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Und plötzlich hatte ich das Gefühl, von einem eiskalten Hauch gestreift zu werden.

Ein Gesicht erschien über dem Deck, bleich, ein Teil eines zertrümmerten Schädels, die Augen weit geöffnet und erstarrt. Es war das Gesicht eines Toten. Mannings' Gesicht.

Das Gesicht eines Mannes, der vor meinen Augen zu Tode gestürzt war ...

Robert! LAUF!

Andaras Warnung kam zu spät. Ich prallte zurück, fuhr mit einer verzweifelten Bewegung herum - und erstarrte.

Mannings war nicht der einzige Tote, der noch einmal zu grauenhaftem Leben auferstanden war! Vor mir, nicht einmal zwei Schritte entfernt, stand Barton, sein Mörder. Sein Körper war zusammengestaucht von dem Sturz und auf groteske Weise verdreht, als wäre jeder einzelne Knochen in seinem Leib gebrochen und auf falsche Weise wieder zusammengewachsen, und genau zwischen seinen Augen war ein kleines rundes Loch, wo ihn Bannermanns Kugel getroffen hatte. Seine gebrochenen Totenaugen starrten mich an, und seine Hände hoben sich in einer zitternden, mühsamen Bewegung und tasteten in meine Richtung.

Ein Schuß krachte. Dicht neben Barton spritzten Holzsplitter aus dem Deck, und ich hörte Andaras Stimme schreien: »Hört auf zu schießen! Ihr könntet Robert treffen!«

Die Worte rissen mich endgültig aus meiner Erstarrung. Hastig wich ich zwei, drei Schritte zurück, preßte mich gegen den Mast und blickte mich gehetzt um. Barton und Mannings schienen die einzigen Toten zu sein, die noch einmal aus dem Schattenreich zurückgekehrt waren, aber beinahe im gleichen Augenblick, in dem ich den Gedanken dachte, sah ich die Bewegung unter den weißen Leichentüchern ...

Und im gleichen Augenblick erbebte die LADY OF THE MIST unter einem gewaltigen Schlag!

Die Erschütterung riß jeden an Deck von den Füßen. Ich fiel, rollte mich instinktiv zusammen und kugelte unter Bartons zugreifenden Händen hindurch. Die Matrosen begannen zu schreien, und ein ungeheures, knirschendes Mahlen lief durch den Rumpf. Ich spürte, wie tief unter uns die Planken zerbrachen und Wasser gurgelnd in den Bauch des Schiffes strömte. Ein weiterer Schlag traf das Schiff, nicht ganz so heftig wie der erste, aber noch immer stark genug, mich erneut von den Füßen zu reißen.

Als ich mich zum zweiten Male hochstemmte, blickte ich direkt in Mannings' schreckliches Gesicht.

Der Tote war, beseelt von der Kraft, die nicht mehr die eines Menschen war, wieder an Deck gekrochen und auf mich zugetaumelt. Ich schrie auf, warf den Kopf zurück und versuchte rücklings vor der furchtbaren Erscheinung davonzukriechen, aber Mannings war schneller. Seine Hand schoß vor, packte mich bei den Rockaufschlägen und zerrte mich mit übermenschlicher Gewalt zurück. Ich schrie erneut, trat in blinder Angst um mich und hämmerte ihm die Fäuste ins Gesicht.

Es war ein Gefühl, als würde ich in einen warmen Schwamm schlagen. Mannings schien den Hieb nicht einmal zu spüren, aber meine Gegenwehr steigerte seine Wut noch. Seine linke, unverletzte Hand legte sich auf mein Gesicht, drückte meinen Kopf in den Nacken und versuchte mir das Genick zu brechen. Ich spürte, wie der Druck auf meine Nackenwirbel ins Unerträgliche stieg. Noch wenige Sekunden, und mein Rückgrat würde brechen!

Ein dritter, noch heftigerer Schlag traf die LADY OF THE MIST. Das Schiff legte sich auf die Seite. Irgendwo über uns in den Masten zerbrach etwas; zertrümmertes Holz und Segeltuch regneten auf das Deck herab, und das Schiff stöhnte wie unter Schmerzen auf. Mannings wurde von einem armlangen Balken gestreift, bäumte sich auf und brach wie vom Blitz getroffen zusammen.

Aber es war nur eine winzige Atempause, die mir gegönnt war. Das Schiff stampfte und zitterte ununterbrochen, rings um uns herum kochte das Wasser, und der Wind steigerte sich von einem Atemzug auf den anderen zu einem tobenden Orkan, der die Segel zerfetzte und die Masten sich biegen ließ. Aber das Toben der Elemente behinderte die Lebenden weit mehr als die Toten! Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie die Leichensäcke, in die die Leichname der Matrosen eingenäht worden waren, endgültig zerrissen. Totenhände arbeiteten sich ins Freie, und als ich aufsprang und verzweifelt nach einem Fluchtweg suchte, grinste mich einer der Männer an, der in der Pinasse gewesen war, als Yog-Sothoth das erste Mal zuschlug.

Ich war eingekreist. Vor mir standen die Toten auf, und der Weg zum Achterdeck hinab wurde von Mannings und Barton versperrt. Noch griffen sie nicht an, aber ihre Absicht war eindeutig - sie wollten mich weiter zum Bug hinabtreiben, direkt in die Arme der anderen Untoten, die langsam wieder zu diabolischem Leben erwachten.

Und genau in diesem Augenblick, als wäre dies alles nichts als ein Vorspiel zu kommendem Schrecken gewesen, barst der Ozean rings um die LADY OF THE MIST in einer titanischen Fontäne aus Schaum und siedendem Wasser auseinander, und etwas Ungeheures, formlos Grauenhaftes hob sein schreckliches Haupt aus dem Meer. Die Schreckensschreie der Männer gingen in einem ungeheuerlichen Brüllen unter, einem Laut, wie ich ihn nie zuvor in meinem Leben gehört hatte; ein Schrei, der das Firmament zum Beben und das Meer zum Erzittern brachte. Rings um das Schiff wuchs ein Wald peitschender grüner Arme aus dem Meer, oberschenkeldicke Tentakel, besetzt mit glitzernden grünen Schuppen und tödlichen Mäulern. Andara schrie etwas, das ich nicht verstand, breitete die Arme in einer abwehrenden Geste aus und warf sich dem Ungeheuer entgegen; ein winziger, verlorener Mensch gegen einen Titanen aus der Vorzeit.

Und doch waren seine Kräfte denen Yog-Sothoths gewachsen ...

Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich den Eindruck, ein unerträglich helles, blendendes Licht zu sehen, das aus den Fingerspitzen des Magiers brach und in den aufgedunsenen Leib des Monsters schlug. Die peitschenden Schlangenarme zuckten zurück, als hätten sie sich verbrannt, und wieder schrie das Wesen; diesmal aber vor Schmerz. Die gewaltige Masse seines monströsen Körpers flutete zurück, und die zitternden Krakenarme, die auf das Schiff und die hilflosen Männer auf seinem Deck herabstoßen wollten, vollendeten ihre Bewegung nicht. Andara rief etwas, ein Wort in einer Sprache, die ich nicht verstand und nie zuvor gehört hatte. Die gewaltigen Tentakelarme zuckten, peitschten wieder auf das Deck herab und prallten erneut im letzten Moment zurück. Es war ein Ringen unsichtbarer, unbeschreiblicher Kräfte, dem ich zusah, ein Kampf zwischen Gewalten, die sich dem menschlichen Begreifen entzogen, vielleicht den Urkräften der Schöpfung, Gut und Böse, selbst.

Um ein Haar hätte mir meine Unachtsamkeit das Leben gekostet.

Ich war abgelenkt. Für Sekunden hatte ich die Gefahr, in der ich nach wie vor schwebte, vergessen.

Eine eisige Hand berührte mich an der Schulter. Ich fuhr herum, sah eine mißgestaltete Kralle auf mein Gesicht zuschießen und duckte mich instinktiv. Ein heißer Schmerz zog eine flammende Linie über meine Wange. Ich schlug die Hand, die mich gepackt hielt, beiseite, trat nach den Knien des Untoten und versuchte ihn auszuhebeln, wie ich es zuvor mit Mannings gemacht hatte. Aber meine Füße fanden auf dem bockenden Deck keinen Halt; ich verlor das Gleichgewicht, fiel auf die Knie und riß schützend die Arme vor den Kopf, als ein zweiter Schatten über mir emporwuchs. Ein Schlag traf mich, schleuderte mich hintenüber und nahm mir fast das Bewußtsein.

Sie waren überall. Nicht nur Mannings und Barton, sondern auch die anderen Toten drangen von allen Seiten auf mich ein, schlugen nach meinem Gesicht und zerrten mit erstarrten, eiskalten Fingern an meinen Kleidern.

Robert! Das Amulett!

Ich versuchte, Andara hinter den verzerrten Schattengestalten der Untoten zu erkennen, aber das Heck der LADY OF THE MIST hatte sich vollends in eine Hölle aus kochender Bewegung und wirbelnden, grünen Schatten verwandelt. Yog-Sothoth griff mit wütendem Gebrüll immer und immer wieder an, und ich sah voller Entsetzen, daß seine Krakenarme der einsamen Gestalt auf dem Achterdeck bei jedem Mal eine Winzigkeit näher kamen, als wiche der unsichtbare Schutzwall, der das Schiff und den Magier umgab, Stück für Stück vor dem Toben des Ungeheuers zurück.