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Mit einem gellenden Schrei auf den Lippen fuhr ich herum, im gleichen Moment, in dem der Vorhang vollends heruntergerissen und von einer Urgewalt zur Seite geschleudert wurde.

Aber der Eingang der Kabine blieb leer!

Für die Dauer eines Herzschlages starrte ich fassungslos auf den offenstehenden Durchgang. Ich hatte die Umrisse des Dinges ganz deutlich durch den Stoff gesehen, und der Fäulnisgestank nahm mir schier den Atem - aber ich war weiter allein in der Kabine.

Und plötzlich ging alles unglaublich schnell. Ein tiefer, unendlich tiefer, grollender Laut erklang, dann hatte ich das Gefühl, von einem unsichtbaren Bullen gerammt und mit grausamer Macht zur Seite geschleudert zu werden. Die winzige Kabine erzitterte in ihren Grundfesten, als ich gegen die Wand prallte, gleichzeitig hörte ich ein helles, metallisches Klingen, und der Spiegel an der Rückwand bog sich wie unter einem Fausthieb durch, zerbrach aber nicht.

Für einen winzigen, zeitlosen Moment sah ich alles mit phantastischer Klarheit. Meine Hand hatte dort, wo sie den Spiegel berührt hatte, einen blutigen Daumenabdruck hinterlassen. Und genau dieser Abdruck war das Ziel des Unsichtbaren!

Ich sah, wie die Blutstropfen sich kräuselten, in Sekundenschnelle gerannen und gleich darauf zu kochen begannen. Der ganze Vorgang dauerte nur wenige Sekunden, aber dort, wo das Blut gewesen war, war plötzlich ein schwarzer, verkohlter Fleck, in dessen Zentrum das Glas geschmolzen war.

»Robert! Flieh!«

Diesmal versuchte ich gar nicht erst zu ergründen, woher die Stimme kam. Mit einem entsetzten Schrei federte ich auf die Beine griff mir den Stockdegen und sprang aus der Kabine. Hinter mir zerbarst die nur aus dünnem Sperrholz gefertigte Umkleidekabine in einer lautlosen Explosion. Der Fäulnisgestank wurde übermächtig, und obwohl ich noch immer kein lebendes Wesen sah, hatte ich das Gefühl, eine Woge von Dunkelheit zu sehen, die aus der zertrümmerten Kabine herausbarst.

Aber immer wieder erreichte sie mich nicht. Mein Daumen blutete noch immer, und ich hatte eine unterbrochene Spur kleiner runder Blutstropfen auf dem Boden hinterlassen. Der Vorgang war hier nicht so deutlich zu erkennen wie auf der Oberfläche des Spiegels, aber es war dasselbe: das Blut zog sich zusammen, begann zu schwelen und zu kochen und verschwand schließlich ganz. Zurück blieb eine münzgroße, verkohlte Stelle auf den Fußbodenbrettern.

Und der Unsichtbare kam rasend schnell näher, und obwohl er wie ein Bluthund, der einmal auf der eingeschlagenen Fährte blieb, nicht direkt auf mich zukam, sondern im Zickzack der Blutspur folgte, bewegte er sich doch noch immer viel schneller als ein Mensch.

Endlich erwachte ich aus meiner Erstarrung. Ich fuhr herum, flankte kurzerhand über die niedrige Ladentheke und rannte, so schnell ich konnte, auf den Ausgang zu. Hinter mir flackerten zahllose kleine Brände auf, wo das Holz unter dem Flammenatem des Unsichtbaren zu schwelen und schließlich zu brennen begann.

»Stehenbleiben, Craven!«

Die Stimme hatte einen so schneidenden, befehlenden Ton, daß ich mitten im Schritt zurückprallte.

Ich hatte nicht gemerkt, daß Leyman wieder heruntergekommen war, aber er stand breitbeinig vor dem Ausgang, und die doppelläufige Schrotflinte in seinen Händen zielte genau auf mein Herz.

»Verdammt, sehen Sie denn nicht, was hier los ist?« keuchte ich. Ich wagte es nicht, zurückzublicken, aber ich spürte, wie das unsichtbare Ding näherkam. Rasend schnell.

»Aber natürlich«, sagte Leyman. Ein dünnes, böses Lächeln huschte über seine Züge. »Ich sehe es, Mister Craven.«

»Dann nehmen Sie das Gewehr weg, Sie Narr!« keuchte ich. Ich machte einen weiteren Schritt auf ihn zu, blieb aber erneut stehen, als er die Büchse um eine Winzigkeit hob und den Zeigefinger um den Abzug spannte. »Dieses Monstrum wird uns beide umbringen!«

Leymans Lächeln wurde noch eine Spur breiter. »Kaum, Mister Craven. Es wird Sie umbringen. Das würde es sogar tun, wenn ich Sie gehen ließe. Es hat Ihre Witterung aufgenommen, wissen Sie?«

»Meine ... Witterung?«

»Ihr Blut. Wenn das Craal einmal vom Blut eines Menschen gekostet hat, hört es nicht eher auf, ihn zu jagen, bis es ihn hat. Ich kann nur nicht zulassen, daß Sie zuviel Aufsehen erregen, Craven. Aber keine Angst - es geht schnell. Wir sind gnadenlos, aber nicht grausam.«

Das Ding war unmittelbar hinter mir. Ich spürte einen flüchtigen, heißen Luftzug, der an meinem Bein vorbeistrich, als dicht neben meinem Fuß eine weitere Flamme aus dem Holz schlug, roch den Pestatem des Ungeheuers und fühlte, wie ich von etwas unglaublich Starkem berührt wurde.

Im gleichen Moment ließ ich mich zur Seite fallen. Leyman schrie wutentbrannt auf und riß den Abzug seiner Schrotflinte durch. Die Ladung zerfetzte den Boden dicht neben meinem Körper, und irgend etwas biß schmerzhaft und scharf in meine Seite. Ich rollte blitzschnell herum, duckte mich - und sprang Leyman mit weit ausgebreiteten Armen an!

Seine Reaktion kam um eine halbe Sekunde zu spät. Die Schrotflinte entglitt seinen Händen, als ich gegen ihn prallte, und die Ladung des zweiten Laufes fuhr harmlos in die Decke. Hinter uns glühten Dutzende von kleinen, gelben Flammen auf.

Ich ließ Leyman nicht einmal die Spur einer Chance. Der Knauf des Stockdegens traf seine Rippen und trieb ihm die Luft aus den Lungen. Er keuchte, versuchte eine schwache Abwehrbewegung zu machen und sank vollends zurück, als ich ihm einen Kinnhaken versetzte.

Ich wartete nicht darauf, ob er sich von dem Schlag erholte. Mit einer blitzschnellen Bewegung sprang ich auf, lief zur Tür und rammte sie kurzerhand mit der Schulter ein. In einem Hagel von Glassplittern und zerbrechendem Holz taumelte ich auf die Straße, verlor das Gleichgewicht und fiel. Ich sprang sofort wieder auf und lief weiter, aber vorher gelang es mir noch, einen Blick in den Laden zurückzuwerfen.

Leyman hatte sich von meinem Hieb erholt und war halbwegs auf die Füße gekommen, machte aber keinen Versuch, den Laden zu verlassen. Seine Augen waren unnatürlich weit aufgerissen, und noch während ich herumfuhr und losrannte, begann er zu schreien.

Vielleicht, weil rings um ihn herum das Geschäft in Flammen aufzugehen begann.

Aber vielleicht auch, weil er den Blutstropfen auf seiner Wange gespürt hatte.

Mein Blut.

Der See lag glatt wie ein überdimensionaler, blinkender Spiegel unter der Sonne. Obwohl der Wind an Kraft zugenommen hatte, kräuselte nicht die geringste Welle seine Oberfläche, und die Stille, die hier ohnehin immer um eine Spur tiefer war als anderenorts, schien sich noch verstärkt zu haben, und das Sonnenlicht hatte hier, direkt über dem See, ein ganz kleines bißchen an Kraft verloren, als läge eine unsichtbare Kuppel über Loch Shin, die Licht und Laute gleichermaßen dämpfte. Auch die Schritte des Mannes, der sich von Osten her dem See genähert hatte, klangen gedämpft. Er taumelte. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen, um neue Kraft zu schöpfen, aber es war zu erkennen, daß er kurz vor dem Zusammenbruch stand. Er war querfeldein hierher gelaufen, auf dem kürzesten Weg, ohne Rücksicht auf sich oder seine Kleider zu nehmen. Seine schwarze Polizeiuniform war verdreckt und zerrissen, und auf seinen Händen und dem Gesicht glänzten Dutzende von kleinen, blutenden Kratzern, die er sich zugezogen hatte, als er rücksichtslos durch Gebüsch und dorniges Unterholz gebrochen war. Sein Atem ging schnell und keuchend. Sein Blick flackerte.

Schließlich erreichte er den See, taumelte die Böschung herab und fiel - mit den Knien schon im Wasser - dicht vor dem Ufer zu Boden. Sein Blick glitt suchend über die spiegelnde Oberfläche des Sees.

Zeit verging. Minuten, Stunden - Donhill wußte es nicht. Sein Zeitgefühl war erloschen, lange, bevor er hierhergekommen war. Alles, wofür in seinem Inneren noch Platz war, war Angst.