel wand und direkt zu dem Etwas führte, das auf mich wartete. Es war wie eine Einladung; mehr noch: es war ein Befehl, dem sich zu widersetzen sinnlos war.

Ich zögerte nicht mehr länger. An Priscylla dachte ich in diesem Moment kaum noch, obwohl mich der Gedanke an sie hierhergetrieben hatte. Statt dessen konzentrierte ich mich vollständig auf meine Umgebung, versuchte, aus den Augenwinkeln beide Waldränder gleichzeitig unter Kontrolle zu halten, ohne mich von dem Pfad vor mir ablenken zu lassen - was natürlich nicht gelang.